Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 110. Kapitel: Ein jeder Mensch trägt nach seiner Individualität den Himmel wie die Hölle in sich.

(Am 18. November 1813, von 4 1/4 - 5 3/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Ihr werdet euch denken, noch mehr aber so mancher Andere, so er bei dieser Mittheilung gegenwärtig wäre: es ist wohl recht löblich und auch moralisch nützlich, dergleichen Eröffnungen zu vernehmen, durch welche gcwisserart bildlich das Grundböse dargestellt wird; aber es giebt nun bereits eine halbe Legion Beschreibungen der Hölle auf Erden. Sie scheinen alle ähnlichen Ursprungs zu sein; aber wie verschieden sind sie von einander! - Bei dem Einen ist die Hölle ein feuriger Schwefelpfuhl, bei den Andern ein nagender Glühwurm; wieder bei Andern ein wüthend Feuer, eine ewige Finsterniß, ein ewiger Tod. Bei Einigen werden die Verdammten gepeiniget, gesotten und gebraten, bei den Anderen sind sie die allerbarsten Freiherren. Einige wieder erblicken in der Hölle nichts als eine entsetzliche Kälte; Andere wieder den glühendsten Zorneifer. Einige erblicken darin elendste, verkrüppeltste und ausgehungertste Menschengestalten, Andere wieder ein Aggregat von den sonderbarsten scheußlichsten Gestalten, die je nur irgend einer menschlichen Phantasie entstammen können. - Und so hat man unter dem Begriffe der Hölle einen wahrhaftigen Proteus vor sich, den man unter gar keiner Gestalt festhalten kann.

02] Wird demnach hier auch eine den menschlichen reinen Begriffen vollkommen zusagende und für diese Zeit wohlbegreifliche Darstellung der Hölle gegeben; wer aber bürgt dafür, daß diese Darstellung mit der Zeit nicht wieder durch eine andere verdrängt wird? - Denn nichts existirt so vielfach unter allerlei Gestalten unter den Menschen, als eben dieser Schreckensort unter dem Begriffe „die Hölle". -

03] Gut, sage ich euch, meine lieben Freunde! Euer bedenklicher Einwurf hat seinen guten Grund; denn er stützt sich vollkommen auf die Realität Dessen, was davon da ist, nämlich von dem Begriffe der Hölle. - Darum aber will und muß auch ich euch hier die Hölle in einem solchen allgemeinen Lichte zeigen, in welchem Lichte jede mögliche Darstellung derselben, die bis jetzt irgendwo auf der Erde gäng und gebe ist, ihre vollkommene Rechtfertigung finden soll.

04] Wenn man die Hölle nur der Aeußerlichkcit nach oberflächlich betrachtet, so ist es höchst begreiflich, warum sie als ein wahrer Proteus in stets anderer Erscheinlichkeit auftritt; aber ganz anders verhält es sich mit der Sache dann, wenn man sie vollkommen aus ihrem Grunde betrachtet.

05] Damit ihr aber Solches vollkommen klar einsehet, wollen wir durch kleine Beispiele eben diese sehr verfängliche Sache also beleuchten, daß sie vor Jedermanns Augen unter der Beleuchtung der Sonne dastehen soll.

06] Nehmen wir an, in einem Staate giebt es sicher gar viele Tausende von Menschen; alle diese Menschen, - Kretins, Trottel und unmündige Kinder ausgenommen, - machen sich allerlei bunte Begriffe von der geheimen Staatspolitik. Wer solche näher kennen will, darf nur mit verschiedenen Menschen sich darüber in ein Gespräch einlassen. Die Einen sehen nichts als Krieg vor sich, die Anderen nichts als geheime Verräthereien; wieder Andere geheime Volksbetrügerei, Andere wieder lauter Klugheit. Einige schreien laut über Ungerechtigkeit; Andere können wieder keine genug lobhudlerischen Worte finden, um die Verfassung, die geheime staatskluge Politik über den grünen Klee hinaus zu loben.

