Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 181. Kapitel: Naturphilosophische Ansichten als Erklärung.

01] Als der alte Diener an Meinem Tische sich befand, da fragte er alsbald den Kado, was es gäbe, und ob er nun etwas zu tun bekäme.

02] Sagte Kado: »Alter Freund! Du weißt es, warum ich im eigentlichen Griechenlande alles, mit Ausnahme der Besitzungen auf Patmos, verkauft habe, und du weißt es auch, daß ich dazu hauptsächlich durch die gewissen Erscheinungen und durch den Traum unseres alten Priesters veranlaßt wurde. Wir haben die gewissen Gottmenschen denn auch mit allem Eifer gesucht, dessen du auch ein treuer Zeuge bist; wir haben auch weit und breit von ihnen reden hören, und besonders von Einem - dem guten Heilande aus Nazareth in Galiläa, dessen Mutter und Brüder wir gesehen und gesprochen haben, kurz, wir fanden tausend und abermals tausend Zeugen, - nur nicht ihn selbst!«

03] Hier fiel der alte Diener dem Kado in die Rede und sagte: »Ja, nur ihn selbst haben wir noch nicht gefunden, und das ist das eigentliche Traurige an der ganzen Sache! Das Lichtwölkchen, das wir auf Patmos drei Abende hindurch gesehen und zwei Male sogar wundersamsterweise auch gesprochen haben, will sich auch in diesem Lande, von dem aus es zu uns kam, nicht auffinden oder irgendwo sehen lassen!

04] Ja, liebe Freunde, voll Wunder und Herrlichkeiten ist die ganze Erde und legt damit zahllos viele Zeugnisse ab, daß es nur einen höchst guten, weisen und allmächtigen Gott als Schöpfer und Regierer geben müsse! Alles findet der Mensch mit seinem Eifer, mit seiner Liebe und mit seinem Verstande, nur den Schöpfer, der doch überall daheim zu sein scheint, findet er nicht, und ruft er Ihn, so meldet Er Sich nicht, obschon alles, was man ansieht, Seine stete Gegenwart zu verkünden scheint. Und so, Freund Kado, werden wohl auch wir den Gottmenschen suchen und nicht finden, wie es uns bisher ergangen ist. Aber darum sollen wir das Suchen dennoch nicht aufgeben; denn aus dem Lichtwölkchen haben wir vernommen, daß wir suchen sollen, und wir werden unser Heil finden!

05] Eines von mir hier klar empfundenen Umstandes aber muß ich dennoch ganz unverhohlen Erwähnung tun. Du weißt es, wie auf Patmos das Lichtwölkchen in uns ein eigentümliches Unsterblichkeitsgefühl erweckte, das sich aber nach und nach leider wieder verlor, - und nun, als ich in dieses Zimmer trat, bemächtigte sich meiner dasselbe Gefühl. Das Wölkchen kann uns darum nicht ferne sein! Was fühlst du, Freund Kado, und was meinst du?«

06] Sagte Kado: »Ja, da hast du nun ganz recht geurteilt. Wir alle empfinden dasselbe und werden es von nun an auch fortwährend empfinden; denn was wir suchten, das haben wir denn hier auch gefunden! Siehe an den Mann, der mir zur Rechten sitzt, der hat offenbar das Wölkchen zu uns gesandt!«

07] Als der alte Diener das vernahm, da sah er Mich voll Ehrfurcht an und sagte: »O du große Gnade und Erbarmung an uns armes, schwaches und sündiges Menschengeschlecht! Hätte mir das nicht Kado, der Treue und allzeit Wahrhaftige, gesagt, so würde ich das schwer glauben; aber so glaube ich es und begreife nun das von neuem in mir wiedererwachte Unsterblichkeitsgefühl.

08] Also Du bist es, dessen Geist, Liebe und Wille uns auf der einsamen Insel in der Gestalt eines Lichtwölkchens dreimal heimsuchte? Wem anders als nur Dir allein können wir danken, daß Du Dich von uns endlich hast finden lassen?! