Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 197. Kapitel: Vom Feiertag halten. Fragen und Bedenklichkeiten der Jünger betreffs der Essäer.

01] Als der Morgen kam, da war Ich mit den Zwölfen schon wieder auf den Füßen und sagte zu Petrus: »Was dünkt dich, da heute der Vorsabbat ist, auf den die hier in diesem Orte wohnenden Altjuden große Stücke halten, - soll Ich heute arbeiten zum Wohle der Menschen, oder sollen wir diesen Tag über feiern?«

02] Sagte Petrus: »Herr, wie soll ich als ein schwacher, sündiger Mensch Dir da einen Rat geben können? Denn Du allein weißt es am besten, was da; Rechtens ist! Es ist aber die Sonne noch nicht aufgegangen, und Du kannst mit Deinem Willen nun alles verrichten, bevor noch die Sonne diesen Ort beleuchten wird, und wir können dann, um den Altjuden kein Ärgernis zu geben, diesen Vorsabbat feiern bis zum vollen Untergange. Das Reden und Lehren aber verbietet dieser Tag ja nicht, obschon die Juden auf ihn darum große Stücke halten, weil sie des Glaubens sind, daß eben dieser Tag des Moses Geburtstag sei.«

03] Sagte Ich: »Das eben ist es, warum Ich mit euch nun rede, und frage denn auch euch, ob ihr selbst auf des Moses Tag etwas haltet?«

04] Sagte Petrus: »Herr, wir halten auf die Lehre Mosis, aber auf seinen Tag selbst halten wir nichts, da es ja doch nicht erwiesen ist, ob das wohl des großen Propheten Tag ist!«

05] Sagte Ich: »Es ist zwar dieser Tag wohl der Tag des Propheten, aber das soll uns nicht im geringsten beirren, eben heute so tätig als möglich zu sein, um die alten Traumdeuter aus ihrem Wahne zu wecken und ihnen ihre Torheiten anschaulich zu machen. Gehen wir nun wieder ins Freie und lassen alle die andern noch ruhen, und wir werden sehen, was sich heute alles wird machen lassen!«

06] Damit waren die Jünger zufrieden, und wir begaben uns sogleich ins Freie auf einen Hügel, von dem aus man ganz Essäa übersehen konnte und die weitläufigen Mauern und Burgen der Essäer. Von dem Hügel aus sah man auch die Straßen, die von vielen Seiten nach Essäa führten, und auf den meisten sah man viele Menschen nach diesem Orte ziehen, wo sie Hilfe suchten. Und so kam bald viel Volk in diesen Ort; doch unsere Herberge ward für uns frei erhalten.

07] Wir betrachteten eine Weile die Zuzüge der Menschen nach dem Orte, und es kam das Weiterkommen den Jüngern sehr saumselig vor.

08] Und der Jünger Simon und Jakobus der Größere sagten: »Herr, mit solch einer Vorwärtsbewegung brauchen diese Menschen von da bis nach Jerusalem sieben bis acht volle Tage zu wandeln, während wir mit dem Zwischenaufenthalt nur zwei Tage bis hierher benötigt haben. Wie konnten denn wir so bald hierher kommen, und andere Menschen, die sich dazu noch von den verschiedenen Lasttieren tragen lassen, brauchen dazu eine auffallend längere Zeit? Sind wir denn zuweilen von unsichtbaren Mächten getragen worden?«

09] Sagte Ich: »Es dürfte bei uns auf den einsamen langen Wegstrecken wohl dies der Fall gewesen sein, wie das auch der Fall war, als wir das weite Gebiet am Euphrat und das obere Syrien durchzogen haben; denn mit der gewöhnlichen Fußbewegung hätten wir eine viel längere Zeit zu jener Reise benötigt. Wenn ihr einst in Meinem Namen reisen werdet, so werdet ihr euch auch mit größerer Schnelligkeit bewegen können über öde und weite Erdstrecken, allwo keine Orte sind und keine Menschen wohnen.«

10] Hierauf fragte Andreas, sagend: »Herr, wenn ich die Menschen, die schon seit sicher mehreren Tagen sich hier aufhalten der Hilfe wegen, zu all diesen Neuzuziehenden zusammenzählen könnte, so möchte das wohl die Zahl von mehreren Tausenden sein! So Du nach Deiner Liebe und Erbarmung da jedem helfen wirst, der bei Dir Hilfe suchen wird, so werden wir hier viele Tage zu tun bekommen; denn diese hier Hilfe suchenden Zuzüge sind nach meiner Erfahrung beinahe alle Tage gleich. Es wird den Essäern dafür immer auch schwer zu helfen sein; denn sie sind zu einem allverbreiteten Weltrufe gekommen, den nun auf einmal zu vertilgen eine schwere Sache sein wird.«

11] Sagte Ich: »Du denkst und sprichst wohl nun noch also wie ein gewöhnlicher Mensch! Hast du denn nicht vernommen, was Ich gestern dem Obersten der Essäer verheißen habe? Habe Ich euch allen, als Ich euch einmal vor Mir in die Welt sandte, doch auch die Macht erteilt, die Kranken zu heilen, die bösen Geister auszutreiben und den Armen das Evangelium zu predigen, - und ihr habt euch von der Wahrheit der von Mir empfangenen Macht vielfach tatsächlich überzeugt, da ihr durch das Auflegen eurer Hände in Meinem Namen alle Krankheiten habt heilen können, bis auf den mondsüchtigen Jüngling wegen Mangel des rechten Glaubens.

