Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 55. Kapitel: Rechte Erkenntnis der Weisheit Gottes durch die Wiedergeburt.

01] Nikodemus sagte nach einer Weile tieferen Nachdenkens: »Herr und Meister, übergroß und tief ist das, was Du uns nun ganz lichtvoll gezeigt hast, und ich werde Dir wohl ewig dafür nicht zur Genüge danken können; aber weil das von Dir nun Gesagte und Gezeigte so übergroß und übertief ist, so habe ich, wie vielleicht auch mancher andere, diese Sache nicht so ganz aus dem Fundamente lichtvoll begreifen können. Ich sehe es aber wohl ein, daß mir diese Sache auch eine weitere Erklärung nicht klarer machen würde, und so sage ich denn auch nicht: Herr, mache mir das noch klarer und begreiflicher!«

02] Sagte Ich: »Da hast du auch ganz vollkommen recht. Diese Sache läßt sich für dich und auch für manchen andern nicht klarer darstellen; das alles und noch zahllos mehr aber wirst du erst dann fassen, wenn du im Geiste wiedergeboren sein wirst.

03] Mein Wort und Meine Predigt an euch kann nicht in der gewissen vernünftigen Redeweise der Menschen und ihrer Weltweisheit gegeben werden, sondern sie besteht in der Beweisung des euch völlig unbekannten Geistes und seiner Kraft, damit euer Glaube und euer zukünftiges Wissen nicht auf der Weisheit der geistig blinden Menschen, sondern auf der wunderbaren Kraft des Geistes aus Gott beruhe.

04] Nun, diese Meine Lehr- und Redeweise erscheint vor den Augen der Weltweisen als eine Torheit, weil sie vom Geiste und seiner Kraft nichts wissen und nichts wahrnehmen mit ihren groben Sinnen; aber Meine Lehre ist dennoch eine Weisheit tiefster und höchster Art, aber nur vor den Augen, Ohren und Herzen der vollkommenen Menschen, die eines guten Willens sind und die Gebote Gottes allzeit beachtet haben. Aber für die Weisen und Obersten dieser Welt, die vergehen wie ihre Weisheit, ist Meine Lehre freilich wohl das nicht.

05] Ich rede zu euch von der verborgenen Weisheit Gottes, die Er schon vor der Erschaffung dieser materiellen Welt verordnet hat zu eurer ewigen Lebensherrlichkeit, welche verborgene Weisheit noch kein Pharisäer, kein Ältester und Schriftgelehrter und Tempeloberster nach seiner Weltvernunft aus der Schrift erkannt hat; denn würden sie diese verborgene Weisheit jemals erkannt haben, so würden sie nicht in einem fort Rat halten, wie sie Mich, den Herrn von Ewigkeit, töten und verderben könnten. Doch lassen wir sie nur trachten und Rat halten; denn wie ihr Tun, so wird auch ihr Lohn rein!

06] Euch aber sage Ich, wie es geschrieben steht: "Kein Menschenauge hat es je gesehen, kein Ohr gehört, und in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben und Seine Gebote halten!"

07] Was Ich euch nun offenbare, das offenbart der Geist Gottes eurem Geiste, auf daß auch euer Geist erforsche und erkenne die Tiefen in Gott. Denn nur der Geist durchschaut und durchforscht alle Dinge und, dadurch geläutert, auch die Tiefen in Gott. Und also bekommt ihr von Mir nun nicht den Geist der Welt, dessen ihr nimmerdar bedürfet, sondern den Geist aus Gott, auf daß ihr durch diesen Geist erst völlig fassen und begreifen könnet, was euch von Mir als von Gott gegeben ist.

08] Ich kann denn darum mit euch davon nicht nach Art der Menschenweisheit reden, sondern nur mit Worten, die der Geist Gottes lehrt und alle Dinge geistig richtet, und ihr vermögt Mich darum auch nicht völlig zu verstehen, weil euer Geist noch nicht ganz durchdrungen hat eure Seele. Wenn aber eure Seele sich mit aller Liebe und freiem gutem Willen ganz im Geiste aus Gott, den ihr nun bekommet, befinden wird, dann werdet auch ihr aus euch heraus alle Dinge geistig richten und alles wohl erkennen und verstehen, was euch nun noch dunkel und unverständlich erscheint.

09] Ihr vernehmt aber nun doch schon etwas vom ewig wahren Geiste Gottes und könnt auch schon gar manches geistig richten. Doch der ganz natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes in sich, und wenn man davon zu ihm redet, so ist ihm das eine Torheit, weil er das nicht in sich hat, was seine Seele geistig richten könnte. Denn so ein Mensch Geistiges fassen und begreifen will, so muß zuvor seine Seele und alles völlig geistig gerichtet sein; denn alles Leben und alles wahre Licht und alle wahre Kraft ist nur im Geiste, der allein alles richtet und von niemandem etwa entgegen gerichtet werden kann.

10] Der natürliche, noch geistlose Mensch aber ist Materie in ihrem Gerichte, und sein Naturleben ist ihm vom Geiste Gottes aus nur als ein Mittel gegeben, daß er durch dasselbe das wahre, geistige Leben in sich erwecken kann, so er will. Und so kann er mit seinem Naturverstande die Gebote Gottes schon als solche wohl erkennen und dann den Willen fassen, sie auch zu beachten und nach ihnen zu leben und zu handeln. Und tut er das, so dringt der Geist Gottes schon auch insoweit in seine Seele, inwieweit diese in der Beachtung der Gebote Gottes und im Glauben an den einen Gott und in der Liebe zu Ihm und zum Nächsten vorwärtsgedrungen ist.

