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Kapitelinhalt 191. Kapitel: Aufbruch zum großen Saal der Vollendung. Robert und Helena gehen vor Cado voran und finden eine verschlossene Himmelspforte. Minerva tritt wieder auf. (Am 13. Mai 1850)

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag
Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Alles begiebt sich nun schnell in Meinen Willen, und Robert Ur. kommt, und sagt: „Herr und Vater! es ist alles geordnet nach Deinem Willen, nach Deiner heiligen Ordnung."

02] Sage Ich: „Also gehen wir denn dorthin gen Morgen, wo du in scheinbar großer Ferne zwei mächtig große Säulen ersiehst; alldort ist der vierte Großsaal der Vollendung, wo der eigentliche Himmel erst seinen Anfang nimmt für deiner Liebe und Erkenntniß Sfäre. Nimm hier dein Weib, auf daß du als vollkommen eingehest in das Reich deiner Liebe und deiner Erkenntniß, aus Meiner besonderen Liebe in dir; also sei es!"

03] Auf diese Meine Worte umfaßt Robert Ur. mit aller Liebe seine Helena, und bittet Mich, „daß Ich, so es nach Meiner Ordnung anginge, sogleich an seiner Seite, und zwar zwischen ihm und der Helena in den Großsaal der Vollendung einziehen möchte." - Ich aber sage zu ihm: „Du mußt einmal frei zu wandeln anfangen, ansonst du stets eines Gängelbandes bedürfen würdest. Ich aber werde schon ohnehin in dem Großsaale zugegen sein, wenn du in denselben eintreten wirst; sorge dich daher nicht um Mich, und denke nicht, ob Ich hier oder dort sei; denn wo du mit der Liebe zu Mir immer dich hinbegeben wirst, da werde Ich bei dir sein, indem deine Liebe zu Mir Ich Selbst bin, und bin da gegenwärtig überall, wo die wahre und reine Liebe in irgend einem Herzen zu Mir gegenwärtig ist in gerechter Fülle. - Und so gehe denn voran, und öffne uns Allen in der Fülle die Pforte in das Reich der Vollendung deines Herzens."

04] Hier macht der Robert eine tiefe Verbeugung vor Mir, und tritt darauf sogleich seine Reise an, und wandelt wohlgemuth mit seiner Helena, - die ihn unterwegs fragt, wie es ihm denn hier im Reiche Gottes so ganz eigentlich vorkomme? Ob er sich wohl schon so ganz heimisch fühle, oder ob es ihm dennoch nicht öfter vorkäme, als ob er in der Fremde wäre? - Sagt darauf Robert Ur.: „Allerdings komme es ihm manchmal sehr fremd vor, besonders so der Herr nicht neben ihm sich befindet; aber so der Herr sich in seiner Gegenwart sichtlich befindet, da sei er wieder ganz zu Hause. Nun käme es ihm an der Seite der Helena aber dennoch weniger fremd vor, als ehedem an der Seite des Sariel; nur die Erscheinungen, die da kommen und bald wieder vergehen, kommen Mir trotzdem, daß ich sie recht wohl verstehe und begreife, noch immer sehr befremdend vor, weil ihr Auftreten oft gar so unvorbereitet zum Vorscheine kommt; aber das thut nun gar nichts; ich habe mich daran schon gewöhnt. Aber nun ist auch schon die Pforte da, und verschlossen; was nun?"

05] Spr. die Helena: „Nun, die werden wir im Namen des Herrn denn aufzumachen versuchen. Sieh', es steckt ja ein goldener Schlüssel daran; also versuchen wir's." - Robert ergreift sogleich den goldenen Schlüssel, und fängt an, ihn nach rechts und nach links zu drehen, aber die große Thüre will sich nicht öffnen; er drehet wieder, und stärker als zuvor drückt er mit aller Gewalt an die beiden Thürflügel, doch vergebens; nimmer weichen sie seiner Gewalt.

06] Darob wird ihm etwas bange, und er spricht zu seiner Helena, sagend (Robert): „Siehe, mein geliebtes Weib, da ist wieder eine lebendige Antwort auf deine Frage: Ob es mir nicht öfter vorkäme, als ob ich in der Fremde wäre. Ich muß dir hier offen gestehen, daß ich mich nun einmal wieder sehr in der Fremde fühle, ja als wie Einer, der ganz verlassen ist von allen seinen früheren Freunden und Helfern in der Noth. Sieh dich nur einmal um, und sage mir, ob du selbst in der weitesten Ferne hinter uns Jemanden erschauen kannst. Außer dem Freunde Kado, der uns ganz still aus eigenem Antriebe gefolget ist, entdecke ich keine Seele, und somit auch keinen Geist. Was sagst denn du mein Engel zu dieser nun ganz unerwarteten himmlischen Anrennerei?" - Spr. die Helena: „Ist wahrhaft sonderbar! Außer dem Kado sehe ich auch Niemanden, und das Thor läßt sich nicht öffnen, und hat uns doch der Herr Selbst da hierher beordert. Geh, versuche es noch einmal zu öffnen die Thüre; ich werde dir selbst helfen; vielleicht wird es dann gehen."

07] Robert macht sich nun wieder an den Goldschlüssel, und drehet ihn nach allen Seiten, während dem die Helena stets an die beiden Flügel recht kräftig drückt. Die Operation gehet eine gute Weile vor sich, aber ohne Effekt. - Als Beide schon etwas abgemüdet sind, sagt die Helena: „Weißt du, mein geliebter Robert Ur., über die Möglichkeit hinaus kann sich Niemand zu einer That verpflichtet fühlen. Wir haben bereits alle unsere Kräfte daran verwendet, um zu öffnen diese Himmelspforte; sie läßt sich aber durchaus nicht öffnen, wofür wir doch kaum etwas schulden können; also bleibe sie denn in des Herrn Namen verschlossen. Den Freund Kado könnten wir zwar noch um eine gefällige Mitwirkung ansprechen. Wer weiß, vielleicht weiß er damit besser umzugehen als wir Beide." - Spr. Robert Ur.: „Du hast aber auch Recht; das werde ich aber nun auch sogleich thun." (Am 14. Mai 1850)

08] Hier spricht Rob. Ur. den Kado an, und sagt: „Liebster Freund, du hast uns so zu sagen ganz allein bis hierher ein freundliches Geleite gegeben, während von all den vielen Andern nicht ein bewegliches Atom irgendwo zu ersehen ist; du hast auch des Herrn Auftrag an mich vernommen, wie ich mit meinem Weibe hierher ziehen solle, und hier öffnen dieß Thor; allein alle meine noch so kräftigen Versuche scheiterten an der Widerkraft dieses Thores; meines Weibes nicht unkräftige Mithilfe fruchtete auch nichts. Daher will ich dich hiermit ersucht haben, da du schon ohnehin hier bist, daß du mir noch einen, und zwar den dritten Versuch recht kräftig möchtest machen helfen. Vielleicht gelingt's uns Dreien, diese riesige Himmelspforte denn doch zu öffnen, dann wohl uns! Gelingt es uns aber wieder nicht, was das offenbar Wahrscheinlichste ist, nun, so mag der Herr dann thun und machen mit uns, was Ihm wohlgefällt."

09] Spricht Kado: „Lieber Freund! dieses unermeßliche Meer von Erscheinungen, die sich hier schnell aufeinanderfolgend die Hände bieten, macht aus mir eine Ohnmachtsmücke, und es wird dir mein Wirken sehr wenig Segen bringen. Quod licet Iovi, non licet bovi! Du bist dazu berufen, und auserwählt; und ich nicht einmal glattweg berufen. Aber es macht das nichts; ich werde dir dennoch die verlangte Hilfe leisten. Ob es dir aber etwas nützen wird! Natürlich, für das kann ich dir nimmer gut stehen. Du weißt es ja, daß das Himmelreich Gewalt brauchet; nur die werden es besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen. Gewalt muß also hier geschehen dieser Pforte; und so gehen wir's denn in Gottes Namen an."

10] Robert macht sich nun abermals an den Schlüssel, und drehet ihn nach links siebenmal, und da dadurch bei allem Kraftaufwande die Pforte noch nicht aufgehet, so dreht Robert den Schlüssel nach rechts so lange um, als sich der Schlüssel nur immer drehen läßt, und es wird während des Drehens in einem fort kräftigst an die Pforte losgedrückt; allein die Pforte bleibt beharrlich verschlossen.

11] Robert Ur. kratzet sich hinter den Ohren, und Kado sagt: „Ich habe es dir früher gesagt, daß es nicht gehen wird; denn obschon ich eben noch nicht zu lange hier ein Bewohner des Geisterreiches bin, so weiß ich aber doch, daß diese geistigen Dinge um sehr vieles hartnäckiger sind, denn die irdischen; ein Berg auf der Erde ließe sich eher versetzen, als wie so ein hartnäckiges Geisterthor öffnen. Mein Rath wäre hier dieser, nehmlich: die Geschichte abwarten. Die Gegend ist hier wahrlich wunderschön, und Gärten und Früchte aller Art giebt es hier auch in großer Fülle; was wollen wir mehr? Daß unsere Bestimmung nicht darin bestehen kann, gleichfort sichtlich dem Herrn Gott Jesus auf der Nase zu sitzen, das werdet ihr hoffentlich ebenso gut einsehen, wie ich es einsehe; es ist uns demnach ein Ort im Gottesreiche angewiesen worden, wo wir so lange zu verharren haben werden, als bis uns von höheren Mächten diese große Himmelspforte aufgethan wird; denn wir werden sie wohl ewig nimmer zu öffnen im Stande sein. Was wir aber thun können, wäre meines Erachtens das, daß wir uns auch hier an den evangelischen Rath halten sollen, der nehmlich also lautet: Suchet, so werdet ihr's finden; bittet, so wird es euch gegeben, und pochet an, so wird's euch aufgethan! Wer weiß, ob das Thor nicht schon offen stünde vor uns, so wir uns statt des Schlüsseldrehens an diesen evangelischen Rath gehalten hätten. Was meinst du, mein Freund, in dieser Sache?"

12] Spr. Rob. Ur.: „Ja, ja, Freund! du hast da durchaus recht; dagegen läßt sich gar nichts einwenden; aber daß der Herr mich förmlich genöthiget hat, ja eilends voran mich hierher zu begeben, und diese Pforte zu öffnen, da uns Alle großwichtige Dinge hinter dieser Pforte erwarten. Und nun bin ich hier, erwartend die Eröffnung des Himmels, und richte mit der Pforte nichts! Siehe, das ist denn doch „bei Gott" etwas sonderbar. Aber sei ihm nun, wie's ihm wolle , ich werde deinem Rathe folgen." (Am 16. Mai 1850)

13] Spricht hinzu die Helena: „Freunde! wahrlich wahr, es gehört viel dazu, um in das Himmelreich Gottes eingehen zu können. Wenn man auch schon, wie ich selbst, in der allerwahrsten Glühhitze der reinsten Liebe dem Herrn Selbst an der heiligen Brust gelegen hat, und da als ein Säugling gesogen die Gnadenmilch des Lebens, so nützt das aber dennoch, wie es hier ersichtlich ist, eben nicht gar viel; denn kommt man dann vor die eigentliche Hauptpforte des Himmelreichs, so findet man diese ebenso gut verschlossen, als Einer, der etwa in geradester Linie von unten hergekommen. Es ist wahrlich höchst sonderbar; mich schenirt nun hier nichts, als dieß herrlichste Strahlengewand; wenn ich so ein ganz ordinäres Bauernkleid statt diesem strahlenden hätte, so würde mich diese Verweigerung des Eintrittes in das eigentliche Himmelreich beiweitem weniger scheniren. Der Sauhalter muß auch als solcher bekleidet sein, sonst wird ihm entweder sein Amt, oder er ihm selbst zu einem - Ueberdrusse werden. Wahrlich wahr, bei dieser Geschichte könnte man auf den Herrn ordentlich ungehalten werden. Früher Milch und Honig von bester Qualität, und nun eine tinctura amara darauf, und an der Stelle des Himmelsbrodes, das man ehedem schon im wahren Uebermaße genossen, kommt nun eine Hafergrütze, Prosit Mahlzeit! No, gespührest du so was, Robert!? Das wird eine sonderbare himmlische Süßigkeit abgeben. Aber wenn ich arme Närrin nur dieses dummen Kleides loswerden könnte. Mich schenirts nun schon ganz entsetzlich! Gefällt, mein geliebtester Robert, dir noch dein uranisches Sternengewand?"

14] Spricht Robert: „Wäre mir gleichwohl auch ein anderes um eine ganze Million lieber, aufrichtig wahrgesprochen; ich komme mir nun in diesem göttlichen Sternenkleide wie so ein gefoppter himmlischer Esel vor. Bei Gott, eine lederne Hose, und eine Jacke vom gröbsten grauen Tuche wäre mir um ein ganzes Leben lieber. Ich habe mich aber in meinem ganzen irdischen und geistigen Leben nie so impertinent wahrhaft bettpisserisch geschämt, als dießmal in diesem fatalen Himmelsgewande. Wenn ich es nur gegen ein anderes vertauschen könnte." - Spricht die Helena: „Ich gäbe das meine um den allerschmutzigsten Küchenfetzen her; denn es giebt wahrlich nichts Erbärmlicheres als zu tragen ein Königsgewand auf einer Sauhaulterwiese."