07] Das wären aber noch lauter nüchterne Ansichten des gebildeteren Theiles im Volke über die geheim-politische Staatsverwaltung. Wer aber davon Lächerlichkeiten über Lächerlichkeiten vernehmen will, der begebe sich in sehr finstere Dorfstuben so mancher Landbauern, und er darf überzeugt sein, daß er in solchen Kabinetten Alles vernehmen wird, was immer nur eine ungebildete, rohe menschliche Phantasie hervorzubringen im Stande ist, z. B. daß der Kaiser die Absicht habe, eine Stadt vergiften zu lassen, daß er in einem Lande will die Pest dem Volke einimpfen lassen, oder daß er mit einem fremden Monarchen einen Bund geschlossen habe, irgend ein Landvolk mit Schwert in einer Nacht umzubringen, und die Güter der umgebrachten Unterthanen also gewaltthätigst an sich zu reißen; - anderer Albernheiten nicht zu gedenken, wo der Monarch bei irgend einer Gelegenheit entweder seine eigene Seele, oder die Seelen irgend seiner Unterthanen zur Gewinnung eines großen irdischen Vortheils dem Teufel leibhaftig verschrieben habe! - Daß das Alles sich richtig also verhält, braucht keines näheren Beweises, indem es einem Jeden freisteht, sich davon tagtäglich hundertmal statt einmal überzeugen zu können.

08] Daß sich also die Sache so verhält, unterliegt keinem Zweifel; frage aber: Wer aus all' diesen tausend und tausend politischen Begriffsaufstellern hat denn den rechten Begriff, den rechten Grund der geheimen Staatsverwaltung aufgestellt? Im Grunde gar Keiner; aber dessenungeachtet hält ein Jeder mit geheimnißvoll weise thuender Miene den seinen für den richtigsten. - Wie aber ist das möglich, über Etwas begründete Begriffe aufzustellen, davon man selbst keinen Begriff hat?

09] Sehet, der Grund davon liegt zum Theil in der äußeren Erscheinlichkeit, wie in der Individualität Dessen, der die Erscheinlichkeit betrachtet. Je weniger inneren geweckten Grund der Betrachtende hat, desto irrsinnigere Begriffe combinirt er sich von der Erscheinlichkeit; - und sehet, gerade also verhält es sich bis jetzt mit dem Begriffe der Hölle.

10] Nur äußerst wenigen Sehern ward es gegönnt, in den Grund dieses Ortes einen Scharfblick zu thun; aber sehr Vielen ward es gestattet, eines oder das andere Erscheinliche dieses Ortes zu erblicken, - und so hat die Darstellung des Erscheinlichen durch ihre voluminöse Masse stets den wahren Grund überboten. Aus diesem Grunde hat sich dann die Hölle unter so mannigfachen Gestalten vervielfacht; und Niemand wußte und weiß es bis jetzt vollkommen, wie er mit diesem Orte daran ist.

11] Frage aber weiter: Wer im Staate könnte denn wohl von der geheimen Staatsverfassung den richtigsten Grundbegriff aufstellen? - Sicher Niemand, als eben der kluge Monarch selbst.

12] Wenn sich die Sache unwiderlegbar also verhält, da wird diese Frage auch für das düstere jenseitige Verhältniß passen; und die Antwort darauf wird keine andere sein, als daß nur Derjenige über diesen Ort den allerrichtigsten und allgemein geltenden Grundbegriff aufstellen kann, Der da ein Herr ist, wie über alle Himmel, so auch über alle Höllen!

13] Wie aber Jemand, der in den Grund der geheimen Staatsverwaltung eingeweiht ist, mit leichter Mühe den Grund von allen den im Volke curslrenden Begriffen erschauen wird, also wird auch Derjenige, der den wahren Grund dieses Ortes unter dem Begriffe der Hölle vom Herrn aus kennt, den Grund aller albernen Begriffe darüber einsehen.

14] Ein jeder Mensch trägt nach seiner Individualität den Himmel, wie die Hölle in sich.

15] Wird er nun durch einen gewissen Zustand seiner eigenen Individualität ansichtig, so wird er dadurch nur seiner eigenen unausgebildeten Hölle oder seines höchst unvollkommenen Himmels ansichtig. - Auf diesem Wege können dann zahllosfache verschieden aussehende Höllen entstehen.

16] Ist aber das hernach schon als Grund anzunehmen? - Sicher so wenig, als wenn Einer, der am seichten Ufer mit einem Spazierstäbchen das Meer mißt, wo es höchstens einen halben Schuh tief ist, dann im Ernste auftreten und fest behaupten möchte, das Meer sei nur einen halben Schuh tief; denn er selbst hat es gemessen. Ebenso gilt es auch hier von der Behauptung aller Seher, die da sagen: Ich habe die Hölle in diesem und jenem Zustande also gesehen. - Wie wenig aber Jemand das seichte Ufer, das wohl auch zum Meere gehört, als den eigentlichen Hauptgrund des Meeres ansehen kann, eben so wenig kann auch eine solche geschaute Erscheinlichkeit der Hölle als der wahre Grund angenommen werden.

