Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 6. Kapitel: Jesu Mahl bei Ebal.

01] Darauf verfügten wir uns in den Saal, und alle verwunderten sich über die Größe, Schönheit, Reinlichkeit und Bequemlichkeit dieses Bauwerkes, das von einem griechischen Baumeister ausgeführt ward. Wir nahmen darauf Platz am großen Tische, um den sich ganz bequem bei hundert Gäste lagern konnten, und Ebal ließ sogleich Brot und Wein in rechter Menge herbeischaffen, auf daß wir ein kleines Vormahl halten konnten, bis das eigentliche Hauptmahl bereitet wurde, das aber auch nicht lange auf sich warten ließ. Wir nahmen denn nach dem Wunsche Ebals auch sogleich etwas Brot und Wein zu uns, und es ward bald lebhaft im Saale.

02] Unsere Jahra, die abermals kaum von Meiner Seite wegzubringen war, aber besprach sich nun mit der Mutter Maria und mit Raphael. Letzteren fragte sie um manches, was sie in ihren Träumen geschaut und auch vernommen hatte, und er erklärte ihr das freundlichst. Und Maria konnte über die Weisheit Jahras nicht genug staunen und koste sie herzlich. Ebal aber, an Meiner rechten Seite sitzend, erkundigte sich nach den Namen einiger ihm fremden Jünger, die Ich ihm denn auch ansagte.

03] Als wir so in aller Freundlichkeit eine kleine Stunde Zeit zugebracht hatten, da brachten die andern Kinder und Diener auch schon das bestbereitete Mahl, und wir fingen denn auch alsbald an, dasselbe zu uns zu nehmen.

04] Als die Kinder und Diener Ebals alle Speisen auf den Tisch gebracht hatten, da kamen sie auch zu Mir hin und brachten Mir einen rechten Gruß und Dank darum, daß Ich diesem Orte abermals die Liebe erwies, ihn persönlich zu besuchen. Und Ich legte ihnen die Hände auf und stärkte sie, wofür sie Mir abermals dankten, und wonach sie sich an ihr Geschäft begaben, - denn sie hatten diesmal viele fremde Gäste zu bedienen, die auch hier nun ihrer Gesundheit wegen sich aufhielten; denn seit Meinem ersten Hiersein war das ehedem sehr ungesunde Genezareth umgewandelt worden in einen Heilort, und ganz besonders die von Mir eigens gesegnete Wiese.

05] Als wir in einer guten Stunde Zeit das gute Mittagsmahl verzehrt hatten, da fragte Mich Ebal, was Ich am Nachmittag etwa unternehmen werde.

06] Sagte Ich: »Mein Freund, es wird sich bald eine gar tüchtige Arbeit für uns darbieten und wird uns bis in die sinkende Nacht hin vieles zu schaffen machen! Du selbst wirst Mich der beendeten Arbeit wegen nicht genug loben können. Doch für jetzt ruhen wir noch eine kleine Zeit hindurch in diesem Speisesaale; denn wir brauchen diesmal die auf uns wartende Arbeit nicht aufzusuchen, - sie wird uns nur zu bald von selbst finden!«

07] Nach dem ruhten wir alle am Tische noch so eine halbe Stunde lang, und die Jünger befragten sich untereinander, was es etwa wieder sein werde, daß der Herr Selbst eine tüchtige Arbeit bis in die sinkende Nacht hin nenne. Einige meinten, es werde wahrscheinlich wieder eine ärgerliche Pharisäergeschichte zum Vorschein kommen, oder es lauern etwa schon wieder irgend neu ausgesandte Herodianer auf Ihn oder auf die Jünger des Johannes, die dem geilen Fuchs auch ein Dorn im Auge sein sollen.

08] Als die Jünger noch also fort untereinander berieten über das Wesen und Worin-Bestehen der von Mir angekündigten tüchtigen Arbeit, da trat ein sehr verlegen aussehender Diener eiligst in den Saal.

09] Und Ebal, dem des ihm nur zu wohlbekannten Dieners verlegenes Gesicht gleich auffiel, stand schnell auf, ging zum Diener hin und sagte: »Benjamin, mein alter treuer Diener, was bringst du für üble Kunde mir? Denn aus deinen unsteten Augen lese ich nichts Gutes!«

10] Sagte der Diener: »Ebal, du mein Gebieter und Herr, es ist, was mich deucht, zwar eben nicht etwas Arges im Anzuge; aber gerade angenehm wird die Sache weder für dich noch für die anwesenden Gäste sein. Du kennst ja den neuen römischen Hauptmann, der erst vor etlichen Wochen etwa aus der Gegend um Bethlehem hierher versetzt worden ist. Er ist hier sonach ein neuer Besen und will denn auch zur Vergrößerung seines Ansehens auch über alle die Maßen rein kehren. Dieser hat durch seine allsehenden Kundschafter und feinschmeckenden Wachen von der Ankunft dieser hohen Gesellschaft vernommen (und ist der Ansicht), es hätte ihm gleich bei der Ankunft dieser Gesellschaft gemeldet werden sollen, wer alles da angekommen sei, woher, warum und wohin man sich dann weiter bewegen werde, und ob sich darüber ein jeder für sich oder einer für alle legitimieren könne.

11] Nun, diese Meldung ist bei dieser Gelegenheit sicher ob der großen und allgemeinen Freude über die Ankunft des Heilandes, die wir alle schon lange sehnlichst gewünscht haben, unterblieben, und darum sind bei dem stolzen Römer nun schon gleich alle seine Teufel losgeworden. Er wartet draußen auf dich und will mit dir reden.«

12] Als Ebal dieses aus dem Munde des alten Dieners Benjamin vernommen hatte, da ward er ordentlich unwillig und sagte: »Nein, es ist aber in dieser Welt das doch sonderbar, daß es selbst für den ehrlichsten und gottergebensten Menschen nie einen ganz seligen Tag geben kann, an dem nicht so ein recht arger Weltdämon einem sein ohnehin mit allerlei Sorgen behaftetes Leben vergällen möchte!«

13] Sagte Ich: »Mein Freund, laß darob fahren deinen Ärger! Wäre diese Welt nicht von Gott zu einer Lebensprobestätte bestimmt, in welcher ein jeder Mensch sich gleichfort bis zu seiner vollen geistigen Wiedergeburt in aller Geduld, Sanftmut, Demut und Liebe zu üben hat auf dem Wege der äußersten Selbstverleugnung, so wäre Ich Selbst nicht zu euch gekommen, um euch in allem mit dem besten und lebenswahrsten Beispiel voranzugehen. Wollen die Menschen dieser Erde Kinder Gottes derart werden für ewig, wie du dir hier an Raphael, den du wohl kennst, ein Beispiel nehmen kannst, so müssen sie sich auch die Mittel, die von Gott verordnet sind zur Erreichung des höchsten Lebenszweckes, in dieser nur kurz dauernden Probelebenszeit in aller Geduld und Ergebung in den Willen des allweisesten Vaters gefallen lassen.

14] Gehe denn nur hinaus und verhandle mit dem römischen Hauptmanne, auf daß du der erste bist, der sich von der tüchtigen Arbeit überzeugt, die uns heute bis in die sinkende Nacht bevorsteht!«

15] Sagte Ebal: In Deinem Namen, o Herr und Meister; ich werde es ja gleich erfahren, was da alles herauskommen wird!«

16] Hierauf begab er sich eiligst hinaus zum Hauptmanne, der schon in der höchsten römischen Ungeduld mit mehreren seiner Untergebenen auf ihn harrte.



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