Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 221


Vom Vorleben der Menschen.

01] (Philopold:) ”Als mir aber vor etlichen Wochen das unschätzbare Glück zuteil ward, mit diesem göttlichen Meister zusammenzukommen, da schwanden auf einmal alle die trüben Wolken, und des Gotteslebens Sonne strahlte in meiner Seele! In diesem heiligen Lichte erkannte ich erst mein Wesen und das Wesen Gottes; nun auch sah ich erst, was ich Gott, dem allein heiligen Vater, schuldig bin, Ihm, der von Ewigkeit die reinste Liebe ist.

02] Ich erkannte mich ganz, und erkannte, dass ich mit dem göttlichen Geiste für die Gotteskindwerdung denn doch in einen ganz absonderlichen Kontrakt getreten bin vor meiner Menschwerdung auf dieser Erde, die in der ganzen Unendlichkeit allein die Bestimmung hat, Kinder Gottes für die Zeugung und Zucht nach der ewigen Ordnung der Liebe Gottes zu tragen.

03] Siehe hinauf, alle die zahllosen Sterne sind Welten, um gar vieles größer und herrlicher denn diese Erde, und auf einer jeden dieser Welten findest du Menschen, die der Form nach uns völlig ähnlich sind, und überall findest du eine große Weisheit unter ihnen, und auch der Liebe ermangeln sie nicht völlig; aber sie kommen, nahe den Tieren dieser Erde ähnlich, schon vollkommen zur Welt und brauchen nicht vom Grunde an alles zu lernen, was sie kennen wollen und sollen. Die Sprache ist nahe überall eine und dieselbe, und ihr Erkennen hat ganz bestimmte Grenzen; überall aber geht das Erkennen bis zum höchsten Geiste Gottes, welches Erkennen aber doch mehr ein Ahnen als ein Erkennen ist.

04] Kurz und gut, du findest auf allen den zahllosen Weltkörpern Menschen, die den besseren Heiden dieser Erde nahe völlig gleichkommen, nur mit dem Unterschied, dass die Menschen auf den Weltkörpern im Grunde nichts Neues erfinden; aber was da ist, das ist in der möglichst höchsten Vollendung da, während die Heiden doch immer etwas Neues erfinden können und ihnen somit der Weg für eine endloseste, stets fortschreitende Vollendung nicht und nirgends verrammt ist.

05] In den großen Welten aber gibt es hie und da doch auch Weise, die zuweilen mit höheren Geistern gewisserart zusammenkommen und sich von ihnen in der tieferen Erkenntnis Gottes unterweisen lassen. Da geschieht es denn zuweilen, dass hie und da einen Geweckteren die Begierde anwandelt, auch ein Kind Gottes zu werden!

06] Denn in den Welten allen wissen die Weisen durch die sich ihnen offenbarenden höheren Geister, dass es in dem weiten Schöpfungsraume eine Welt gibt, auf der die Menschen Gotteskinder sind, und dass da auch eine Seele, wenn sie in ihrer Welt ihres Leibes bar geworden ist, auf jene glückliche Welt von neuem in einen aber wohl ganz grobfleischlichen Leib treten kann. Von dem Augenblick an aber, da jemand ernstlich den Wunsch äußert, wird ihm alles haarklein vorgestellt, was er auf dieser Welt wird zu bestehen haben.

07] Einmal wird der Seele alle Erinnerung an den früheren guten Zustand derart benommen werden, dass sie in der neuen Welt, aus einem Weibe mit dem unvollkommenen Leibe zur Außenwelt geboren, nahe in einem ganz bewußtlosen, untersten Tierzustand dasteht und sich nicht einmal vom neuen Dasein die allergeringste Rechnung zu geben imstande ist. Erst nach und nach, etwa nach einem Jahre, fängt sich ein ganz neues Bewußtsein aus den durch die Sinne wahrgenommenen Bildern. Erscheinungen und Wahrnehmungen zu entwickeln an; das Gedächtnis und die frische Rückerinnerung an das Empfundene sind dann die alleinigen Wegweiser und Behelfe auf der neuen Bahn des diesirdischen Lebens. Da kommen keine höheren Geister, von Gott gesandt, um das Kind in eine höhere und tiefere Erkenntnis zu führen, sondern die Eltern mit ihren gemachten Erfahrungen müssen bemüht sein, das Kind auf eine bessere Bahn zu bringen. Das Kind muß darauf viel lernen, muß sich selbst zu bestimmen anfangen, muß suchen und bitten, muß Angst, Hunger, Durst, allerlei Schmerz und Entbehrungen ertragen, muß sich bis auf den letzten Lebenspunkt demütigen lassen, und am Ende solchen Lebens kommt dann gewöhnlich eine schmerzhafte und schwere Krankheit, dem Fleischmenschen das Leben zu nehmen.

08] Hat der Mensch alle die geforderten und vorgeschriebenen Lebensbedingungen erfüllt, hat er Gott über alles und seinen Nächsten - selbst dann, wenn der ihn als ein arger Feind verfolgt hatte - mehr denn sich selbst geliebt, dann hat er in sich den in seiner Seele Herz gelegten Gottesgeistfunken belebt und zum Wachsen Erweckt.

09] Von da an erst wächst der Gott im Menschen, durchdringt die Seele, macht sie sich ebenbürtig, und also ist der frühere Naturmensch aus dem tiefsten Nichtigkeitsschlamm zu einem Gotteskinde geworden, das sich in solch einem vollendeten Zustande aller jener Vollkommenheiten zu erfreuen hat, die in Gott Selbst vorhanden sind.

10] Siehe, Freund Murel, wie ich es dir jetzt kundgetan habe, so allgemein und kurz als möglich, geradeso wird es einem Menschen in einer Sternenwelt vorgestellt; und so er es dann vollkommen lebensernst verlangt, wird er des leichten Leibes ledig in einem Augenblick und unbewußt, wie ebenso schnell, zur Einzeugung auf diese Erde überbracht, und da steht ein solcher Mensch dann, wie eben ich nun und du selbst, vor dir.

11] Aus dem weißt du nun, ob wir früher, ehe wir auf diese Erde gekommen sind, mit Gott dem Herrn nicht einen freiwilligen Kontrakt abgeschlossen haben?

12] Gott aber hält das Wort aus Seiner ewigen Ordnung unwandelbar, nichts kann Seinen Sinn ändern; ob wir aber auch dasselbe allzeit getan haben nach dem Gesetze, das Er Selbst für alle Menschen durch Moses und durch die Erzväter dieser Erde gegeben hat und dazu noch geschrieben in eines jeglichen Menschen Herz, das ist eine andere Frage!

13] Wir werden es wohl sicher von nun an halten, woran ich nicht zweifle; aber unserer Mühe fällt das nicht zugute, sondern der alleinigen Erbarmung Gottes. - Sage mir nun, wie du mit dieser meiner kleinen Weisheit zufrieden bist!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers