Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'
Kapitel 1: Vorrede und Vorgeschichte: wie Tempelschülerin Maria in Josephs Obhut kam.
Inhaltsübersicht:
- Vorbemerkung des Herausgebers
- Vorrede, von Jesus Christus selbst durch Jakob Lorber mitgeteilt
- Das Jakobus-Evangelium über die Kindheit und Jugend Jesu, Kapitel 1
- Biographisches Evangelium Jesu Christi ab dem Zeitpunkt, als Joseph Maria zu sich nahm
- Vorgeschichte: wie Tempelschülerin Maria in Josephs Obhut kam
- Josephs Berufstätigkeit [jl.kjug.001,01]
- Warum Tempelschülerin Maria den Tempel verlassen musste [jl.kjug.001,03]
- Wie Maria durch ein priesterliches Gottesurteil dem Witwer Josef anvertraut wurde. [jl.kjug.001,04-16]
- Überwindung der Widerstände Josephs gegen eine Pflegschaft über Maria [jl.kjug.001,17-23]
- Zeugnis Gottes über Josephs Gerechtigkeit und Integrität [jl.kjug.001,24-25]
- Gottes Wille zur Pflegschaft Josephs über Maria [jl.kjug.001,26-30]
- Joseph bringt Maria nach Nazareth in seine ärmliche Behausung [jl.kjug.001,31]
- Josephs Berufstätigkeit als Zimmermann mit seinen 5 Söhnen aus erster Ehe [jl.kjug.001,32-35]
Vorbemerkung des Herausgebers Unter den 25 Hauptwerken, die Jakob Lorber zwischen 1840-64 durch das 'Innere Wort' wörtlich diktiert wurden (Verbalinspiration), befindet sich auch das Buch »Die Jugendgeschichte Jesu«.
Dabei handelt es sich um die Wiederoffenbarung des sog. »Jakobus-Evangeliums«, das von Jakobus, einem (Stief)Bruder Jesu Christi, einem Sohn aus der früheren Ehe Josephs, niedergeschrieben wurde.
Dieses Jakobus-Ev. war im frühen Christentum in Abschriften verbreitet und genoß hohe Wertschätzung. Bei der Festlegung der kanonischen Schriften (= Umfang aller Bücher, die in die Bibel aufgenommen wurden), wurde es jedoch als "apokryphe" Schrift eingestuft und daher nicht unter die biblischen Bücher aufgenommen.
Bruchstücke dieses Jakobus-Evg. sind in der am Anfang des 18. Jh. gedruckten Berlenburger Bibel enthalten. Vergleiche zwischen der durch J. Lorber wiedergeoffenbarten »Jugendgeschichte Jesu« und den überlieferten Textfragmenten der Berlenburger Bibel ergeben eine starke, teilweise fast wörtliche Übereinstimmung.
Die in dieser Ausgabe verwendeten OFFENBARUNGSTEXTE entstammen der 7. Aufl. der »Jugendgeschichte Jesu«, wurden aber zusätzlich korrigiert nach der Originalhandschrift und Erstauflage von 1869 (Ausgabe von Karl August Schöbel).
Die aufgeführten Bibelverse sind Einfügungen des Hrsg., um den LeserInnen den direkten Vergleich der Wiederoffenbarungsstellen mit den biblischen Parallelen zu erleichtern.
Die Bibeltexte entstammen der LUTHERBIBEL vor ihrer Revision in den 80er Jahren; sie wurden aber vom Hrsg. sprachlich leicht überarbeitet.
Überschriften sind vom Hersg. dieser Ausgabe nur eingefügt zur Heraushebung jener Texte, die direkt mit den bibl. Berichten über die Kindheit Jesu zusammenhängen (Lukas und Matthäus)
als Einleitung zu Seiner Jugendgeschichte unter'm 22. Juli 1843 und 9. Mai 1851 durch Jakob Lorber, den Er als Schreibwerkzeug dieses Werkes erwählt hat.
Vorrede, von Jesus Christus selbst durch Jakob Lorber mitgeteilt
01] »Ich lebte die bekannte Zeit bis zum dreißigsten Jahre geradeso, wie da lebt ein jeder wohlerzogene Knabe, dann Jüngling und dann Mann, und mußte durch den Lebenswandel nach dem Gesetze Mosis die Gottheit in Mir, wie ein jeder Mensch Mich in sich, erst erwecken. - Ich Selbst habe müssen, so gut wie ein jeder andere ordentliche Mensch, erst an einen Gott zu glauben anfangen und habe Ihn dann stets mehr und mehr mit aller erdenklichen Selbstverleugnung auch müssen mit stets mächtigerer Liebe erfassen und Mir also nach und nach die Gottheit erst völlig untertan machen. - Also war Ich, als der Herr Selbst, ein lebendiges Vorbild für jeden Menschen, und so kann nun deshalb auch ein jeder Mensch Mich geradeso anziehen, wie Ich Selbst die Gottheit in Mir angezogen habe, und kann mit Mir selbständig ebenso völlig eins werden durch die Liebe und durch den Glauben, wie Ich Selbst als Gottmensch in aller endlosen Fülle vollkommen Eins bin mit der Gottheit.
