Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 199


Die Verschiedenheit der Welten.

01] Sagt hier Aziona: ”Sage mir aber, du unbegreiflicher Weiser, gibt es im endlosen Schöpfungsuniversum denn noch mehrere solcher Welten, auf denen die, sage, Menschen einen uns in allem völlig gleichen Beruf haben?“

02] Sage Ich: ”Freund, sieh nur einmal deinen Leib mit einer rechten Aufmerksamkeit an, und du wirst eine Menge verschiedener Glieder und Teile daran bemerken! Können diese nur eine einzige Bestimmung haben? Kann das Gehirn und der Magen eine und dieselbe Bestimmung haben, oder das Auge und die Ohren, die Hände und die Füße, oder die Nase und der Mund? Sieh, aus so zahllos vielen kleinsten Teilen der menschliche Leib allerkunstvollst auch zusammengesetzt ist, so haben doch selbst die zwei allernächsten und haargleichsten Teile, ein und dasselbe Organ bildend, nicht die ganz gleiche Eigenschaft und Bestimmung!

03] Zum Beispiel: Fest nebeneinander sitzen zwei einzelne Nerven. Beide erhalten dieselbe Nahrung und werden vom selben Lebensfluidum belebt, und ihre Wirkung ist, zwei fest nebeneinanderstehende Haare auf dem Haupte zu unterhalten und wachsen zu machen. Nun, diese zwei allerunbedeutendsten Nerven sollten einander doch als gleiche Ursachen von haargleichen Wirkungen auch bestimmungsweise völlig ähnlich sein! Ich aber sage: O mitnichten! Diese zwei Nervchen sind sich einander bestimmungsweise ebensowenig ähnlich wie Mann und Weib, und es ist darum auch ihr innerer Organismus ein durchgängig verschiedener.

04] Aber du meinst nun und sagst bei dir: Ja, da müssen aber doch zwei männliche und zwei weibliche Nerven einander völlig ähnlich sein! Und Ich sage es dir: Auch nicht so völlig, wie du es dir vorstellst! Denn wäre daß der Fall, so müßten alle Haare auf einem und demselben Punkte am Haupte hervorwachsen, oder eine ganz gleiche nächste männliche Nervenorganisation würde, nur um eine Linie weiter als schon über einem anders beschaffenen Hauptesplatze stehend, gar kein Haar mehr zum Wachsen bringen. Ja, es kann sogar geschehen, daß der notwendige und von aller Natur bedungene Assimilationsdrang (Assimilation = Angleichung, Annäherung) auch in den Nerven der Haarwurzeln stärker wird, als es in der Ordnung ist. Was wird aber die Folge davon sein? Du wirst dadurch deine Haare auf dem Haupte bald und leicht zählen können!

05] Es ist eine solche Erscheinung am Leibe des Menschen freilich eine unwillkürliche; aber sie rührt dennoch zumeist als Postulat (Postulat = sittliche) Forderung, notwendige Folge) von den unordentlichen Bestrebungen einer sinnlichen und materiellen Seele her. Der Assimilationstrieb ist zwar zur Fortpflanzung und Erhaltung des Naturlebens ein notwendiger, aber in seiner Stärke über oder unter das in der Natur selbst vorgeschriebene Maß ist er ein Tod derselben.

06] Nehmen wir an, es bestünde zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte nicht der allergeringste Assimilationsreiz, wie desgleichen auch bei den Tieren, so hätte es mit der Fortpflanzung des Naturlebens ganz sicher ein Ende. Den Grund davon werdet ihr beide gar wohl einsehen. Der gänzliche Mangel dieses Reizes wäre sonach auch der offenbare Tod alles Naturlebens. Aber ebenso ist ein seine Grenzen überschreitender Assimilationsreiz und eigentlich -trieb ebensoviel wie der offenbare Tod des Naturlebens und mit ihm auch gar leicht des Lebens der Seele.

07] Zum Beispiel: Das Auge hat den Assimilationsreiz nach dem Lichte. Wird dieser nicht in den rechten Schranken gehalten, und ein Mensch fängt an, unverwandt in die Sonne zu schauen, so wird das Auge durch solch eine mächtige Überreizung bald tot und somit blind. Und so geht es allen menschlichen Sinnen.

08] Der gegenseitige Assimilationsreiz aber kann nur dadurch in seinen heilsamen Schranken gehalten werden, daß der freien Seele Gesetze gegeben werden, nach denen sie sichern Schrittes den Gang ihres Naturlebens einrichten kann. Natürlich können solche Gesetze nur von Dem als in der Fülle wirksam und segenbringend gegeben werden, der Himmel, Geister, Sonne, Sterne, den Mond, diese Erde und alles, was in ihr, auf ihr und über ihr ist, atmet und lebt, erschaffen hat. Und das ist von seiten des Schöpfers auch zu allen Zeiten geschehen; nur gab es immer nur wenige, die solche Gesetze ernstlich in allem beachtet haben. Die aber nach solchen Vorschriften lebten, haben auch allzeit den wahren zeitlichen und ewigen Segen davon geerntet; die Trägen, die Geringschätzer und die Ungläubigen aber haben das Gegenteil an sich wie auch sogar an andern ihresgleichen erfahren.

09] Aus all dem Gesagten aber geht für deine Hauptfrage klarst erwiesen hervor, daß es im ganzen, unendlichen Schöpfungsuniversum auch nicht einen Erdkörper mehr gibt, der ebendieselbe und - Ich sage - allerhöchste Bestimmung und zur Erreichung derselben dieselbe innere und äußere Einrichtung hätte wie eben diese Erde.“



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