11] Wenn die Seele es aber darin zu einer nimmer möglich rückfälligen Stärke gebracht hat, so ist das dann schon ein sicherer Beweis, daß der Geist aus Gott sie ganz durchdrungen hat und in ihr all ihr Erkennen und Wissen geistig richtet, und solch eine Seele hat dadurch ihre früher tote Materie völlig überwunden und ist mit dem Geiste Gottes, der sie durchdrungen hat, ein Geist, eine Kraft, ein Licht und ein wahres, nimmer verwüstbares Leben geworden, das von niemand mehr gerichtet werden kann.

12] Darum a suchet ihr alle vor allem das wahre Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch dann von selbst hinzugegeben werden; denn das wird dann der Geist Gottes in euch tun. b Sorget euch gar nicht um irdische Dinge, nicht einmal darum, was ihr am kommenden Tage essen und trinken und womit ihr euren Leib bekleiden werdet; c denn um das alles sorgen sich die Heiden und andere Weltmenschen, die den wahren Gott noch nie erkannt haben. Wenn der wahre Geist in euch seine volle Wiedergeburt erreicht haben wird, so werdet damit auch ihr alles erreicht haben, was euch not tut. (a Matthäus.06,33; Römer.14,171. Könige.03,13-14jl.ev08.049,08; b Matthäus.06,25 = Lukas.12,22Psalter.037,05Sprüche.16,03Philipper.04,061. Timotheus.06,061. Petrus.05,07Hebräer.13,05;  ⇒ jl.ev06.069,03jl.ev06.193,07jl.ev07.055,12jl.ev08.049,08jl.ev08.089,06jl.ev09.039,09 ⇒ jl.ev09.155,15)

c Matthäus.06,32Lukas.12,30jl.ev07.055,12jl.ev08.089,06;  ⇒ jl.ev09.155,15jl.ev10.194,14jl.schr.025

13] So ihr auf Meinen Wegen wandeln und bleiben werdet, wie Ich euch das lehre und gelehrt habe, so werdet ihr auch in Mir sein und Mein Geist in euch, und mit dem werdet ihr alles tun und bewirken können, was seine Weisheit euch sagen und sein Wille in euch wollen wird. Und damit ist euch jede nötige weltliche Versorgung für die Zeit eures Erdenlebens auch im allerreichlichsten Maße gegeben.

14] Ihr habt nun bei Mir erfahren, was dem Geiste alles möglich ist; was aber Meinem Geiste möglich ist, das wird auch eurem Geiste möglich sein, wenn er eins wird mit Mir. Wie er aber mit Mir eins werden kann, das habe Ich euch schon zu vielen Malen gezeigt, und so tut denn danach, und ihr werdet diese Meine Verheißung in euch in die volle Erfüllung gehen sehen!

15] Nun aber, da wir heute vieles getan und gewirkt haben, wollen wir, da es schon ein paar Stunden über die Mitternacht hinaus ist, eine kleine Ruhe nehmen und morgen ein neues Tagewerk beginnen!«

16] Sagte Lazarus: »Herr, mit den Schlaflagern wird es mir hier für so viele Menschen auch etwas knapp gehen!«

17] Sagte Ich: »Warum denn? Ein jeder bleibe auf seinem Flecke sitzen, stütze sich auf seine Arme und ruhe, und es wird ihm das sehr wohl zustatten kommen!«

18] Damit war Lazarus ganz zufrieden und tat auch für seine Person dasselbe.

19] Nikodemus aber wollte nun nach Hause ziehen, um am Tage nicht auf dem Berge gesehen zu werden; denn er hatte Furcht vor den Pharisäern.

20] Ich aber sagte zu ihm: »Habe du keine Furcht vor denen, die dir nichts anhaben können! So Ich es will und du es glaubst, da kannst du auch am hellsten Tage ungesehen diesen Berg verlassen und dich in dein Amt begeben.«

21] Sagte Nikodemus: »Dann bleibe ich, da meine Familie mich ohnehin im Tempel und arbeiten wähnen wird.«

22] Sagte Ich: »Allerdings, und so bleibe, und ruhe auch ein wenig.«

23] Auf diese Meine Worte hin ward es still im Saale, und alles gab sich einer kurzen und den Leib sehr stärkenden Ruhe hin.

24] Unser Raphael aber begab sich auf Mein inneres Geheiß zu den Sklaven, die noch nicht ruhten, und brachte sie auch auf die gleiche Weise nur Ruhe, blieb dann bis zum Aufgang der Sonne bei ihnen und bewirkte, daß sie alle gar seltsam schöne Träume hatten; denn es war das diesen nordischen Kindern sehr eigen, allerlei weissagende Träume zu haben. Und hatten sie im Traume schöne und wunderbare Dinge gesehen, so waren sie am Tage sehr erbaut, fromm, geduldig und munter.

25] Und so ward hier jedem das Seinige.



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 7  |   Werke Lorbers