02] Auf die Frage, wie die Kindes-Wunder Jesu und dessen göttlich-geistige Tätigkeit mit Seinem gleichsam isolierten Menschsein in den Jünglings- und Mannesjahren und in diesen wieder die in denselben verrichteten Wunder zusammenhängen, wenn man sich Ihn in diesen Jahren nur als Mensch denken solle? - diene als Antwort: der Anblick eines Baumes vom Frühjahre bis in den Herbst. Im Frühjahre blüht der Baum wunderbar, und es beherrscht ihn eine große Tätigkeit. Nach dem Abfalle der Blüte wird der Baum wieder, als wäre er untätig. Gegen den Herbst hin aber erscheint der Baum wieder in seiner vollsten Tätigkeit, - die Früchte, die sicher wunderbaren, werden gewürzt, gefärbt, schöner denn vorher die Blüte, und also gereift, und der ihnen gegebene Segen wird seiner Bande los und fällt als solcher in den Schoß der hungrigen Kindlein. - Mit dem Auge des Herzens wird man imstande sein, dies Bild zu fassen, aber niemals mit den Augen des Weltverstandes. - Die fraglichen Stellen, ohne der Gottheit Jesu nahezutreten, sondern ist diese im Glauben des Herzens, der da ist ein Licht der Liebe zu Gott, festzuhalten, - lassen sich nur zu leicht erklären, sobald man aus dem Herzen heraus rein wird, daß die volle Einung der Fülle der Gottheit mit dem Menschen Jesus nicht auf einmal, wie mit einem Schlage, sondern - wie alles unter der Leitung Gottes - erst nach und nach, gleich dem sukzessiven (allmählichen) Erwachen des göttlichen Geistes im Menschenherzen, und erst durch den Kreuzestod vollends erfolgt ist; obschon die Gottheit in aller ihrer Fülle auch schon im Kinde Jesus wohnte, aber zur Wundertätigkeit nur in der Zeit der Not auftauchte.
03] Der leibliche Tod Jesu ist die tiefste Herablassung der Gottheit in das Gericht aller Materie und somit die eben dadurch mögliche vollends neue Schaffung der Verhältnisse zwischen Schöpfer und Geschöpf. Durch den Tod Jesu erst wird Gott Selbst vollkommen Mensch und der geschaffene Mensch zu einem aus solcher höchsten göttlichen Gnade neu gezeugten Kinde Gottes, also zu einem Gotte, und kann erst also als Geschöpf seinem Schöpfer als Dessen vollendetes Ebenmaß gegenüberstehen und in diesem seinen Gott, Schöpfer und Vater schauen, sprechen, erkennen und über alles lieben und allein dadurch gewinnen das vollendete ewige, unzerstörbare Leben in Gott, aus Gott und neben Gott. Dadurch ist aber auch des Satans Gewalt (böser Wille) dahin gebrochen, daß er die vollste Annäherung der Gottheit zu den Menschen, und umgekehrt eben also zur Gottheit nicht mehr verhindern kann. Noch kürzer gesagt: Durch den Tod Jesu kann nun der Mensch vollends mit Gott fraternisieren (wie ein Bruder verkehren), und dem Satan ist da kein Zwischentritt mehr möglich; darum es auch im Worte zu den grabbesuchenden Weibern heißt: »Geht hin und sagt es Meinen Brüdern!« - Des Satans Walten in der äußeren Form mag wohl stets noch bemerkbar sein, aber den einmal zerrissenen Vorhang zwischen der Gottheit und und den Menschen kann er ewig nicht mehr errichten und so die alte unübersteigbare Kluft zwischen Gott und den Menschen von neuem wiederherstellen. -
Aus dieser kurzen Erörterung der Sache aber kann nun jeder im Herzen denkende und sehende Mensch sehr leicht und klar den endlosesten Nutzen des leiblichen Todes Jesu einsehen. Amen.«
Das Jakobus-Evangelium über die Kindheit und Jugend Jesu
Biographisches Evangelium Jesu Christi ab dem Zeitpunkt, als Joseph Maria zu sich nahm Jakobus, ein Sohn Josephs, hat solches alles aufgezeichnet; aber es ist mit der Zeit so sehr entstellt worden, daß es nicht zugelassen werden konnte, als authentisch (glaubwürdig, zuverlässig) in die Schrift aufgenommen zu werden. Ich aber will dir das echte Evangelium Jakobi geben, aber nur von der obenerwähnten Periode angefangen; - denn Jakobus hatte auch die Biographie Mariens von ihrer Geburt an mit aufgenommen, wie die des Joseph. - Und so schreibe denn als erstes Kapitel:
1. Kapitel: Empfängnis und Geburt Jesu (Niederschrift am 22.07.1843. vergleiche mit Lukas.01,26-02,20; siehe Matthäus.01,18-25)
Vorgeschichte: wie Tempelschülerin Maria in Josephs Obhut kam 01] Joseph aber war mit einem Hausbau beschäftigt in der Gegend zwischen Nazareth und Jerusalem.