15] Spricht Kado: „Meine liebsten Freunde, ihr redet mir aus dem Herzen; das muß auch Christus als Gott und Herr der Unendlichkeit tief, gewollt und gefühlt haben, da Er so oft gegen die Kleiderpracht so sehr geeifert hat, und trägt auch als Herr der Unendlichkeit hier im Reiche alles Lichtes wahrlich das lichtloseste ganz allereinfachste Kleid. Ich bin selbst ein größter Feind von jeder Kleiderpracht, mag sie nun auf der Welt materiell, oder hier im Reiche des Geistes geistig sein. Wahrscheinlich sind die Prachtgewande in den Himmeln, mit denen die weisen Engel angethan sind, jene Flecken an ihnen, die das reinste Gottesauge an ihnen ersieht. Denn es heißt irgendwo in der Schrift: Auch an den Engeln erschauet Dein Auge, o Herr, Mängel! Daher gebe ich euch ganz recht, daß ihr euer für hier unpassendes, prachtvollstes Himmelsgewand verabscheuet; aber wo nun ein anderes hernehmen? Daher behaltet es, so lange kein anderes zu bekommen sein wird. Sehen kann uns offenbar doch kein Vierter, weil er nicht da ist; wir drei aber wissen es ja, was wir davon zu halten haben. Deßhalb sollen euch diese strahlenden Himmelsfetzen auch gar nicht scheniren, haben sie nur vorerst in euren Augen keinen Werth, dann ist alles wohl gut und recht; denn in meinen Augen hat solch ein selbst himmlischer Flitter nie einen Werth gehabt. Aber was werden wir nun vor dem Oeffnen der Pforte beginnen? werden wir zu bitten, zu suchen, und zu pochen beginnen?"

16] Spricht die Helena: „Ich meine, das werden wir schön fein bleiben lassen. So sie uns der Herr nicht öffnen will, so solle sie denn gleichwohl verschlossen bleiben in alle Ewigkeit, Amen." - Spr. Robert: „Hast eben nicht ganz unrecht, du meine allergeliebteste Helena; aber weißt du, so man es schon einmal bis zur - sozusagen - letzten Himmelspforte gebracht hat, da solle man sich denn doch noch einige Mühe geben, auch durch diese zu kommen. Bitten ist gerade keine Schande, suchen noch weniger, und was am Ende das Anklopfen betrifft, so will ich mich selbst gleich einem irdischen Regimentstambour auf die beiden Flügel hermachen, und einen Lärm machen, der sich gewaschen haben solle. Nein, aber das gefällt mir nun erst; ehedem machte ich schon als selbst ein Engel mit dem Sariel die gedehntesten Himmelsdurchwanderungen; und nun stehe ich wieder in eurer Gesellschaft als ein barster Ochse am Berge. Es geht uns nun nur noch die famose Minerva ab; das wäre wirklich ein Spaß, diese hier über diese Thorsperre losziehen zu hören."

17] Spricht Kado: „Nur den Wolf nicht genannt, sonst kommt er gerannt. Und so ich mich nicht irre, so kommt sie schon daher, uns eine Visite zu machen. Nun sehen wir, wie wir ihrer los werden!" - Spricht dazu die Helena ganz verblüfft über diese Erscheinung: „Aber die muß ein feines Gehör haben. Nun, nun, nun, du mein liebster Robert Ur., das wird eine hübsche Geschichte werden. Hast aber auch müssen deren Namen so gewisserart als nun in dieser unserer ohnehin zuwidern Lage wißgierig nennen. Nein, nein, das wird nun eine schöne Mette werden. Am Ende zieht sie uns noch alle Drei mit sich in die allerunterste Gott-steh-uns-bei!"

18] Spr. Kado: „Ah, von dem ist keine Rede; aber das eigentlich etwas Fatale besteht nur darin, daß man ihrer nicht so bald wieder los werden kann, so sie einmal da ist." - Spricht Robert: „Ja, so suchen wir es ihr zu verhindern, daß sie nicht her komme; denn mit so viel göttlicher Kraft und Gewalt werden wir ja etwa doch noch ausgerüstet sein!" - Spricht Kado: „Versuch' es; aber ich meine, daß dieß nichts nützen wird; denn sie wird gleich sagen, daß auch sie das vollste Recht habe, vor die Pforte des Gotteshauses zu kommen, und da zu begehren den Einlaß. Ob sie hineingelassen wird, das ist freilich eine andere Frage. Aber an die Pforte zu kommen, kann ihr nicht gewehret werden. Lassen wir sie daher ganz ungehindert fortwandeln, und thun nicht dergleichen, als ob wir sie bemerketen; wird sie sich dann etwa an uns machen, nun so werden wir ihr schon etwas zu erzählen wissen, was sie sicher nicht gerne hören wird. Nun aber dürfen wir gegen sie weder freundlich, und noch weniger wie richterlich diktatorisch uns benehmen, sondern so ganz gleichgültig, was sie am wenigsten vertragen kann, da werden wir ihrer am ersten los werden. Denn ich glaube sie so ziemlich durch und durch zu kennen."

