Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 192. Kapitel: Jesus in der Herberge zu Essäa.

01] Darauf begaben wir uns eiligen Schrittes auf den Weg und gingen wieder auf dem Wege weiter, auf dem wir gestern nach Jericho gekommen waren. Kado gab uns das Geleit bis zur Brücke über den Jordan, wo sich der Weg teilte; denn von da führte der alte nach Jerusalem, und ein neuer führte von da in der Richtung nach Ägypten zu dem Orte Essäa, der von hier noch eine gute Tagereise entfernt war. Dahin zog denn nun auch Ich, wie Ich vor einem Tage den Essäern versprochen hatte. Der Weg dahin führte über manche wüste Stätte und mundete den Jüngern nicht besonders; aber sie murrten dennoch nicht, obschon wir auf diesem Wege Hitze und Durst zu erleiden bekamen, da es auf dieser Strecke keine Herberge gab und wenig gute Quellen. Spät am Abend hatten wir Essäa erreicht. Im Orte Essäa gab es der Herbergen in Menge, weil dieser Ort von vielen Fremden stets reichlichst besucht ward aus schon bekannten Gründen.

02] Wir traten gleich in die nächste beste Herberge, und der Wirt nahm uns auch sogleich sehr freundlich auf und fragte uns, womit wir bedient sein möchten.

03] Und Ich sagte: »So wir Brot, Wein und etwas Salz haben, dann haben wir schon, was uns not tut!«

04] Und der Wirt ließ sogleich einen großen Tisch herrichten, ließ Brot, Wein und Salz aufsetzen in rechter Menge, und wir, als von der weiten Reise sehr ermüdet, setzten uns sogleich an den Tisch, und Ich nahm die etlichen Laibe Brot, segnete sie, zerbrach sie dann, und die Jünger verteilten sie dann unter sich und aßen und tranken. Und wir wurden alsonach bald gestärkt, und die Müdigkeit wich denn auch mehr und mehr von unseren Gliedern.

05] Als wir uns so nach einer halben Stunde mit Brot und Wein recht wohl gestärkt hatten, da fragte Mich der Wirt, ob wir auch Fleisch und Fische essen möchten, da er alles das vorrätig habe.

06] Ich aber sagte: »Wir alle haben uns nun hinreichend gestärkt und haben noch Brot und Wein genug auf dem Tische vor uns. Morgen werden wir schon auch Fische zu uns nehmen. So du Mir aber schon einen Gefallen erweisen magst, da entsende einen Boten in die Burg der Essäer, und der soll ihnen sagen: "Der Herr ist in deiner Herberge mit Seinen Freunden angekommen!" Das genügt, und die Essäer werden alsbald hierher kommen mit vielem Jubel und großer Freude.«

07] Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da begab er sich sogleich hinaus zu seinen Dienern und entsandte einen sogleich in die Burg, die diesmal noch offen war, weil eine Menge Fremder von allen Gegenden der Welt mit allerlei Kranken und auch mit etlichen toten Kindern angekommen waren und die Essäer baten und beschworen, daß sie ihnen helfen möchten. Die Essäer aber brachte das nun schon in Verzweiflung; denn je mehr sie den Bittenden erklärten, ihren Bitten für diesmal nicht nachkommen zu können und zu dürfen, desto mehr drangen die Fremden in sie. Und so blieb die Burg denn auch länger offen, und der vom Wirte entsandte Bote konnte ganz ungehindert zu den Essäern gelangen.

08] Als er von einem der Ersten Essäer befragt wurde, was es gäbe, da sagte der Bote sogleich, was er zu sagen hatte, und entfernte sich dann auch sogleich wieder. Als der Essäer das vernommen hatte, verkündete er es sogleich seinen Brüdern, und aller Gesichter wurden sogleich heiter.

09] Es hatten aber diese Botschaft auch mehrere Fremde vernommen, und die fragten die nun ganz heiter gewordenen Essäer, was es gäbe, wer der angekündigte Herr sei, und wer seine Freunde wären.

10] Die Essäer aber sagten: »Heute ist keine Zeit mehr, euch dies große Geheimnis zu verkünden; morgen aber wird alle Kreatur hoch erstaunen aber die Macht und Weisheit dieses Einen Herrn!«

11] Damit gaben sich die Fremden zufrieden, verließen die Burg und begaben sich in die Herbergen. Die Essäer aber eilten darauf selbst in die Herberge, in der Ich Mich befand, und als sie Meiner ansichtig wurden, da entstand ein großer und freudigster Jubel unter ihnen. Sie konnten Mir nicht genug danken, daß Ich nach Meinem Versprechen zu ihnen gekommen sei, und baten Mich denn auch, daß Ich Mich samt allen Meinen Jüngern mit ihnen in die Burg begeben möchte.

12] Ich aber sagte: »Wo Ich einmal eingekehrt bin, da bleibe Ich denn auch! Bleibt lieber ihr hier bei Mir, - das wird euch heilsamer sein! In die Burg aber werde Ich weder heute noch morgen kommen; denn was Ich euch tun werde, das werde Ich hier offen tun vor aller Welt Augen und Ohren; denn alle sollen das große Zeugnis Gottes aus Meinem Munde vernehmen!«

13] Darauf dankten Mir aus voller Brust die Essäer und sagten zum Wirte, daß er nun alles, was er als Bestes und Ausgezeichnetstes in seiner Herberge besitze, auf den Tisch bringen solle.