12] So Ich euch aber solch eine Macht habe erteilen können, soll Ich sie nicht auch den Essäern erteilen können, da sie sich doch allerernstlichst vorgenommen haben, Mir auf Erden eine Himmelsburg, frei von allen Weltinteressen, aufzumauern? So sie aber eine solche Macht von Mir überkommen werden, und eigentlich schon überkommen haben, so werden sie auch nicht nötig haben, ihren alten Weltruf zu vertilgen, wohl aber selben in ein anderes und wahres Licht zu stellen; und wir werden uns demnach auch nicht lange hier aufzuhalten nötig haben, um etwa allen diesen vielen Hilfesuchenden - als etwa jedem einzeln - zu helfen. Es wird ihnen schon damit auch von Mir aus geholfen werden, so ihnen die Essäer in Meinem Namen allzeit werden helfen können. Und siehe, da war deine Sorge eine eitle!

13] Es mögen nun nur recht viele eben bei dieser Gelegenheit in diesen Ort kommen, damit sie von der neuen und wahren Einrichtung dieses Ortes Kenntnis erhalten! Durch sie wird dann dieser Ort bald und leicht und weit- und breithin im wahren Lichte bekannt werden, und es wird gar nicht nötig sein, von da in alle Weltgegenden Boten auszusenden, die die irrwähnigen Menschen von ihrem alten Aberglauben zu befreien hätten. Wenn die Sache sich aber also und nicht anders verhalten wird, so haben wir von den vielen Zuziehenden eben gar nichts zu besorgen.«

14] Sagte hierauf Petrus: »Herr, das, was Du nun geredet hast, ist klar, und wir alle sind von der vollen Wahrheit mehr denn lebendigst überzeugt, daß es also gehen wird! Aber wie wird es mit der Erweckung der vielen toten Kinder und anderer Menschen aussehen? Denn werden diese nicht erweckt, so werden die Essäer dennoch ihre alte Not haben; werden sie aber, was Dir freilich möglich ist, erweckt, so werden dann bald noch mehrere mit ihren Toten hierherziehen und diese nun bekehrten Essäer nötigen, ihre Toten wieder zu erwecken. - Wie wird nun das zu verhindern sein?«

15] Sagte Ich: »Auch dafür wird gesorgt werden, und ihr alle habt euch darum nicht zu sorgen und zu kümmern! Es ist aber gut, daß dieser Ort so ganz abgeschieden von anderen Orten ist und sich darum hier auch so manches wird tun lassen, wozu andere Orte in dieser Zeit nicht geeignet gewesen wären. Und so wird sich auch dies, aber zum letzten Male, mit den Toten tun lassen. Wie und auf welche Weise, das weiß schon Ich, und ihr habt euch denn auch darum nicht zu kümmern!«

16] Mit dem waren Meine alten Jünger denn auch zufrieden; nur der Judas Ischariot wollte noch einiges bemerken.

17] Aber es fiel ihm gleich unser Thomas ins Wort, sagend: »Der Herr hat geredet, und darauf haben wir erst dann zu reden, wenn wir von Ihm gefragt werden, sonst aber haben wir nur zu schweigen und zu horchen!«

18] Sagte Judas Ischariot: »Warum reden denn die andern, die dazu doch auch nicht von Ihm aufgefordert sind?«

19] Sagte Thomas: »Das geht uns beide wieder nichts an; denn wir können es nicht wissen, ob sie nicht innerlich dazu vom Herrn aufgefordert worden sind. Denn in des Herrn Gegenwart geschieht nichts irgend so ganz ohne Seinen Willen, da Er auch der Herr unserer Gedanken, Wunsche und Begierden ist und auch fortan bleiben wird. Dem aber wird es nicht wohl ergehen, der des Herrn Stimme und Willen im eigenen Herzen nicht achtet und, so er das wohl vernimmt, sich nicht danach richtet. Das ist so meine Ansicht, die mir aber auch der Herr in mein Herz gelegt hat; denn wir Menschen vermögen aus pur unserem Wesen nichts wahrhaft Gutes zu denken und auszusprechen.«

20] Darauf sagte Judas Ischariot nichts mehr und betrachtete mit uns die ziemlich öde Gegend, die aber durch die zahlreichen Menschenzuzüge nun doch sehr belebt war und daher, als an einem heiteren Morgen, immer recht erquicklich anzusehen war.



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