01] Alles begibt sich nun schnell in Meinen Willen. Und Robert-Uraniel konmmt und sagt: "Herr und Vater, es ist alles geordnet nach Deinem Willen, nach Deiner heiligen Ordnung!"

02] Sage Ich: "Also gehen wir denn dorthin gen Morgen, wo du in scheinbar großer Ferne zwei mächtige Säulen ersiehst! Alldort ist der vierte Großsaal der Vollendung, wo der eigentliche Himmel erst seinen Anfang nimmt für die Sphäre deiner Liebe und Erkenntnis. Nimm hier dein Weib, auf daß du aus Meiner besonderen Liebe in dir als vollkommen eingehest in das Reich deiner Liebe und deiner Erkenntnis! Also sei es!"

03] Auf diese Meine Worte umfaßt Robert-Uraniel mit aller Liebe seine Helena und bittet Mich, daß Ich, so es nach Meiner Ordnung anginge, sogleich an seiner Seite, und zwar zwischen ihm und der Helena, in den Großsaal der Vollendung einziehen möchte. - Ich aber sage zu ihm: "Du mußt einmal frei zu wandeln anfangen, ansonst du stets eines Gängelbandes bedürfen würdest! - Ich aber werde schon ohnehin in dem Großsaale zugegen sein, wenn du in denselben eintrittst. Sorge dich daher nicht um Mich und denke nicht, ob Ich hier oder dort sei. Denn wo du mit der Liebe zu Mir dich immer hinbegeben wirst, da werde Ich bei dir sein, da deine Liebe zu Mir Ich Selbst bin. Und Ich bin überall da gegenwärtig, wo die wahre und reine Liebe in irgendeinem Herzen zu Mir in gerechter Fülle gegenwärtig ist. - Und so gehe denn voran und öffne uns allen in der Fülle die Pforte in das Reich der Vollendung deines Herzens!"

04] Hier macht Robert eine tiefe Verbeugung vor Mir und tritt darauf sogleich seine Reise an. - Er wandelt wohlgemut mit seiner Helena, die ihn unterwegs fragt, wie es ihm denn hier im Reiche Gottes so ganz eigentlich vorkomme, ob er sich wohl schon so ganz heimisch fühle, oder ob es ihm nicht öfter vorkomme, als ob er in der Fremde wäre? - Sagt darauf Robert-Uraniel: "Allerdings kommt es mir manchmal sehr fremd vor, besonders so der Herr sich nicht neben mir befindet. Aber so der Herr Sich sichtlich in meiner Nähe befindet, da bin ich wieder ganz zu Hause. - Nun kommt es mir an deiner Seite, liebste Helena, aber dennoch weniger fremd vor, als ehedem an der Seite des Sahariel. Nur die Erscheinungen, die da kommen und bald wieder vergehen, kommen mir, trotzdem ich sie recht wohl verstehe und begreife, noch immer sehr befremdend vor, weil ihr Auftreten oft gar so unvorbereitet zum Vorscheine kommt. Aber das tut nun gar nichts, ich habe mich daran schon gewöhnt. - Aber nun ist auch schon die Pforte da - und verschlossen! - Was nun?!"

05] Spricht Helena: "Nun, die werden wir im Namen des Herrn eben aufzumachen versuchen. Sieh, es steckt ja ein goldener Schlüssel daran! Also versuchen wir's!" Robert ergreift sogleich den goldenen Schlüssel und fängt an, ihn nach rechts und links zu drehen. Aber die große Türe will sich nicht öffnen. Er dreht wieder, und stärker als zuvor drückt er mit aller Gewalt an die beiden Torflügel - doch vergebens! Nimmer weichen sie seiner Gewalt.

06] Darob wird dem Robertet fast bange und er spricht zu seiner Helena, sagend: "Siehe, mein geliebtes Weib, da ist wieder eine lebendige Antwort auf deine Frage, ob es mir nicht öfter vorkomme, als ob ich in der Fremde wäre?! Ich muß dir hier offen gestehen, daß ich mich nun einmal wieder sehr in der Fremde fühle, ja wie einer, der ganz verlassen ist von allen seinen früheren Freunden und Helfern in der Not! Siehe dich nur einmal um und sage mir, ob du selbst in der weitesten Ferne hinter uns jemanden erschauen kannst!? Außer dem Freunde Cado, der uns ganz still aus eigenem Antriebe gefolgt ist, entdecke ich keine Seele und somit auch keinen Geist! Was sagst denn du, mein Engel, zu dieser ganz unerwarteten himmlischen Anrennerei?!" - Spricht Helena: "Ist wahrhaft sonderbar! Außer dem Cado sehe ich auch niemanden, und das Tor läßt sich nicht öffnen! Und doch hat uns der Herr Selbst hierher beordert! Geh, versuche es noch einmal, die Türe zu öffnen! Ich werde dir selbst helfen - vielleicht wird es dann gehen!".

07] Robert macht sich nun wieder an den Goldschlüssel und dreht ihn nach allen Seiten, währenddessen die Helena stets recht kräftig an die beiden Flügel drückt. - Die Bemühung geht eine gute Weile vor sich aber ohne Erfolg. - Als beide schon etwas abgemüdet sind, sagt Helena: "Weißt du, mein geliebter Robert-Uraniel, über die Möglichkeit hinaus kann sich niemand zu einer Tat verpflichtet fühlen. Wir haben bereits alle unsere Kräfte daran verwendet, um dise Himmelspforte zu öffnen. Sie läßt sich aber durchaus nicht öffnen, wofür wir doch kaum etwas schulden können. Also bleibe sie denn in des Herrn Namen verschlossen! Den Freund Cado könnten wir zwar noch um eine gefällige Mitwirkung ansprechen. Wer weiß, vielleicht versteht er damit besser umzugehen als wir beide." - Spricht Robert-Uraniel: "Du hast recht! Das werde ich nur aber auch sogleich tun!"


08] Hier spricht Robert-Uraniel den Cado an und sagt: "Liebster Freund, du hast uns sozusagen ganz allein bis hierher ein freundliches Geleite gegeben, während von all den vielen andern nicht ein bewegliches Atom irgendwo zu ersehen ist. Du hast auch des Herrn Auftrag an mich vernommen - daß ich mit meinem Weibe hierher ziehen und dies Tor öffnen soll. Allein alle meine noch so kräftigen Versuche scheiterten an der Gegenkraft dieses Tores! Meines Weibes nicht unkräftige Mithilfe fruchtete auch nichts. Daher will ich dich hiermit, da du schon ohnehin hier bist, ersucht haben, daß du mir noch einen dritten Versuch recht kräftig möchtest machen helfen. Vielleicht gelingt's uns dreien, diese riesige Himmelspforte denn doch zu öffnen - dann wohl uns! Gelingt es uns aber wieder nicht, was das offenbar wahrscheinlichste ist - nun, so mag der Herr dann tun und machen mit uns, was Ihm wohlgefällt!"

09] Spricht Cado: "Lieber Freund, dieses unermeßliche Meer von Erscheinungen, die sich hier schnell aufeinanderfolgend überbieten, macht aus mir eine Ohnmachtsmücke, und es wird dir mein Wirken sehr wenig Segen bringen. Was einem Gotte zusteht, gebührt nicht einem Ochsen! Du bist berufen und auserwählt. Ich nicht einmal glattweg berufen! Aber es macht das nichts! Ich werde dir dennoch die verlangte Hilfe leisten. Ob es dir aber etwas nützen wird - natürlich dafür kann ich dir nimmer gutstehen! Du weißt es ja, daß das Himmelreich Gewalt braucht! Nur die werden es besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen! Gewalt muß also hier geschehen dieser Pforte! Und so fangen wir's denn in Gottes Namen an!"

10] Robert macht Sich nun abermals an den Schlüssel und dreht ihn siebenmal nach links. Und da dadurch bei allem Kraftaufwande die Pforte noch nicht aufgeht, so dreht Robert den Schlüssel nach rechts so lange um, als sich der Schlüssel nur immer drehen läßt, und es wird während des Drehens in einem fort kräftigst gegen die Pforte losgedrückt. - Allein die Pforte bleibt beharrlich verschlossen.

