Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 97. Kapitel: Jesus über das rechte Gottsuchen.

01] (Jesus:) »Du sagtest auch, daß du bei dir selbst auf gar keine Gottheit irgend mehr achtest, dieweil du irgendeine wahre Gottheit schon so lange gesucht hast und sich dir aber trotz deines eifrigsten Suchens doch noch keine irgend von ferne nur genaht habe.

02] Du hast freilich für dich wohl schon lange eifrigst eine rechte Gottheit gesucht, und es ist dir noch keine zu Gesicht gekommen; aber du mußt auch bedenken, daß du die wahre Gottheit nur ganz einseitig und egoistisch gesucht hast. Du wolltest nur für dich, als ein großer Lebensfreund, gesichert sein, daß es eine wahre Gottheit gibt und des Menschen Seele nach dem Leibestode für ewig fortlebe; aber das Volk solle in der alten Dummheit und vollen Blindheit schmachten und euch Priestern opfern wie zuvor!

03] Bei dem einen, allein wahren Gott aber hat der Priester nicht den allergeringsten Vorzug vor einem noch so nichtig scheinenden Menschen aus dem Volke. Bei Gott gibt es keine Ranggrade für die Menschen; vor Ihm stehen Kaiser und Bettler auf ein und derselben Stufe. Nur der hat bei Gott einen Vorzug, der Ihn der vollen Wahrheit nach erkennt, dann über alles liebt, seinen Nebenmenschen wie sich selbst, und die Gebote Gottes, wie sie dem Moses gegeben worden sind, beachtet, in allem demütig ist und von niemandem etwas Ungerechtes wider die Ordnung und wider den Willen Gotts verlangt, weder mit Gewalt noch mit List; denn alle solche Tat ist vor Gott ein Greuel.

04] Ihr Priester aber habt allzeit das Volk derbst belogen und betrogen, und so wirst du es nun wohl einsehen, warum Sich die eine und allein wahre Gottheit von euch, trotz alles eures Suchens, nicht hat wollen finden lassen; denn Sie sah es nur zu klar, daß ihr das Volk aus lauter Weltrücksichten dennoch hättet in der alten Finsternis belassen, wie das auch bei vielen Priestern Ägyptens der Fall war.

05] Diese wußten es wohl, wie sie mit dem einen, allein wahren Gott daran waren, aber das gemeine Volk mußte glauben, was sie ihm zum Glauben vorstellten; und da die Priester also handelten, so hat Gott sie auch mit Blindheit geschlagen, - und in dieser Blindheit befindet ihr euch noch und werdet euch noch lange hin befinden, so ihr nicht von der Welt ablasst und nach dem rechten und nach allen Richtungen hin vollwahren Grunde Gott, Sein Geistreich und dessen reinste Gerechtigkeit suchet.

06] Wer Gott nicht in aller Liebe, Sanftmut, Demut, Geduld und vollster Selbstverleugnung sucht, der findet Ihn, als das höchste Lebensgut, nicht; und wer Gott nicht also sucht und findet, der hat von Ihm auch eine außerordentliche Hilfe nicht zu erwarten.

07] Gott sorgt in Seiner unermeßlichen Liebe zwar für alle Menschen also, wie Er auch sorgt für alle Kreatur im endlos großen Allgemeinen nach Seiner ewigen, unwandelbaren Ordnung; aber besonders und außerordentlich sorgt Er Sich nur um jene, die Ihn wahrhaft erkannt haben, Seinen ihnen geoffenbarten Willen tun und Ihn also wahrhaft in aller Tat über alles lieben.

08] Du hast wahrlich den einen, allein wahren Gott lange mit vielem Eifer gesucht; aber frage dich nun selbst, ob du jemals Gott also gesucht hast, wie Ich es dir nun gezeigt habe.

09] Ich sage es dir: Nicht der, der da spricht: "Herr, Herr, wo bist Du, so ich als Dein Geschöpf Dich suche und zu Dir rufe aus der finstern Tiefe der Lebensnacht, warum lässest Du Dich nicht finden, und warum antwortest Du mir nicht und sagst: ,Hier bin Ich!'?", wird Gott den Herrn finden und zu Ihm kommen, sondern nur der, der Gott also sucht, wie Ich es dir nun gezeigt habe.

10] Siehe, du hast Moses und die Propheten gelesen und hast den Willen Gottes an die Menschen in den dir wohlbekannten zehn Geboten klar ausgesprochen gefunden, und diese Gebote gefielen dir also wohl, daß du bei dir gar oftmals sagtest: "Wahrlich, weisere und für das wahre Glück und Wohl aller Menschen tauglichere und besorgtere Gesetze gibt es in aller Welt nicht, und man kann es füglich annehmen, daß sie im Ernste von einem Gottwesen herstammen!"

11] Da du aber bei dir also reden konntest, - warum fiel es dir dabei nicht auch einmal in den Sinn, diese Gesetze bei dir selbst in die Tat übergehen zu lassen? Hättest du das getan, so hättest du Gott auch schon gefunden; aber da fandst du allerlei Weltgründe, solche Gesetze zwar wohl zu bewundern, aber nicht in die Tat übergehen zu lassen.

12] Laß aber von nun an diese Gesetze bei dir zur Tat werden, und vergüte jedem nach Möglichkeit das, was du an ihm Übles begangen hast, - und fasse dazu vorderhand einen festen Willen, und du wirst Den, welchen du so lange vergeblich gesucht hast, bald und leicht finden!«



Home  |    Index Band 10  |   Werke Lorbers