02] Dieses Haus ließ ein vornehmer Bürger aus Jerusalem dort der Herberge wegen erbauen, da sonst die Nazaräer bis Jerusalem kein Obdach hatten.
03] Maria aber, die im Tempel auferzogen ward, ist reif geworden, und es war nach dem Mosaischen Gesetze not, sie aus dem Tempel zu geben.
04] Es wurden darum Boten in ganz Judäa ausgesandt, solches zu verkünden, auf daß die Väter kämen, um, so jemand als würdig befunden würde, das Mägdlein zu nehmen in sein Haus.
05] Als solche Nachricht auch zu Josephs Ohren kam, da legte er alsbald seine Axt weg und eilte nach Jerusalem und daselbst an den bestimmten Versammlungs- und Beratungsplatz in dem Tempel.
06] Als sich aber nach Ablauf von drei Tagen die sich darum gemeldet Habenden wieder am vorbestimmten Orte versammelt hatten und ein jeder Bewerber um Maria einen frischen Lilienstab so bestimmtermaßen dem Priester dargereicht hatte, da ging der Priester alsbald mit den Stäben in das Innere des Tempels und betete dort.
07] Nachdem er aber sein Gebet beendet hatte, trat er wieder mit den Stäben heraus und gab einem jeglichen seinen Stab wieder.
08] Alle Stäbe aber wurden sobald fleckig; nur der zuletzt dem Joseph überreichte blieb frisch und makellos.
09] Es hielten sich aber darob einige auf und erklärten diese Probe für parteiisch und somit für ungültig und verlangten eine andere Probe, mit der sich durchaus kein Unfug verbinden ließe.
10] Der Priester, darob etwas erregt, ließ sogleich Maria holen, gab ihr eine Taube in die Hand und behieß sie treten in die Mitte der Bewerber, auf daß sie daselbst die Taube frei solle fliegen lassen
11] und sprach noch vor dem Auslassen der Taube zu den Bewerbern: »Seht, ihr Falschdeuter der Zeichen Jehovas! Diese Taube ist ein unschuldig reines Tier und hat kein Gehör für unsere Beredung,
12] sondern lebte allein in dem Willen des Herrn und versteht allein die allmächtige Sprache Gottes!
13] Haltet eure Stäbe in die Höhe! - Auf dessen Stab diese Taube, so sie das Mägdlein auslassen wird, sich niederlassen wird und auf dessen Haupt sie sich setzen wird, der soll Maria nehmen!«
14] Die Bewerber aber waren damit zufrieden und sprachen: »Ja, dies soll ein untrüglich Zeichen sein!«
15] Da aber Maria die Taube auf Geheiß des Priesters freiließ, da flog dieselbe alsbald zu Joseph hin, ließ sich auf seinen Stab nieder und flog dann vom selben sogleich auf das Haupt Josephs.
16] Und der Priester sprach: »Also hat es der Herr gewollt! Dir, du biederer Gewerbsmann, ist das untrügliche Los zugefallen, die Jungfrau des Herrn zu empfangen! So nimm sie denn hin im Namen des Herrn in dein reines Haus zur ferneren Obhut! Amen.«
Gründe der Widerstände des Witwers Joseph gegen eine Pflegschaft über Maria 17] Als aber der Joseph solches vernommen hatte, da antwortete er dem Priester und sprach: »Siehe, du gesalbter Diener des Herrn nach dem Gesetze Mosis, des getreuen Knechtes des Herrn Gott Zebaoth, ich bin schon ein Greis und habe erwachsene Söhne zu Hause und bin seit lange her schon ein Witwer; wie werde ich doch zum Gespötte werden vor den Söhnen Israels, so ich dies Mägdlein nehme in mein Haus!
