Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 41. Kapitel: Die Jünger suchen Jesus.

01] Wir betrachteten darauf die mannigfachen Erscheinungen des Morgens, und Ich erklärte sie dem Hauptmanne, der darob nicht genug dankbar erstaunen konnte, weil in ihm denn doch noch so manches alte Mythische des phantasiereichen Heidentums aus seiner frühesten Jugend steckte, das er nicht in einem Augenblick völlig loswerden konnte.

02] Wie ging es aber unterdessen an diesem Morgen in unserer Judenherberge zu?

03] Als Meine Jünger bei ihrem Wachwerden Mich vermißten, und imgleichen auch der Wirt mit seiner Familie, da wurde allen bange, und sie rieten hin und her, wohin und warum Ich diesen Morgen möge ganz allein gegangen sein.

04] Petrus sagte: »Ihr wisst es ja ohnehin, daß Er an einem jeden Morgen, solange wir bei Ihm sind, stets vor dem Aufgange ins Freie zu gehen pflegt. Er wird zur rechten Zeit schon wiederkehren; seien wir darum um Ihn nicht ängstlich besorgt!«

05] Sagte darauf Jakobus: »Da hast du zwar wohl recht; aber das weiß ich doch besser denn ein jeder von euch, da ich ja doch schon von Seiner Kindheit an stets um Ihn war und mich mit Ihm abgab, daß Er Sich oft gerne Selbst vor denen, die Seine Lieblinge sind, auf eine kurze Zeit verbirgt und dann das gern sieht, so sie Ihn recht emsig suchen, Ihn dann auch irgend finden und eine große Freude darob äußern, so sie Ihn wiedergefunden haben! Und so sollten wir Ihm denn auch diesmal suchen gehen, und das mit einem lebendigen Eifer!«

06] Hier wollte auch Judas Ischariot eine Bemerkung gegenteiligen Sinnes machen; aber da fiel ihm gleich Johannes scharf in die Rede, sagend: »Du warst, bist und bleibst ein Jünger von Ihm, der noch nicht einen Funken des Geistes der Wahrheit in sich aufgenommen hat, bist zumeist ein eingebildeter Weiser und lügst dich dabei selbst und viele andere an; darum tust du am besten, wenn du schweigst und die reden läßt, die in Seinem Geiste reden wollen und durch Seine Gnade auch können!«

07] Darauf sagte der zurechtgewiesene Jünger nichts mehr und ging für sich ins Freie, wo er einige Juden antraf, die ihn fragten, ob Ich im Hause wäre, und was Ich täte.

08] Der Jünger aber sagte: »Geht hin und suchet Ihm selbst; denn mir ist kein Gebot gegeben, jemandem irgend etwas über Ihn zu sagen!«

09] Mit dem ging der Jünger weiter und besah sich die alte Stadt, deren Häuser zumeist aus schwarzen Basaltstücken erbaut waren, da in dieser Gegend sich wenig Bauholz vorfand.

10] Die im Hause gebliebenen Jünger aber berieten unter sich noch weiter, was sie tun sollten. Am Ende stimmten alle mit Jakobus überein und wollten Mich suchen gehen.

11] Da aber kam ein Diener des Hauptmanns, - doch nicht der, welcher Mich am frühen Morgen hatte vor dem Hause des Hauptmanns vorübergehen sehen, sondern einer, der von der Tochter abgesandt war, auf daß er sich nach Mir und nach dem Hauptmanne zu erkundigen habe, ob er bei Mir wäre, da er sich so früh und so eilig aus dem Hause begeben hatte. Aber dieser Diener konnte von den Jüngern auch nichts erfahren.

