Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 213. Kapitel: Jesus bei den Herodianern.

01] Als Raphael solches zu dem Obersten geredet hatte, da stutzte dieser samt seinen Gefährten noch mehr und sagte nach einer Weile etwas schüchtern: »Was, du bist also ein Geist aus dem Jenseits? Wir haben wohl auch von Geistern so dann und wann märchenhafte Dinge erzählen hören, auch in der Schrift wird deren au öfteren Malen erwähnt; aber ich selbst und mit mir sicher viele tausendmal Tausende haben daran beinahe gar keinen Glauben mehr und auch schon seit langem keinen mehr gehabt, da unter uns sich wohl niemand rühmen kann, je einen Geist gesehen und gesprochen zu haben.

02] Es sind zu uns wohl Magier teils aus den Morgenlanden und teils aus Ägypten gekommen, die neben ihren vielen betrugsvollen Künsten im Fache der Zauberei sich auch mit dem Beschwören der Geister abgaben und auch gewisse, stets sehr unheimliche Gestalten vor die Augen der Menschen stellten; aber man wußte nur zu bald, wer hinter diesen Erscheinungen steckte, und so haben besonders bei den mehr gebildeten und erfahrenen Menschen derlei magische Geisterzitationen dem Glauben an eine jenseitige Existenz der Geister kaum aussprechbar um gar vieles mehr geschadet als irgend genützt.

03] Das gemeine Volk, das nichts versteht, nichts denkt, weil es über derlei Betrügereien der gewinnsüchtigen Magier von niemand jemals eine Aufklärung erhalten hatte und auch nicht erhalten konnte, glaubt freilich noch, daß es Menschen gibt, denen die Macht eigen sei, Geister aus dem Jenseits zu beschwören, doch uns ist solch ein Glaube, obschon wir ihn unter dem gemeinen Volke gerne duldeten und aus gewissen leicht begreiflichen Gründen noch dulden, stets als eine barste Torheit vorgekommen.

04] Doch nun sind wir eines andern durch dich, du wahrlich hoher und mächtigster Geist aus dem großen Jenseits, belehrt worden, und wir werden von nun an das Dasein der Geister und auch an die Möglichkeit ihrer Sichtbarwerdung vor den Augen der Menschen vollkommen und ungezweifelt glauben. Daß du kein uns gleicher, natürlicher Mensch seist, das hat uns deine blitzschnelle Ankunft zu uns her schon gezeigt, und darauf noch mehr die so urplötzliche Ausbesserung unseres sehr beschädigten Schiffes; und da du nun selbst uns frei und offen heraus sagtest, wer du bist, so glauben wir das nun um so fester, daß du wahrhaftig ein vollkommener Geist aus dem großen himmlischen Jenseits bist.

05] Aber du sagtest unter anderm auch, daß du schon seit gar lange her ein Bürger des großen Jenseits seist! Nach dem müßten wir annehmen, daß du etwa einmal auch als ein Mensch mit Fleisch und Blut irgend auf dieser Erde gelebt hast?«

06] Sagte Raphael: »Allerdings, aber noch viel vor Noah! Mein Name lautete "Henoch"; ein Weiteres braucht ihr vorderhand nicht zu wissen. Nun aber kommt der Herr Selbst zu euch herab, und mit Ihm auch Markus, der jetzige Besitzer dieser Badeanstalt. Was der Herr euch sagen wird, das Tut; ich aber kehre nun zu der Gesellschaft des Herrn zurück.«

07] Als Raphael solches ausgesprochen hatte, befand er sich auch schon bei der oberen Gesellschaft, was den Obersten und seine Gefährten in ein neues, großes Erstaunen setzte.

08] Und der Hauptmann sagte: »Ja, Freunde, das ist mehr denn ein handgreiflicher Beweis, daß der überaus holde Junge ein vollkommener und wahrer Engelsgeist ist; denn nur die vollkommenen Geister können sich etwa den Gedanken gleich schnell bewegen! Aber nun kommt der Herr schon stark in unsere Nähe, und Den heißt es mit der möglichsten Ehrfurcht empfangen!«

09] Als Ich gleich darauf mit freundlicher Miene zu ihnen trat, da legten alle ihre Hände kreuzweise über ihre Brust und ließen sich auf ihre Knie nieder.

10] Ich aber richtete sogleich freundlichst diese Worte an sie: »Kinder und nun Freunde, richtet euch nur schnell vom Boden empor; denn Ich bin kein Götze und verlange keine äußere gebärdliche Verehrung! Ich habe in eure Herzen geschaut und habe sie als Mir nun ganz wohlgefällig befunden, und eines Weiteren bedarf Ich nicht.«

11] Auf diese Meine Anrede erhoben sich alle schnell vom Boden und dankten Mir für die Rettung ihres Lebens und für die Gnade, Liebe und große Freundschaft, die ihnen hier anstatt einer wohlverdienten Strafe zuteil geworden sei; zugleich aber baten sie Mich auch um eine volle Vergebung der Sünde, die sie an Mir hätten begehen sollen.

12] Und Ich sagte darauf zu ihnen: »Bleibt bei dem, was ihr euch vorgenommen habt; erkennt in Mir den alleinigen Herrn und Meister, und liebt Gott über alles tatsächlich dadurch, daß ihr eure Nächsten liebt gleich wie euch selbst und gerecht seid gegen jedermann, und es werden euch dadurch alle eure Sünden vergeben sein!

13] So ihr aus eurem Antriebe jemandem ein Unrecht zugefügt habt, da macht es - wo das tunlich ist - wieder gut; und ist das irgend nicht mehr tunlich, so Tut andern Armen dafür Gutes, und ihr werdet euch dadurch Schätze sammeln fürs künftige Leben in Meinem ewigen Himmelreiche!

14] Darin besteht ganz kurz Meine Lehre an euch Menschen und enthält Moses und alle Propheten. So ihr sie beachten werdet in der Tat, da werdet auch ihr Meine rechten Jünger sein, und Ich werde im Geiste der Macht Meiner Liebe in euren Herzen Wohnung nehmen, euch führen in alle Weisheit und euch geben das ewige Leben; denn Ich allein kann das tun, weil Ich das Licht, der Weg und das Leben Selbst bin!

15] Ich bin das Licht der Liebe des Vaters in Mir; wie aber die Liebe das Leben Selbst ist, so ist auch das Licht dasselbe gleiche und eine Leben. Wer demnach an Mich glaubt, daß Ich vom Vater, der die Liebe ist, als ein rechter Sohn oder Licht allzeit ausgehe, der glaubt auch sicher an den ewigen, heiligen Vater, der Mich als ein rechtes und lebendiges Licht in diese Welt gesandt hat, auf daß alle, die an Mich glauben, in sich das ewige Leben haben.

16] Glaubt demnach, daß Ich, als das Licht und Leben, also der wahrhaftigste Sohn des ewigen Vaters bin, durch den alles - der Himmel und diese Erde mit allem, was Himmel und Erde und die ganze Unendlichkeit enthält -, gemacht wurde, und lebt und tut allzeit nach Meiner Lehre, und liebt also Gott über alles und euren Nächsten wie euch selbst, und ihr habt dadurch das ewige Leben in euch, und so ihr auch dem Leibe nach einmal sterben werdet, so wird aber eure Seele dennoch im hellsten und vollsten Bewußtsein fortleben und ewig nimmerdar einen Tod sehen, fühlen und schmecken!

17] So ihr dieses begriffen habt, da fasst auch in euren Herzen den unbeugsamen Vorsatz, nach diesen Meinen Worten tätig zu werden und zu bleiben!«



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