11] Robert-Uraniel kratzt sich hinter den Ohren. - Und Cado sagt: "Ich habe es dir ja zuvor gesagt, daß es nicht gehen wird! Denn obschon ich eben noch nicht zu lange hier ein Bewohner des Geisterreiches bin, so weiß ich aber doch, daß diese geistigen Dinge um sehr vieles hartnäckiger sind als die irdischen. Ein Berg auf der Erde ließe sich eher versetzen, als so ein hartnäckiges Geistertor sich öffnen! - Mein Rat wäre hier dieser, die Geschichte abwarten! - Die Gegend ist hier wahrlich wunderschön, und Gärten und Früchte aller Art gibt es hier auch in großer Fülle. Was wollen wir mehr?! Daß unsere Bestimmung nicht darin bestehen kann, dem Herrn Gott Jesus gleichfort sichtlich auf der Nase zu sitzen, das werdet ihr hoffentlich ebensogut einsehen wie ich! Es ist uns demnach ein Ort im Gottesreiche angewiesen worden, wo wir so lange zu verharren haben werden, als bis uns von höheren Mächten diese große Himmelspforte aufgetan wird. Denn wir werden sie wohl ewig nimmer zu öffnen imstande sein. - Was wir aber tun können, wäre meines Erachtens das, daß wir uns auch hier an den evangelischen Rat halten, der also lautet: »Suchet, so werdet ihr finden! Bittet, so wird euch gegeben, und pochet an, so wird euch aufgetan!« - Wer weiß, ob das Tor nicht schon vor uns offen stünde, so wir uns statt des Schlüsseldrehens an diesen evangelischen Rat gehalten hätten!? - Was meinst du, mein Freund, in dieser Sache?"


12] Spricht Robert-Uraniel: "Ja, ja, Freund, du hast da durchaus recht! Dagegen läßt sich gar nichts einwenden! - Aber daß der Herr mich förmlich genötigt hat, mich ja eilends voran und hierher zu begeben und diese Pforte zu öffnen, da uns alle großwichtige Dinge hinter dieser Pforte erwarten! Und nun bin ich hier, die Eröffnung des Himmels erwartend - und richte mit der Pforte nichts! - Siehe, das ist denn doch, bei Gott, etwas sonderbar! - Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, ich werde deinem Rate folgen!"

13] Spricht hierzu die Helena: "Freunde, wahrlich wahr, es gehört viel dazu, um in das Himmelreich Gottes eingehen zu können! Wenn man auch schon, wie ich selbst, in der allerwahrsten Glühhitze der reinsten Liebe dem Herrn Selbst an der heiligen Brust gelegen und da als ein Säugling die Gnadenmilch des Lebens gesogen hat, so nützt das aber dennoch, wie es hier ersichtlich ist, eben nicht gar viel. Denn kommt man dann vor die eigentliche Hauptpforte des Himmelreichs, so findet man diese ebensogut verschlossen als einer, der etwa in geradester Linie von unten hergekommen. Es ist wahrlich höchst sonderbar! - Mich geniert nun hier nichts als dies herrliche Strahlengewand! Wenn ich so ein ganz ordinäres Bauernkleid statt dieses strahlenden hätte, so würde mich diese Verweigerung des Eintrittes in das eigentliche Himmelreich bei weitem weniger genieren. Ein Schweinehalter muß auch als solcher bekleidet sein, sonst wird ihm entweder sein Amt oder er sich selbst zum Überdrusse werden. Wahrlich wahr, bei dieser Geschichte könnte man auf den Herrn ordentlich ungehalten werden! Früher Milch und Honig von bester Qualität - und nun einen rechten Bittertropfen daraus! Und an Stelle des Himmelsbrotes, das man ehedem schon im wahren Übermaße genossen, kommt nun eine Hafergrütze! Prosit Mahlzeit! Na, spührst du so was, Robertl?! Das wird eine sonderbare himmlische Süßigkeit abgeben! - Aber wenn ich arme Närrin nur dieses dummen Kleides loswerden könnte! Mich geniert's nun schon ganz entsetzlich! Gefällt dir, mein geliebtester Robert, noch dein uranisches Sternengewand?"

14] Spricht Robert: "Wäre gleichwohl auch mir einanderes um eine ganze Million lieber, aufrichtig wahrgesprochen! Ich komme mir nun in diesem göttlichen Sternenkleide wie so ein gefoppter himmlischer Esel vor! Bei Gott, eine lederne Hose und eine Jacke vom gröbsten grauen Tuche wäre mir um ein ganzes Leben lieber! Ich habe mich aber in meinem ganzen irdischen und geistigen Leben nie so wahrhast bettpisserisch geschämt wie diesmal in diesem fatalen Himmelsgewande! Wenn ich es nur gegen ein anderes vertauschen könnte!" - Spricht Helena: "Ich gäbe das meine um den allerschmutzigsten Küchenfetzen her. Denn es gibt wahrlich nichts Erbärmlicheres als ein Königsgewand zu tragen auf einer Schweinehirtenwiese."