18] Daher laß die Wahl noch einmal ändern und laß mich draußen sein, auf daß ich nicht gezählt werde unter den Bewerbern!«
19] Der Priester aber hob seine Hand auf und sprach zum Joseph: »Joseph! Fürchte Gott den Herrn! Weißt du nicht, was Er getan hat an a Dathan, an Korah und an Abiram? (a num.26,10]
20] Siehe, es spaltete sich die Erde, und sie alle wurden von ihr verschlungen um ihrer Widerspenstigkeit willen! Meinst du, Er könnte dir nicht desgleichen tun?
21] Ich sage dir: Da du das Zeichen Jehovas untrüglich gesehen und wahrgenommen hast, so gehorche auch dem Herrn, der allmächtig ist und gerecht und allezeit züchtigt die Widerspenstigen und die Abtrünnlinge Seines Willens!
22] Sonst aber sei gewaltig bange dir in deinem Hause, ob der Herr solches nicht auch an deinem Hause verübe, was Er verübt hat an Dathan, Korah und Abiram!«
23] Da ward dem Joseph, sehr bange, und er sprach in großer Angst zum Priester: »So bete denn für mich, auf daß der Herr mir wieder gnädig sein möchte und barmherzig, und gib mir dann die Jungfrau des Herrn nach Seinem Willen!«
Zeugnis Gottes über Josephs Gerechtigkeit und Integrität 24] Der Priester aber ging hinein und betete für Joseph vor dem Allerheiligsten, und der Herr sprach zum Priester, der da betete:
25] »Betrübe Mir den Mann nicht, den Ich erwählt habe; denn gerechter als er wandelt wohl keiner in Israel, und keiner auf der ganzen Erde, und keiner vor Meinem ewigen Throne in allen Himmeln!
26] Und gehe hinaus und gib die Jungfrau, die Ich Selbst erzogen habe, dem gerechtesten der Männer der Erde!«
27] Hier schlug sich der Priester auf die Brust und sprach: »O Herr, Du allmächtiger, einiger Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, sei mir Sünder vor Dir barmherzig; denn nun erkenne ich, daß du Dein Volk heimsuchen willst!«
28] Darauf erhob sich der Priester, ging hinaus und gab segnend im Namen des Herrn das Mägdlein dem geängstigten Joseph
29] und sprach zu ihm: »Joseph, gerecht bist du vor dem Herrn, darum hat Er dich erwählt aus vielen Tausenden! Und so magst du im Frieden ziehen! Amen.«
- Matthäus.01,18] ... Als Maria, seine Mutter, a dem Josef anvertraut war, ehe er sie heimholte ...
30] a Und Joseph nahm Maria und sprach: »Also geschehe denn allezeit der allein heilige Wille meines Gottes, meines Herrn! Was Du, o Herr, gibst, ist ja allezeit gut; daher nehme ich ja auch gerne und willigst diese Gabe aus Deiner Hand! Segne sie aber für mich und mich für sie, auf daß ich ihrer würdig sein möchte vor Dir jetzt, wie allezeit! Dein Wille, Amen.« (a Matthäus.01,18]
31] Da aber Joseph solches geredet hatte vor dem Herrn, da ward er gestärkt im Herzen, ging sodann mit Maria aus dem Tempel und führte sie dann in die Gegend von Nazareth und daselbst in seine ärmliche Behausung.
32] Es wartete aber die nötige Arbeit des Joseph; daher machte er in seiner Behausung diesmal auch nicht Säumens und sprach daher zur Maria:
33] (Joseph): »Maria, siehe, ich habe dich nach dem Willen Gottes zu mir genommen aus dem Tempel des Herrn, meines Gottes; ich aber kann nun nicht bei dir verbleiben und dich beschützen, sondern muß dich zurücklassen, denn ich muß gehen, um meinen bedungenen Hausbau zu besorgen an der Stelle, die ich dir auf der Reise hierher gezeigt habe!
34] Aber siehe, du sollest darum nicht allein zu Hause sein; ich habe ja eine mir nahe anverwandte Häuslerin, die ist fromm und gerecht; die wird um dich sein und mein jüngster Sohn, und die Gnade Gottes und Sein Segen wird dich nicht verlassen!
35] In aller Bälde aber werde ich mit meinen vier Söhnen wieder nach Hause kommen zu dir und werde dir ein Leiter sein auf den Wegen des Herrn! Gott der Herr aber wird nun über dich und mein Haus wachen, Amen.«