17] Wie sich aber hernach der eigentliche Grund finden und gründlichst beschauen läßt, wird die Folge zeigen.

01] Ihr werdet euch denken, mehr aber noch so mancher andere so er bei dieser Mitteilung gegenwärtig wäre: Es ist wohl recht löblich und auch moralisch nützlich, dergleichen Eröffnungen zu vernehmen, durch welche gewisserart bildlich das Grundböse dargestellt wird; aber es gibt nun bereits eine Unzahl Beschreibungen der Hölle auf Erden. sie scheinen alle ähnlichen Ursprungs zu sein, aber wie verschieden sind sie voneinander! Bei dem einen ist die Hölle ein feuriger Schwefelpfuhl, bei dem andern ein nagender Glühwurm, wieder bei andern ein wütend Feuer eine ewige Finsternis, ein ewiger Tod: Bei einigen werden die Verdammten Gepeinigt, gesotten und gebraten, bei den andern sind sie barste Freiherren. Einige wieder erblicken in der Hölle nichts als eine entsetzliche Kälte, andere wieder den glühendsten Zorneifer. Einige erblicken darin elendeste, verkrüppelte und ausgehungerte Menschengestalten, andere wieder eine Vereinigung der sonderbarsten, scheußlichsten Gestalten, die nur je menschlicher Phantasie entstammen konnen. Und so hat man unter dem Begriffe der Hölle einen wahrhaften Proteus vor sich, den man unter keiner Gestalt festhalten kann.


02] Wird hier auch eine den menschlich reinen Begriffen vollkommen zusagende und für diese Zeit wohlbegreifliche Darstellung der Hölle gegeben, wer bürgt dafür, daß diese Darstellung mit der Zeit nicht wieder durch eine andere verdrängt wird? Denn nichts existiert so vielfach unter allerlei Gestalten unter den Menschen als eben dieser Schreckensort unter dem Begriff »die Hölle«.

03] Gut, sage ich euch, meine lieben Freunde! Euer bedenklicher Einwurf hat seinen guten Grund, dein er stützt sich vollkommen auf die Realität des vorhandenen Begriffes der Hölle. Darum aber will und muß auch ich euch hier die Hölle in einem solchen allgemeinen Lichte zeigen, in welchem jede mögliche bis jetzt irgendwo auf der Erde vorhandene Darstellung der Hölle ihre vollkommene Rechtfertigung finden soll.

04] Wenn man die Hölle nur nach der Äußerlichkeit oberflächlich betrachtet, so ist es begreiflich, warum sie als ein wahrer Proteus in stets anderer Erscheinlichkeit auftritt. Aber ganz anders verhält es sich mit der Sache dann, wenn man sie vollkommen aus ihrem Grunde betrachtet.

05] Damit ihr aber solches klar einseht, wollen wir durch k1eine Beispiele diese sehr verfängliche Sache so beleuchten, daß sie vor jedermanns Augen unter der Beleuchtung der Sonne dastehen soll.


06] Nehmen wir einen Staat an, in dem es viele Tausende von Menschen gibt. Alle diese Menschen, Kretins, Trottel und unmündige Kinder ausgenommen, machen sich allerlei bunte Begriffe von der geheimen Staatspolitik. Wer solche näher kennenlernen will, darf sich darüber nur mit verschiedenen Menschen in ein Gespräch einlassen. Die einen sehen nichts als Krieg vor sich, die anderen nichts als geheime Verrätereien, wieder andere geheime Vollksbetrügere, andere wieder lauter Klugheit. Einige schreien laut über Ungerechtigkeit, andere können wieder nicht genug lobhudlerische Worte finden, um die Verfassung und die geheime staatskluge Politik über den grünen Klee zu loben.


