Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 53. Kapitel: Der Wirt erkennt Jesus.

01] Der Wirt aber war schon vorher wieder zu uns in das Gastzimmer gekommen und hatte auch seinen ältesten Sohn, der auf einem Auge blind war, mitgenommen.

02] Als er voll Staunens zu uns kam, da sagte er zu Mir (der Wirt): »Guter und liebster Freund, ich habe gleich nach deinem mir gemachten Bekenntnisse über den großen Mann die Mutmaßung in mir geschöpft, daß einer unter euch irgendein schon besonders bevollmächtigter Gesandter des großen Gottmenschen sein dürfte; denn die kleineren sind voraus entsendet worden, und nun kommen die großen nach. Aber jetzt, wo ich auch den größeren Fischbehälter voll der edelsten Fische fand, und das auf dein Wort, so ist denn nun auch schon gar kein Zweifel mehr, daß ihr offenbar Gesandte jenes großen Gottmenschen seid, dem du das vollkommenst wahre Zeugnis gegeben hast. Einer unter euch wird sicher der Erste sein, und das am Ende gar du? Wenn das der Fall ist, da sage es mir, auf daß ich dich ganz besonders ehren kann; denn bei uns gilt noch immer der Satz: ehrt den, dem die Ehre gebührt!«

03] Sagte Ich: »Kümmere du dich nun dessen nicht! Ich bin wohl ein Erster unter diesen Meinen Gefährten, - aber in einer ganz anderen Weise, als du es meinst. Es ist nur gut, daß die Edelfische da sind und noch ein guter Wein; alles andere wird sich schon noch später, und das zur rechten Zeit, zeigen.

04] Was ist denn mit diesem deinem halbblinden Sohne da?«

05] Sagte der Wirt: »Ah, wie weißt du denn, daß dieser mein Sohn halbblind ist?«

06] Sagte Ich: »Oh, das zu erkennen, wird doch etwa keine so wunderbare Sache sein! Sieht er dir ja doch ganz ähnlich. Du bist geistig halbblind, und dieser dein Sohn natürlich. Am Ende kann noch euch beiden geholfen werden! Haben denn die Jünger des großen Mannes, von denen du ehedem erzählt hast, diesem deinem Sohne das eine Auge nicht zu heilen vermocht?«

07] Sagte der Wirt: »Ja, einen Versuch haben sie wohl gemacht; aber der ist ihnen eben nicht gelungen. Auch der gewisse Johannes war darum schon ein paar Male hier; aber auch dem gelang es nicht, meinem Sohne das Licht des einen Auges wieder zu verschaffen. Und so muß er sein bißchen Ungemach schon mit Geduld ertragen. Ich habe ihn in der Meinung, daß ihr etwa doch die noch mächtigeren Jünger des Herrn wärt, mit hereingenommen, ob vielleicht ihr ihm helfen könntet. Aber weil ihr das etwa nicht seid, da kann er schon wieder an seine Arbeit in die Küche gehen!«

08] Sagte Ich: »Ah, darum soll auch er nur da verbleiben, - er wird sicher noch eher sehend werden denn du!«

09] Sagte der Wirt: »Aber liebster Freund! Sieh doch meine Augen an, ich sehe auf beiden Augen ganz vortrefflich gut! Wie kann da mein halbblinder Sohn eher sehend werden denn ich?«

10] Sagte Ich: »Ich habe es dir ja zuvor gesagt, daß du nur geistig halbblind bist; und dein physisch halbblinder Sohn wird noch eher sein volles Augenlicht bekommen, als du dein seelisches! Aber nun nichts mehr von dem; denn nun kommen schon die Fische, die wir noch verzehren werden, denn das erste Gericht war für vierzig Mann und darüber etwas karg bemessen, trotz der Beigabe des Linsengerichts. Aber diesmal mußt auch du und dein Sohn mitessen; dein Weib aber soll heute von diesen Fischen nichts zu essen bekommen, ihres harten Glaubens wegen. Morgen kann sie sich auch einen Fisch bereiten und ihren Glauben stärken.«

11] Als die Fische sich auf dem Tische befanden, da griffen Meine sämtlichen Jünger, nachdem Ich Mir zuvor einen Fisch genommen hatte, gleich wacker zu; denn diese Art Fische waren ihnen als die besten schon lange bekannt. Wir aßen und tranken nun voll guten Mutes und ließen oft den großen Mann aus Galiläa leben, was den Wirt stets über die Maßen fröhlich stimmte, darum er auch nur stets Denselben mit einem Becher Wein begrüßte und Ihn überhoch leben ließ. Dabei erzählten auch Meine Jünger abwechselnd eine und die andere Begebenheit von unseren Wanderungen und auch manches von Meiner Kindheit, was alles dem Wirte über alles angenehm war.

