Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 159. Kapitel: Jesus über die weise Ausübung der Nächstenliebe.

01] Sagten die beiden Griechen: »O Herr Herr, wir danken Dir aus dem innersten Grunde unseres Herzens und Lebens für die so wunderbar plötzliche Heilung unseres Leibes und bitten Dich aber auch, daß Du uns, so wir je infolge unserer leiblichen Gesundheit in was immer für einer Weise könnten schwach werden und uns von einer oder der andern Anreizung der Welt und unseres Fleisches sollten betören lassen, daß Du uns stets die nötige Kraft erteilen wollest, auf daß wir allen Versuchungen, die über uns kommen könnten, ganz heldenmütig widerstehen mögen; denn das sehen wir nun schon von selbst, daß kein Mensch ohne Deine Hilfe alle auf ihn lauernden Gefahren und Feinde aller Art und Gattung besiegen kann.

02] Es ist wohl ein leichtes, einem Feinde, den man sieht, entweder auszuweichen oder ihm mit Waffen in der Hand kräftig und voll Mutes entgegenzutreten und ihn unschädlich zu machen; aber der Mensch hat eine unzählige Menge unsichtbarer Feinde, mit denen nur Du, o Herr, Herr, allein es stets siegreichst aufnehmen kannst. Und wir bitten Dich denn auch darum um Deine Hilfe, wenn irgend ein unsichtbarer Feind sich uns nahen sollte, um uns schädlich zu werden; denn solcher Feinde kann der Mensch nur mit Deiner alles vermögenden Kraft Meister werden.«

03] Sagte Ich: »Da habt ihr ganz wahr und richtig geurteilt: Ohne Mich kann niemand etwas wirken zum Heile seiner Seele; und hat er auch alles nach den ihm geoffenbarten Gesetzen wie aus eigener Willenskraft getan, so soll er aber dennoch in sich bekennen, daß er ein fauler und träger Diener war, und soll in allem Guten, das er gewirkt hat, Gott allein die Ehre geben, und Gott wird ihn also denn auch allzeit stärken und kräftigen.

04] Wer Gott in allem Guten die Ehre gibt, der ist Ihm wohlgefällig und ein rechter Knecht und Diener nach Seinem Herzen. Den wird Gott nicht verlassen, sondern schirmen mit Seiner Hand, der Gott in seinem Herzen nicht verläßt; wer aber in seinem Herzen Gott verläßt und Seiner wenig oder oft gar nicht achtet, sich selbst ein Herr zu sein dünkt und nach seinem Weltverstande handelt, und so ihm etwas gelungen ist, sich nur dafür ehren läßt und von seiner Klugheit und von seinen edlen Taten spricht, der belohnt sich auch selbst und hat von Gott keinen Lohn zu erwarten. Was ihr denn immer tut, das gut und wahr ist, das Tut in Meinem Namen, und Ich werde mit euch sein und euch stärken und kräftigen!«

05] Hierauf dankten Mir die beiden Griechen abermals, auch unser Kisjona, Philopold, der Wirt von Jesaira, der Bootsmann und der Vorsteher aus dem bekannten Fischerdörfchen, und alle Jünger priesen Mich, daß Ich solches den beiden Griechen eröffnet habe.

06] Hierauf fragten Mich die beiden, ob sie das, was sie hier allerwunderbarst erlebt hätten, auch ihren Gefährten mitteilen dürften, die mit ihnen in diese Kuranstalt gekommen seien.