07] Das wären aber noch lauter nüchterne Ansichten des gebildeteren Teiles im Volke über die geheim-politische Staatsverwaltung. Wer aber Lächerlichkeiten vernehmen will, der begebe sich in finstere Dorfstuben mancher Landbauern. Da darf er überzeugt sein, daß er in solchen Kabinetten alles vernehmen wird, was eine ungebildete, rohe menschliche Phantasie nur hervorzubringen imstande ist. Zum Beispiel, daß der Kaiser die Absicht habe, eine Stadt vergiften zu lassen, oder daß er in einem Lande die Pest dem Volke einimpfen lassen will, oder daß er mit einem fremden Monarchen einen Bund geschlossen habe, irgendein Landesvolk mit dem Schwert in einer Nacht umzubringen und die Güter der umgebrachten Untertanen auf diese gewalttätige Weise an sich zu reißen, anandere Albernheiten nicht zu denken, wonach der Monarch bei irgendeiner Gelegenheit entweder seine eigene Seele oder die Seelen seiner Untertanen zur Gewinnung eines großen irdischen Vorteils dem Teufel leibhaftig verschrieben habe! Daß das alles sich so verhält, braucht keines näheren Beweises, indem es einem jeden freisteht, sich davon tagtäglich zu überzeugen.


08] Daß sich die Sache so verhält, unterliegt also keinem Zweeifel, frage aber: Wer aus diesen tausend und tausend politischen Begriffsaufstellern hat den rechten Begriff, den rechten Grund der Geheimen Staatsverwaltung aufgestellt? Im Grunde keiner; aber dessen ungeachtet hält ein jeder mit geheimnisvoller, weise tuender Miene den seinen für den richtigen. Wie aber ist es möglich, über etwas begründete Begriffe aufzustellen, wovon man selbst keinen Begriff hat?

09] Seht, der Grund davon Liegt zum Teil in der äußeren Erscheinlichkeit wie in der Individualität dessen, der die Erscheinlichkeit betrachtet. Je weniger inneren Geweckten Grund der Betrachtende hat, desto unsinnigere Begriffe kombiniert er sich von der Erscheinlichkeit. Und seht, gerade also verhätt es sich bis jetzt mit dem Begriffe der Hölle.

10] Nur äußerst wenigen Sehern ward es vergönnt, in den Grund dieses Ortes einen tieferen Blick zu tun, aber sehr vielen ward es gestattet, eines oder das andere Erscheinliche dieses Ortes zu erblicken. Und so hat die Darstellung des Erscheinlichen durch ihre voluminöse Masse stets den wahren Grund überboten. Aus diesem Grunde hat sich dann die Hölle unter so mannigfachen Gestalten vervielfacht und niemand wußte und weiß es bis jetzt vollkommen, wie er mit diesem Orte daran ist.

11] Frage aber weiter: Wer im Staate könnte wohl von der geheimen Staatsverfassung den richtigsten Grundbegriff aufstellen? Sicher niemand anderer als der kluge Monarch selbst.

12] Wenn sich die Sache unwiderlegbar so verhält, da wird diese Frage auch für das düstere jenseitige Verhältnis passen, und die Antwort wird keine andere sein, als daß nur derjenige über diesen Ort den richtigen und allein geltenden Grundbegriff aufstellen kann, der da ein Herr ist wie über alle Himmel, so auch über alle Höllen!

13] Wie aber jemand, der in den Grund der geheimen Staatsverwaltung eingeweiht ist, mit leichter Mühe den Grund aller im Volke kursierender Begriffe erschauen wird, so wird auch derjenige, der den wahren Grund dieses Ortes unter dem Begriffe der Hölle vom Herrn aus kennt, den Grund aller anderen albernen Begriffe darüber einsehen.

14] Ein jeder Mensch trägt nach seiner Individualität den Himmel wie die Hölle in sich.

15] Wird er nun durch einen gewissen Zustand seiner eigenen Individualität ansichtig, so wird er dadurch nur seiner eigenen unausgebildeten Hölle oder seines höchst unvollkommenen Himmels ansichtig. Auf diesem Wege können dann zahllosfache verschieden aussehende Höllen entstehen.

16] Ist aber das hernach schon als Grund anzunehnen? Sicher so wenig, als wenn einer, der am seichten Ufer mit einem Spazierstäbchen das Meer mißt, wo es höchstens einen haben Schuh tief ist, dann im Ernste auftreten und fest behaupten möchte, das Meer sei nur einen halben Schuh tief, denn er selbst halbe es gemessen. Ebenso gilt es auch hier von der Behauptung aller Seher, die da sagen: Ich habe die Hölle in diesem und jenem Zustande also gesehen. Wie wenig aber jemand das seichte Ufer, das wohl auch zum Meere gehört, als den eigentlichen Hauptgrund des Meeres ansehen kann, ebensowenig kann auch eine solche geschaute Erscheinlichkeit der Hölle als deren wahrer Grund angenommen werden.


17] Wie sich aber der eigentliche Grund finden und gründlichst beschauen läßt, solches wird die Folge zeigen. -

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