12] Als das Erzählen, das nahe in die Mitternacht hinein dauerte, zu Ende war, da wandte sich der Wirt mit der Bitte an Mich und sagte: »Mein lieber und selten weiser Freund, ihr habt mir nun so vieles von dem großen Gottmenschen erzählt, daß ich nun schon der glücklichste Mensch in der ganzen Welt zu sein mich dünke und zum größten Teile auch wirklich bin; aber ich wäre nun auch ganz glücklich und so selig wie ein erster Engel im Himmel, wenn ich nur noch ein wohlähnliches Abbild vom großen Gottmenschen zu sehen bekäme! Du, Freund, hast mir zuvor versprochen, daß du ein solches wirst sehen lassen. Wenn du ein solches bei dir hast, so bitte ich dich, daß du mich es wollest sehen lassen!«

13] Sagte Ich: »Ja, ja, du hast recht. Ich habe dir das versprochen und werde Mein Versprechen auch halten; aber Ich sagte nachher auch, als du deinen halbblinden Sohn zu uns hereingebracht hattest, daß er noch früher ganz sehend werden würde und du am Ende in deiner halbblinden Seele wohl etwa auch ganz sehend werden würdest. Denn als ein an deiner Seele halbblinder Mensch wirst du das wahrste Abbild des Herrn und Meisters immer nicht ganz wohl ausnehmen und lebendig betrachten können. Lasse nun denn deinen Sohn zu Mir kommen, und Ich werde sehen, ob Ich sein blindes Auge werde öffnen und mit dem Lichte erfüllen können!«

14] Auf diese Meine Worte, die den Wirt stutzen machten, stellte er den Sohn zu Mir hin, und sagte (der Wirt): »Da ist der Sohn, Freund! Versuche nun auch du, ob es dir gelingen wird, ihn sehend zu machen!«

15] Sagte Ich: »Gut, Mein Freund. Ich will, daß dein Sohn Jorab sehe! Es sei!«

16] Auf diese Meine Worte ward des Sohnes blindes Auge auch schon sehend, auf welche plötzliche Heilung Vater und Sohn ordentlich erschraken, und der Sohn zum Vater sagte: »Vater, der Mann muß mit dem großen Gottmenschen in einer viel innigeren Verbindung stehen als alle die andern, die mich in Seinem Namen zu heilen versuchten! Jene sagten: »Im Namen des Herrn Jesus Jehova werde Licht deinem Auge!«, - und siehe, ich blieb dennoch blind. Dieser aber sagte: »Ich will, daß dein Sohn Jorab sehe! Es sei!« Der Freund hat mich also durch seine eigene Macht geheilt, da er sagte: »Ich will es!« Er ist darum der große Gottmensch Selbst und niemand anders! Und du, Vater, bist noch halbblind an deiner Seele, wenn du solches nicht alsobald merkst - und Er, Er Selbst ist das treueste Abbild Seiner Selbst voll des Lebens, der Macht und Kraft Gottes; denn nur Gott allein kann sagen: »Ich will es!«, - ein Mensch aber nur: »Gott der Herr wolle dies und jenes!««

17] Als der Sohn solches ausgeredet hatte, da ward auch der Wirt sehend, erkannte Mich und fiel vor Mir auf die Knie nieder und fing an, Mich um Vergebung zu bitten.

18] Ich aber sagte: »Freund, was soll Ich dir vergeben? Daß du Mich erst jetzt erkannt hast, das wollte Ich also! Und somit sei du nun erst ganz selig! Aber sage es niemandem in deinem Hause, bevor Ich dir das zu tun anzeigen werde! Siehe aber nun, daß wir ein Nachtlager bekommen! Morgen werden wir dann schon das Weitere bestimmen.«

19] Der Wirt erhob sich nun vom Boden und fing an, Mir über alle die Maßen zu danken, daß Ich ihn solch einer unschätzbaren Gnade gewürdigt habe.

20] Ich aber sagte zu ihm: »Mache nun nicht so viel Aufhebens, damit dein Hausgesinde nicht vor der Zeit auf Mich aufmerksam gemacht werde! So dein Weib und deine andern Kinder und deine Hausleute den Jorab sehend erschauen und dich und ihn fragen werden, wie er sehend geworden sei, da sagt: Die angekommenen Gäste haben das vermocht; denn der große Herr ist mit ihnen mehr denn mit jenen, denen es nicht gelang, dem Jorab das blinde Auge in Seinem Namen zu heilen. - Aber nun gehe und laß uns ein Nachtlager bereiten!«

21] Da ging der Wirt und ließ uns im großen Schlafsaale etliche vierzig Ruhestühle zurechtrichten und kam dann und zeigte Mir solches ehrerbietigst an. Und wir erhoben uns von unseren Bänken und begaben uns zur Ruhe.

22] Der Wirt aber besprach sich dann noch über vieles mit seinem Weibe und auch mit seinen mündigen Kindern; aber Mich verriet er dennoch nicht, obschon sein Weib einige Male die Bemerkung machte, daß am Ende doch Ich Selbst eben jener wunderbare Meister sein könnte, der schon vor zweieinhalb Jahren in Samaria so große Zeichen gewirkt habe. Ich wolle Mich aus gewissen Gründen etwa nur nicht, wie dies bei Meinem ersten Besuche dieser Stadt der gleiche Fall war, sogleich zu erkennen geben. Am Tage werde sie Mich schon schärfer ins Auge fassen, da sie Mich bei Meiner ersten Anwesenheit in diesem Orte wohl ein paar Male zu sehen das Glück gehabt habe. Und bei solchen Besprechungen schliefen denn auch die Wirtsleute ein und ruhten samt uns bis zum Sonnenaufgang.



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