Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'
01] Die drei Unterpriester aber, als sie auf den Opferplatz gelangten, verkündeten sogleich den Opferwachen sowie den armen von aller Todesangst übermannten jungen Opfern, daß die vorbestimmte und unabänderliche Opferung erst am nächsten Morgen um so bestimmter vorgenommen werde, weil solche der hohe Cyrenius selbst also angeordnet habe.
69. Kapitel: Die Angstnacht der jungen Menschenopfer. Die teuflischen drei Götzenknechte. Des Cyrenius innere Empörung und gerechtscharfes Urteil: Freiheit den Opfern, Tod den drei Priestern! (15.11.1843) 02] In welche Stimmung diese Nachricht die zweitausend Opfer versetzt hatte, braucht keine nähere Beschreibung für den, der es aus der geschichtlichen Tradition weiß, daß derlei Opfer zur Versöhnung verschiedenartiger Götter auch sehr verschiedenartig gemartert und getötet wurden.
03] Es dürfte für manchen zu empörend sein, alle die bei tausend verschiedenen Marterarten zu vernehmen; daher wollen wir sie auch übergehen.
04] Dafür aber wollen wir sogleich mit dem Cyrenius und dem Maronius und Joseph am frühen Morgen den Opferplatz besuchen und uns dort ein wenig umsehen!
05] Am frühesten überaus heiteren Morgen begaben sich die drei Obenerwähnten an den vorbestimmten Opferplatz.
06] Mit der größten Erbitterung vernahm Cyrenius schon von der Ferne das entsetzliche Angstgeschrei der zu opfernden Jugend.
07] Er beschleunigte daher seine Schritte, um ja baldmöglichst dieser Schauderszene ein Ende zu machen.
08] Auf dem Platze angelangt, entsetzte er sich über das unmenschliche Gefühl der drei Unterpriester, welche schon mit der größten Sehnsucht des Cyrenischen Befehls zum Würgen harrten.
09] Cyrenius ließ die Priester sogleich zu sich kommen und fragte sie: »Sagt mir, dauert euch diese herrliche Jugend gar nicht, so sie allergrausamst ermordet werden soll? Habt ihr kein Mitleid für sie in eurer Brust?«
10] Und die Priester sprachen: »Wo die Götter fühlen, da hat es mit dem Menschlichkeitsgefühle ein Ende!
11] »Den Göttern ist der Menschen Leben nichts - und oft nur ein Greuel; daher stimmt das uns, ihre Diener auf Erden, nach ihrer Art, und wir können daher kein Erbarmen in uns tragen,
12] »wohl aber nur eine Wonne und einen Jubel in dem, wie wir den Göttern pünktlich zu dienen vermögen!
13] »Also freuen wir uns auch schon jetzt über die Maßen auf die Schlachtung dieser ohnehin selten von den hohen Göttern verlangten Opfer!«
14] Diese Äußerung versetzte dem Cyrenius einen so mächtigen Stoß aufs Herz, daß er vor Zorn über diese Priester zu beben anfing.
15] In kurzer Zeit sich ermannend aber sprach er wieder zu den Priestern: »Wie aber, wenn Zeus selbst sich hier befände und schenkte diesen Opfern das Leben?! - Was würdet ihr dann tun?«
16] Und die Priester erwiderten: »Dann müßte die Opferung um so bestimmter vorgenommen werden, weil das nur eine Prüfung für unseren priesterlichen Diensteifer wäre!
17] »Würden wir dann uns der bestimmten Opfer erbarmen, so würde uns Zeus als Frevler ansehen und uns vernichten mit Blitz und Donner!«
18] Cyrenius aber fragte die Priester weiter und sprach: »Was haben denn die anderen hohen Priester vor den Göttern dann verbrochen, daß sie so übel in ihrem Palaste getötet worden sind?«
19] Und die Priester erwiderten: »Weißt du denn nicht, daß über allen Göttern und ihren Priestern noch ein unerbittliches Fatum (Schicksal) herrscht?
20] »Dieses hat die Priester getötet, wie ehedem die Götter aufgereizt; die Götter aber kann es nicht töten, wohl aber die noch hier und da sterblichen Priester!«
21] »Gut«, sprach Cyrenius, »heute nach Mitternacht kam das Fatum zu mir und erteilte mir den Befehl, aller dieser Jugend das Leben zu schenken - und dafür euch zu opfern, und das so bestimmt, als ich Cyrenius heiße und mein Bruder der Julius Augustus Cäsar als oberster Konsul und Kaiser in Rom herrscht! - Was sagt ihr denn zu dieser Kunde?«
22] Diese Schreckenskunde machte die Priester erblassen und die anderen Opfer wieder zum Bewußtsein gelangen. Denn hier ließ Cyrenius sogleich allen Opfern die Freiheit verkünden, aber die drei Priester binden und für die Hinrichtung vorbereiten.
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