14] Ich aber sagte: »Wozu das? Wir haben uns schon mit Brot und Wein hinreichend gestärkt; tut dafür lieber den armen Fremden etwas Gutes!«

15] Sagte der Erste der Essäer: »Herr und Meister! Die Armen haben wir immer in großer Anzahl bei uns und versorgen sie auch, und die nun in diesem unserem Hauptorte sich befinden, sind auch schon versorgt, - Dich aber haben wir nicht immer bei uns, und so ist es denn auch nun recht und billig, daß wir unsere möglich größte Liebe, Freundschaft und Hochachtung vor allem Dir bezeigen!«

16] Und Ich sagte darauf: »Da tut nun immerhin, was euch das Herz gebietet!«

17] Da ward es gleich sehr lebendig in der Herberge, und auf unserem Tische befanden sich bald gar köstlich zubereitete Fische und auch andere Speisen. Ich Selbst nahm nur etwas von den Fischen; aber Meine Jünger nahmen auch noch andere Speisen zu sich, sowie auch die Essäer.

18] Und es ward auch noch Wein genommen, aber mit Ziel und Maß; denn der Wein war stark. Und so sagte Ich denn auch zu den Jüngern: »Seht zu, daß ihr euch nicht betrinkt! Denn ihr wisst es, daß die Trunkenheit ein Laster ist, denn sie schwächt Herz und Seele und erzeugt im Fleische den Geist der Unzucht und Geilheit. Eine betrunkene Seele wird schwer ins Reich Gottes eingehen!«

19] Diese Worte wirkten bei den Jüngern und bei den Essäern, und alle genossen darauf Speise und Wein in aller Mäßigkeit.

20] Es ward aber bei Tische viel geredet von allerlei guten Dingen und Begebenheiten, sowohl von seiten Meiner Jünger als auch der Essäer. Ich aber redete wenig, weil Ich Mich vor dem Wirte, seinen Leuten und auch vor mehreren Fremden, die aus Neugier auch in unser Speisezimmer kamen, nicht vor der Zeit zu sehr enthüllen wollte.

21] Unter den Fremden aber befand sich auch ein junger Ägypter, der sich bei einem Falle von einem Baume vor ein paar Jahren einen Fuß gebrochen hatte und nun nur mit Hilfe der Krücken sich mühsam fortbewegen konnte und dabei große Schmerzen litt. Seine Eltern brachten ihn denn auch zu den Essäern und zahlten für ihn die Pflege, auf daß er von den Essäern geheilt werde. Er befand sich aber schon ein halbes Jahr in der Pflege; aber sein Übel blieb unverändert.

22] Dieser Mensch betrachtete Mich unverwandt und faßte am Ende den Mut, Mich anzureden, und er bewegte sich zu Mir hin und bat Mich, ob er mit Mir nur wenige Worte reden dürfte.

23] Und Ich sagte zu ihm: »Was willst du denn, das Ich dir tun soll?«

24] Sagte der Junge: »O du guter Herr, als ich dich betrachtete eine Weile, da ward es wie glühend in meinem Herzen, und ich vernahm eine Stimme in mir, die da sagte: "Nur dieser allein kann dir helfen!" Auf das faßte ich dann den Mut, mich sogleich an dich zu wenden und dich auch zu bitten, daß du mir helfest. Denn ich glaube fest, daß du allein mir Armem helfen kannst!«

25] Sagte Ich: »Nun denn, - so du glaubst, da geschehe dir nach deinem Glauben! - Aber so du geheilt bist, da schweige heute davon, auf daß im Orte kein Auflauf geschehe!«

26] Auf diese Meine Worte ward der junge Mensch plötzlich derart gesund und so völlig geheilt von seinem Übel, daß er seine Krücken ganz zur Seite stellte und frei im Zimmer sich bewegte.

27] Er konnte sich aber vor lauter Dankgefühl nicht helfen und trat zu Mir hin und sagte mit Dankestränen in seinen Augen (der Geheilte): »O du wahrer und mächtigster Wunderheiland! Das geht denn doch nicht, daß ich dir für deine mir nun erwiesene Wohltat erst morgen danken soll! Mögen die hier Seienden einen oder keinen Auflauf machen, so gebietet es mir nun mein Herz, dir aus der vollsten Brust offen zu danken, daß du mich nun so urplötzlich geheilt hast.«

28] Sagte Ich: »Lasse du das nun nur gut sein, denn dein stiller Dank im Herzen ist Mir um gar vieles lieber und angenehmer als tausend der lautest ausgesprochenen Worte. Morgen kannst du zu den Fremden, die dich kannten, schon auch laut werden.«

29] Mit dem stellte sich der junge Mensch zufrieden und begab sich wieder an seinen früheren Tisch, und ließ sich nun auch Brot und Wein geben und ward voll heiteren Mutes; denn den Wein hatte er schon längere Zeit nach dem Rate der Ärzte meiden müssen.

30] Es fiel aber dem Wirte, seinen Leuten und mehreren hier anwesenden Fremden diese plötzliche Heilung dennoch sehr auf, und sie befragten den Geheilten, was Ich etwa so ganz geheim ihm getan habe, wodurch er geheilt worden wäre.

31] Er aber sagte (der Geheilte): »Waret ihr ja doch selbst hier im Zimmer und habt gehört, wie er zu mir also gesagt hat: "Dir geschehe nach deinem Glauben!" Und ich ward bei diesen seinen Worten wie durch einen Zauberschlag geheilt und bin nun so gesund, wie ich es zuvor niemals war. Das ist alles, was ich weiß und euch sagen kann; wollt ihr ein mehreres wissen, da fragt ihn selbst!«

32] Als der Wirt das vernommen hatte, da ging er hin zum Jünger Andreas, den er erkannt hatte, und fragte ihn um so manches über Mich; aber Andreas beschied ihn auch auf den nächsten Tag und machte Mich nicht ruchbar vor der Zeit.



Home  |    Index Band 8  |   Werke Lorbers