12] Da aber sagte Jakobus: »He, mir fuhr es nun wie ein Blitz durch die Seele! Weil der Hauptmann sich so früh aus dem Hause begeben, so hat er irgend den Herrn gehen sehen und ist Ihm nachgefolgt! Irgendein Diener wird es schon wissen, in welcher Richtung er sich von seinem Hause entfernt hat. Gehen wir dahin, und uns wird gute Kunde zuteil werden!«

13] Auf diese Worte des Jakobus erhoben sich alle und gingen zum Hause des Hauptmanns und trafen da bald den wachehaltenden Diener, der ihnen die Auskunft erteilte, in welcher Richtung er Mich und dann auch den Hauptmann hatte gehen sehen.

14] Als die Jünger, und mit ihnen auch der Wirt, das erfahren hatten, da eilten sie in der gleichen Richtung vorwärts und kamen denn auch bald an die Stelle außerhalb der Stadt, an der Ich Mich mit dem Hauptmanne befand.

15] Aber da Ich und der Hauptmann auf einem Basaltblock saßen, dessen hintere Wand uns verbarg, so entdeckten uns die Suchenden nicht so bald.

16] Aber Jakobus sagte: »Gehen wir nur auf diese steinige Anhöhe hinauf, von der man sicher weithin sehen kann, und wir werden von da sicher den Herrn irgendwo wandeln sehen!«

17] Da gingen alle auf die Anhöhe und ersahen Mich und den Hauptmann denn auch alsbald, als sie auf die volle Anhöhe kamen.

18] Alle wurden überfroh, daß sie Mich gefunden hatten; nur Simon Juda trat zu Mir hin und sagte mit freundlicher Miene: »Aber Herr und Meister, siehe, wir waren voll Angst und Traurigkeit, da wir nicht wußten, wohin Du diesen Morgen Dich gewendet hast! Wenn Du uns doch nur davon einen Wink gegeben hättest, so wären wir ja gleich, wie allzeit, mit Dir gegangen und hätten nicht nötig gehabt, uns um Dich zu ängstigen. Wir bitten Dich darum, daß Du uns dies in dieser uns fremden Gegend nicht mehr antun wollest; willst Du aber schon nach Deiner Weisheit allein irgendwohin gehen, da sage es uns, daß wir allein zu bleiben haben, und wir werden Deinem heiligen Willen sicher niemals widerstreben! Denn siehe, wir lieben Dich über alles, und es wird uns darum bange, so wir nur einige Augenblicke lang nicht wissen, wo Du bist, und was Du tust!«

19] Sagte Ich: »Nun, nun, Ich hätte es euch schon gesagt, so Ich nicht vorausgewußt hätte, daß ihr Mich suchen und auch sicher finden werdet! Zudem aber hat es keinem von euch geschadet, daß Ich eure Liebe zu Mir von neuem wieder gestärkt habe. Ich aber hatte mit diesem neuen Freund allein zu tun und bin darum denn auch allein hierher gewandelt.

20] Diese Stadt und ihre Umgebung wird zur Zeit der großen Demütigung Jerusalems denen, die an Mich glauben werden, zu einem Zufluchtsort werden, wie Ich euch das schon angedeutet habe, und es muß darum schon jetzt zu einer festen Gemeinde in Meinem Namen hier durch eben diesen Freund, der über viele Heiden zu gebieten hat, ein rechter Grund gelegt werden. Und mit dem wisst ihr nun auch, warum Ich mit dem Hauptmanne ganz allein sein wollte.

21] So euch aber nun Meine Abwesenheit von nur wenigen Augenblicken so ängstlich gemacht hat, was werdet ihr dann machen, so Ich euch Meinem Leibe nach auf eine längere Zeit verlassen werde?«

22] Sagte abermals Simon Juda: »Herr und Meister, wir wissen es schon, was Du uns damit sagen willst! So es also nach Deinem Ratschlusse sein muß, da werden wir in der Hoffnung, daß alles andere, was Du uns davon geoffenbart hast, auch in die sichere Erfüllung gehen wird, solche Deine für uns höchst traurige Abwesenheit wohl ertragen müssen. Daß aber auch nicht einer von uns diese Zeit in Bälde wünscht, das liesest Du Selbst in unseren Herzen! Doch immer geschehe nur Dein Wille!«



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