Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8
194. Kapitel: Jesus über rechte Sündenvergebung.
01] (Jesus:) a »Wer da gut sehend ist, der kann wohl zu seinem Bruder sagen, so er in dessen Auge einen Splitter erschaut: "Bruder, lasse es, daß ich dir den Splitter aus deinem Auge nehme!" Aber einer, der selbst nicht nur einen Splitter, sondern gar einen ganzen Balken von Sünden und Torheiten im eigenen Auge trägt, der sehe, wie er den Balken aus seinem Auge ziehen mag! Ist sein Auge rein, dann erst kann er auch seinem Bruder den Splitter aus dem Auge nehmen helfen. (a Matthäus.07,03-05 = Lukas.06,41; jl.ev01.052,09; jl.ev04.165,01; jl.ev04.168,08; jl.ev06.222,19; jl.ev08.124,14; jl.ev08.194,01; jl.ev10.029,02-04*; jl.rbl1.142,05)
02] Wer da lehrt seine Mitmenschen, der lehre sie nicht nur weise und feingefügte Worte, wie das auch tun die Pharisäer und andere falsche Propheten, sondern vielmehr durch seine Taten und Werke, so wird er seine Mitmenschen zur wahren und lebendigen Befolgung bewegen! So er aber so und so lehrt, selbst aber seiner Lehre zuwiderhandelt, so gleicht er einem Wolfe in Schafspelzkleidern, der nur darum die kurzsichtigen und leichtgläubigen Schafe um sich vereinigt und ihnen weise Lehren gibt, um sie sich für seinen Rachen gefügig zu machen.
03] Wird es solch einem Wolfe von einem Lehrer wohl etwas nützen, so er, heimlich sein Unrecht einsehend, zu Gott sagt: "Herr, vergib mir meine Sünden; denn ich habe an Deinen Schafen gesündigt oftmals!", bleibt aber dabei dennoch der alte Wolf? Oh, dieses Bitten und Beten wird ihm gar nichts nützen; denn er ist ja noch der alte Wolf! Er lege den Wolf ganz ab und werde ein Lamm, dann hat er sich selbst seine Sünden vergeben, und sie werden ihm dann im Himmel vergeben sein!
04] Wenn dein Bruder dich beleidigt und dir Übles zugefügt hat, so hast du durch die Liebe in deinem Herzen das offenste Recht, deinem Bruder die an dir begangenen Sünden zu vergeben; und so er dann auch freundlich zu dir kommt und dir dankt für deine Liebe und dir Gutes zu tun ernstlich verspricht, so sind ihm seine an dir begangenen Sünden auch im Himmel vergeben, auch dann, so du dich von ihm nicht entschädigen läßt.
05] Sieht der Bruder sein an dich begangenes Unrecht aber nicht ein und verharrt in seiner Bosheit, da wird wohl deine Liebe und Geduld dir im Himmel hoch angerechnet werden, aber dem Bruder werden seine Sünden bleiben, solange er sie sich selbst nicht gänzlich vergibt, was dadurch geschehen kann, daß er sie völlig als Sünden erkennt, sie an sich verabscheut und vollends ablegt und nicht mehr begeht.
06] Wie aber, wenn also und unmöglich anders, können einige von euch Essäern zu den Menschen sagen: "Wir sind für die Menschen von dem höchsten Gott erwählt zu Seinen Stellvertretern und haben das Recht, den Menschen die uns einbekannten Sünden und Laster, als auch im Himmel gültig, zu vergeben, so der Bekenner die von uns ihm auferlegten Bußen verrichtet und dies und jenes Opfer bringt!" - auf welch letzteres vor allem gesehen wird?! So Ich Selbst aber keinem Menschen die Sünden zuvor vergeben kann, als bis er sie sich selbst auf die euch gezeigte Art vergeben hat, wie könnt dann ihr an Gottes Statt den Menschen gegen Opfer jene Sünden vergeben, die sie an euch nie begangen haben?!
07] Ja, ihr könnt als rechte Ärzte von jenen Menschen, die bei euch Hilfe suchen, schon wohl ganz ernstlich auch verlangen, daß sie euch bekennen alle ihre Sünden und Gebrechen, auf daß ihr ihnen dann einen rechten Rat fürs fernere Leben und mit dessen genauer Befolgung auch die gewünschte Heilung der Seele und des Leibes verschaffen könnet. Doch auch in diesem Falle seid keine sündenvergebende Stellvertreter Gottes, sondern nur helfende Brüder und Freunde der an Leib und Seele leidenden Mitmenschen, denen dann auch alle Sünden im Himmel vergeben sein werden, so sie, euren Rat genau befolgend, sich selbst ihre Sünden völlig vergeben haben werden!