15] Spricht Cado: "Meine liebsten Freunde, ihr redet mir aus dem Herzen! Das muß auch Christus als Gott und Herr der Unendlichkeit tief gefühlt und gewollt haben, da Er so oft und so sehr gegen die Kleiderpracht geeifert hat. Er trägt ja auch als Herr der Unendlichkeit hier im Reiche alles Lichtes wahrlich das lichtloseste, allereinfachste Kleid. Ich bin selbst ein größter Feind von jeder Kleiderpracht, mag sie nun auf der Welt materiell oder hier im Reiche des Geistes geistig sein. Wahrscheinlich sind die Prachtgewänder in den Himmeln, mit denen die weisen Engel angetan sind, jene Flecken, die an ihnen das reine Gottesauge ersieht. Denn es heißt irgendwo in der Schrift: »Auch an den Engeln schauet Dein Auge, o Herr, Mängel!« - Daher gebe ich euch ganz recht, daß ihr euer für hier unpassendes prachtvolles Himmelsgewand verabscheut. Aber wo nun ein anderes hernehmen? - Daher behaltet es, solange kein anderes zu bekommen sein wird. Sehen kann uns offenbar doch kein vierter, weil er nicht da ist. Wir drei aber wissen es ja, was wir davon zu halten haben. Deshalb sollen euch diese strahlenden Himmelsfetzen auch gar nicht genieren. Haben sie nun vorerst in euren Augen keinen Wert, dann ist alles wohl gut und recht; denn in meinen Augen hat selbst solch ein himmlischer Flitter nie einen Wert gehabt. - Aber was werden wir nun vor dem Öffnen der Pforte beginnen? - Werden wir zu bitten, zu suchen und zu pochen anfangen?"

16] Spricht Helena: "Ich meine, das werden wir schön sein bleibenlassen! - So sie uns der Herr nicht öffnen will, so soll sie denn gleichwohl verschlossen bleiben in alle Ewigkeit, amen!" - Spricht Robert: "Hast eben nicht ganz Unrecht, du meine allergeliebteste Helena! Aber weißt du, so man es schon einmal bis zur - sozusagen - letzten Himmelspforte gebracht hat, da sollte man sich denn doch noch einige Mühe geben, auch durch diese zu kommen! - Bitten ist gerade keine Schande, suchen noch weniger und was am Ende das Anklopfen betrifft, so will ich mich selbst gleich einem irdischen Regimentstambour auf die beiden Flügel hermachen und einen Lärm machen, der sich gewaschen haben soll! - Nein, aber das gefällt mir nun erst - ehedem machte ich schon, als selbst ein Engel, mit dem Sahariel die ausgedehntesten Himmelswanderungen und nun stehe ich wieder in eurer Gesellschaft als ein barster Ochse am Berge! Es geht uns jetzt nur noch die famose Minerva ab! Das wäre wirklich ein Spaß, diese hier über die Torsperre losziehen zu hören!"

17] Spricht Cado: "Nenne den Wolf nicht zu oft, sonst kommt er gerannt! Wahrlich, so ich mich nicht irre, da kommt sie schon daher, uns eine Visite zu machen! Nun sehen wir, wie wir ihrer loswerden!" - Spricht Helena ganz verblüfft über diese Erscheinung: "Aber die muß ein feines Gehör haben! - Nun, nun, nun, du mein liebster Robert-Uraniel, das wird eine hübsche Geschichte werden! Hast aber auch ihren Namen in unserer ohnehin mißlichen Lage wißgierig nennen müssen! - Nein, nein, das wird nun eine schöne Mette werden! Am Ende zieht sie uns noch alle drei mit sich in die allerunterste Gott-steh-uns-bei!"

18] Spricht Cado: "Ah, von dem ist keine Rede! Das eigentlich Fatale besteht nur darin, daß man ihrer nicht so bald wieder loswerden kann, so sie einmal da ist!" - Spricht Robert: "Ja, so suchen wir es zu verhindern, daß sie herkomme; denn mit so viel göttlicher Kraft und Gewalt werden wir ja etwa doch noch ausgerüstet sein!" - Spricht Cado: "Versuche es! Aber ich meine, daß dies nichts nützen wird; denn sie wird gleich sagen, daß auch sie das vollste Recht habe, vor die Pforte des Gotteshauses zu kommen und da Einlaß zu begehren. - Ob sie hineingelassen wird, das ist freilich eine andere Frage. Aber an die Pforte zu kommen, kann ihr nicht gewehrt werden. - Lassen wir sie daher ganz ungehindert fortwandeln und tun nicht dergleichen, als ob wir sie bemerkten. Wird sie sich dann etwa an uns machen, nun, so werden wir ihr schon etwas zu erzählen wissen, was sie sicher nicht gerne hören wird. Nur aber dürfen wir uns gegen sie weder freundlich und noch weniger richterlich-gebieterisch benehmen - sondern so ganz gleichgültig, was sie am wenigsten vertragen kann. So werden wir ihrer am ersten loswerden. Denn ich glaube, sie so ziemlich durch und durch zu kennen."

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