Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 212. Kapitel: Bekenntnis und Bitte des Petrus um Erklärung des Gleichnisses vom Sämann.

01] Als Ich diese Belehrung vollendet hatte, da erhob sich Simon Juda, genannt Petrus, und sagte: »Herr, auch wir alle danken Dir für diese großartige Belehrung; denn jetzt fühle ich erst in der vollen Tiefe meines Gemütes, daß Du Deinem Leibe nach der Sohn Gottes bist und bist denn auch wahrhaft Christus, von dem die Propheten, von Moses angefangen, vielfach geweissagt haben, aber auch schon vor Moses, von Abraham angefangen, die erleuchteten Urerzgroßväter der Menschen. Ich wüßte nun wahrhaftig nicht mehr, mit welch einer noch weiteren Frage ich Dir zur Last fallen könnte; denn es scheint mir nun alles klar, wie in einem großartigsten Bilde vor den Augen zu schweben.«

02] Sagte Ich darauf: »Simon Juda, du hast recht gesprochen, weil es also ist: aber dennoch wirst du samt den andern Schafen die Flucht ergreifen, wenn der Hirte geschlagen wird; denn der Mensch muß zuvor gar manche Probe seines Glaubens an den Tag legen, bevor er als ein Vollendeter seinem Meister ähnlich wird. Daher gedenke dieser Meiner Worte, daß auch für dich noch der Fall eintreten wird, wo du Mich aus Furcht vor der Welt völlig verleugnen wirst! Du wirst dann wohl wieder umkehren und deinen schwachen Glauben stärken, - aber aus dir selber nicht, sondern aus Meinem Geiste in dir, der dich ordentlich bei den Haaren dazu ziehen wird!«

03] Sagte darauf Simon Juda: »Herr und Meister, es ist aber doch sonderbar von Dir, daß Du uns, die wir doch schon von Anfang bei Dir waren und alles Dir zuliebe verlassen haben - als unsere Äcker, Häuser, Weiber und Kinder -, nie etwas so recht Gutes voraussagen kannst!«

04] Sagte Ich: »So Ich euch nur für diese Welt geschaffen und berufen hätte, so könnte Ich euch auch nur weltlich Gutes vorhersagen; da Ich euch aber nur für Mich und für Mein Reich jenseits berufen habe, - was kümmert es dich denn, so Ich dir, als für diese Welt geltend, nichts Gutes und Angenehmes vorhersagen kann? Denn du weißt es ja, daß die eigentliche arge und finstere Welt nur das liebt und beglückt, was so ist, wie sie selbst ist; was aber nicht also ist, das verfolgt und verdammt sie.

05] Ihr seid aber ebenso wie Ich nicht von dieser Welt, sondern von oben her, - somit verfolgt und haßt uns die Welt denn auch: und weil es so und nicht anders ist, so kann Ich dir, Mein lieber Simon Juda, von seiten dieser Welt auch nichts anderes weissagen als das nur, was Ich euch allzeit gleich geweissagt habe! Verstehst du dieses wohl?«

06] Sagte darauf Simon Juda: »O Herr und Meister, ich verstehe es wohl, aber es geht mir dabei nicht viel anders als dem Freunde Oberstadtrichter, - man wird von Deiner unendlichen Vollkommenheit und persönlichen Gegenwart ganz vernichtet!

07] Aber weil ich schon einmal im Reden bin, so möchte ich Dich um eine nähere Aufklärung über ein von Dir uns einmal in der Nähe von Besetha (wohl Bethsaida?) erzähltes Gleichnis vom Reiche Gottes bitten. Du hast uns damals zwar eine Erklärung gegeben, die ganz gut war, - aber mit dem Bilde selbst konnte ich mich, selbst mit meinem besten Willen, nie so ganz recht einverstehen (zurechtfinden).

08] Das Bild oder Gleichnis aber lautete, daß nämlich das Reich Gottes, welches auch gleich ist das Himmelreich, einem (mt.13,02-08; mk.04,03-08; lk.08,05-08) Sämanne gleicht, der ausging, um Weizen auf seinen Acker zu säen. Als er aber säte, da fiel ein Teil auf Wege und Straßen, der wurde zum Teil bald zertreten und zum Teil von den Vögeln aufgezehrt, ging demnach denn auch nicht auf und brachte keine Frucht. Ein Teil aber fiel auf Felsen und Steine, der ging wohl auf, solange er eine Feuchtigkeit hatte, aber diese verlor sich bald, und somit hatte der Same keine weitere Nahrung, verdorrte und brachte auch keine Frucht. Ein Teil des Weizensamens aber fiel unter Dornen und Gestrüpp, ging zwar auf, ward aber von den Dornen und dem Gestrüppwerk bald überwachsen, erstickte und brachte somit auch keine Frucht. Nur ein Teil fiel auf gutes Erdreich und brachte hundertfältige Frucht.

09] Das, o Herr und Meister, war das Bild, nach dessen Erzählung - als wir dich fragten: "Wo und wieso denn?" - Du uns sagtest: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, - den andern aber nicht, wie es denn auch in der Schrift geschrieben steht: "Sie werden sehen und doch nichts sehen, hören und nichts vernehmen und verstehen!"

10] Darauf erklärtest Du uns das Bild, und wir alle waren mit der Erklärung überaus zufrieden, aber nur mit dem Bilde selbst noch bis jetzt nicht vollkommen.

11] Wenn Du, o Herr und Meister, uns hast darunter verstanden haben wollen, die wir von Dir aus dazu bestimmt sind, Deine Lehre, welche ist das eigentliche Reich Gottes auf Erden, unter den Menschen auszubreiten, und eben uns als den Sämann darstelltest, so hätte Dein Bild seine volle Richtigkeit; aber wenn Du Dich Selbst als den Sämann darstelltest, so kommt mir das Bild immerwährend etwas sonderbar vor, weil ich mir keinen recht klugen Sämann vorstellen kann, der drei Teile seines edlen Weizens dorthin aussät, wo ihn doch die Erfahrung schon seit überlangen Zeiten her lehren mußte, daß Wege und Straßen, Felsen und Steine, Dornen und Gestrüpp durchaus nicht geeignet sind, daß man sie mit dem edlen Weizen besäte, weil er auf solchen Plätzen nie eine Frucht bringen kann, - und so klug wird der Sämann auch sein, daß er sich zur Aussaat seines reinen Weizens zuvor auch einen tauglichen Acker herrichten wird, auf den er seinen Weizen aussät, auf daß er ihm dann hundertfältige Frucht abwerfe.

12] Du, o Herr und Meister, aber bist als Sämann unendlich weiser, als wir alle je werden werden, und so kommt es mir immer vor, daß ich eine bedeutende Sünde begehe, so ich Dich für einen so unklugen Sämann hielte; hast Du aber uns, Deine Jünger, als den unklugen Sämann dargestellt, dann, wie gesagt, ist Dein Bild vollkommen gut, - denn in uns steckt noch viel Unklugheit und Unwissenheit.

13] Zudem hast Du uns schon zu öfteren Malen gewarnt, daß wir Deine Perlen, die auch sind gleich dem reinsten Weizen und somit auch gleich dem Reiche Gottes, nicht den Schweinen vorwerfen sollen, und ich meine, daß Du mit jenem Bilde auch hast sagen wollen, daß wir Deinen Weizen auf Wegen und Straßen, auf Felsen und Steinen und unter Dornen und Gestrüpp nicht aussäen sollen, weil er da keine Früchte tragen wird. Herr und Meister, habe ich auf diese Weise mir Dein Gleichnis richtig aufgehellt?«



Home  |    Index Band 10  |   Werke Lorbers