07] Sagte Ich: »Solange Ich in diesem Orte verweilen werde, sollt ihr von Mir nicht reden und Mich nicht ruchbar machen; aber was ihr von Moses wisst und von den Propheten, besonders von Jesajas und Hesekiel und aus den Psalmen Davids, davon könnt ihr reden mit einem rechten Eifer!«

08] Ich werde aber vor Meiner Abreise schon Selbst noch die Gäste der Anstalt besuchen und werde an sie eine Einladung machen, ob auch sie ins Gottesreich eingehen wollen. Darauf erst mögt ihr weiter mit ihnen reden. Denen ihr in Meinem Namen die Hände auflegen werdet, die werden gesund werden; aber das sollt ihr auch erst dann tun, so Ich zuvor werde die Anstalt besucht haben. Heute aber werde Ich die Anstalt noch nicht besuchen.«

09] Darauf erhoben sich die beiden Griechen, dankten Mir nochmals und begaben sich hinab zu ihren Gefährten, die sie schon zu suchen angefangen hatten. Wir aber blieben bis zum vollen Mittag auf dem Berge und besprachen uns über die Wirkungen des Glaubens und der wahren, reinen Liebe zu Gott und zum Nächsten.

10] Es fragte Mich aber im Punkte der Nächstenliebe unser Markus, sagend: »Herr und Meister, soll man auch gewissen bekannten Lumpen und Verschwendern, die ihr Vermögen zumeist auf eine ärgerlich sündige Weise vergeudet und verpraßt haben, die Nächstenliebe erweisen, und auch unsern offenbaren Feinden?«

11] Sagte Ich: »Ihr sollt in der Erweisung der Nächstenliebe keine Ausnahme machen, sondern jedem Gutes erweisen; denn wer da eine Ausnahme macht, bei dem werde auch Ich allerlei Ausnahmen machen.

12] Wenn jemand in einer Not steckt und zu euch kommt, so erweist ihm die Nächstenliebe entweder geistig oder auch materiell; die geistige Nächstenliebe aber soll der materiellen vorangehen!

13] Habt ihr einen Sünder bekehrt, und er steckt in einer irdischen Not, so helfet ihm auch aus dieser. Hat er darauf abermals gesündigt, so ermahnet ihn in Liebe und werdet ihm nicht feind! Denn mit welchem Maße ihr in Meinem Namen ausmessen werdet, mit demselben Maße wird es euch wieder zurückgemessen werden!

14] Richtet niemanden, so werdet auch ihr dereinst nicht gerichtet werden. Also verdammet und verfluchet auch niemanden, auf daß dereinst auch ihr nicht verdammt und verflucht werdet!

15] Denen, die euch Arges tun, erweist Gutes und ihr werdet eben dadurch glühende Kohlen über ihre Häupter streuen und sie zu euren Freunden machen. Also segnet auch die, welche euch hassen und fluchen, und sie werden zur Reue gelangen. Vergebet euren Feinden siebenmal siebenundsiebzig Male; werden sie dadurch nicht besser, so könnt ihr die Sache bei einem Weltrichter anzeigen, und der unverbesserliche Feind soll aus der Gemeinde gestoßen werden. Denn wer da unverbesserlich Arges tut, der soll auch gezüchtigt werden, auf daß durch ihn die Nebenmenschen nicht länger geärgert werden.

16] Darum seid auch der weltlichen Obrigkeit stets untertan, ob sie mild oder strenge ist; denn sie hätte keine Macht, so sie ihr nicht der vielen unverbesserlichen Sünder wegen von oben verliehen wäre!

17] Aber ihr sollt darum nicht klagsüchtig sein und ohne eine dringende Not nicht zu den Weltrichtern laufen; denn was ihr nicht wollt und wünschet, daß es euch begegne, damit verschonet auch eure Nebenmenschen, solange es möglich ist. Nur offenbare Diebe und Räuber und zu arge Hurer und Ehebrecher mögt ihr den Gerichten überliefern und imgleichen den, der einen Mord begangen hat. Aber ihr sollt dabei nicht erbost werden, sondern nur tun, was da not tut, alles andere überlasst Mir und den Richtern!

18] Siehe, Mein Freund Markus, so ist in diesem Punkte Mein Wille; wer danach tun wird, der wird auch nie einen Mangel Meines Segens haben.«

19] Markus und alle dankten Mir für diesen Rat.

20] Es kam aber nun ein Diener und zeigte uns an, daß das Mittagsmahl fertig sei, und wir erhoben uns und gingen hinab ins Haus.



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