08] Darum, wollt ihr in der Folge den Menschen wahrhaft helfen, so lehrt sie vor allem, wie sie sich vor allem selbst zu helfen haben; denn ohne eine ernst vorangehende Selbsthilfe ist auch keine Hilfe von Gott aus möglich! Vorzugsweise aber gilt das für die durch allerlei Sünden schwach und krank und oft schon ganz tot gewordene Seele des Menschen, die vermöge ihres freien Willens und rechten Verstandes von Gott aus auf sich selbst angewiesen ist und sich selbst von allen Schlacken der Materie und deren Gerichtes reinigen muß, auf daß sie dann auch vom Geiste gereinigt und gestärkt werden kann.
09] Leget daher alle eure alten Torheiten und leeren Trügereien ab, und macht euch frei von ihnen; reiniget dadurch eure Seelen, und Ich werde dann zu euch auch sagen können: "Nun seid ihr auch rein vor Mir!" Ich werde euch dann stärken durch Meinen Geist, der euch dann beleben wird zur höheren Tatkraft und euch zeihen wird zu wahren und vollkommenen Menschen.
10] So ihr nun aber das wisst und es vernommen habt aus Meinem Munde, so handelt auch danach; denn sonst nützen euch diese Meine wahrsten und lebendigsten Worte ebensowenig, als den Menschen eure leeren und unwahren und toten Worte jemals etwas genützt haben.
11] Es sind Meine Worte wohl die Kraft und das Leben aus Gott Selbst, aber sie werden erst zu eurem Lebensanteile durch euer Handeln danach. Seid darum allzeit wahre Täter und nicht pure Hörer des Wortes, das Ich zu euch geredet habe, so werden euch alle eure vielen Sünden vergeben werden auch im Himmel, und Ich werde euch dann allzeit helfen können! - Habt ihr das wohl begriffen?«
12] Sagte der Erste und Oberste der Essäer: »O Herr und Meister in Deinem Gottgeiste von Ewigkeit! Wer sollte das auch nicht begriffen haben? Denn diese Wahrheit ist zu sonnenhelle leuchtend, und wir haben in ihrem Lichte nun erst vollends erkannt, was der Mensch sein und wie er leben und handeln soll, um ein wahrer Mensch zu sein nach dem Willen und nach der Ordnung Gottes. Wir werden aber darum auch von nun an nicht nur die Hörer, sondern auch die lebendigsten Täter Deines heiligen Wortes sein und verbleiben bis ans Ende der Zeiten der Erde.
13] Diese unsere alte Sündenburg soll materiell und geistig vom Grunde aus niedergerissen und zerstört werden, und wir werden an ihrer Statt eine von allen Seiten freie und offene aufmauern. In Zukunft sollen uns nicht mehr unserer alten Burg feste Mauern vor allerlei Feinden schützen, sondern allein die Kraft und ewige Macht Deines Gotteswortes!
14] Und sollte je irgend Deine Lehre unter den Menschen durch allerlei falsche Lehrer und Propheten verunlautert werden, so soll sie in unseren freien Mauern und Herzen dennoch so rein verbleiben im Sinne, Verständnisse, Geiste und voller Tat, als wie göttlich rein sie aus Deinem heiligen Munde in unser Herz und unsere Seele gedrungen ist. Du, o Herr und Meister, aber sprich Dein allmächtiges Amen dazu, und wir Essäer als künftige freie Maurer und Erbauer ("und Erbauer" von J. Lorber nachträglich eingefügt.) Deiner Gottesburg unter den Menschen auf Erden werden auch die treuesten Erhalter derselben verbleiben!«
15] Sagte Ich: »Ja, dazu spreche Ich das große Amen aus dem Munde des Vaters, der Sich in Meiner Person Selbst zu euch aus den Himmeln herabgesandt hat, und morgen sollt ihr schon die Wirkung dieses von Mir ausgesprochenen großen Amens verspüren! Doch für heute wollen wir des Tages Werk als beendet ansehen. Wer aber noch etwas zu fragen hat, der kann fragen, und Ich werde ihm die Antwort geben.«
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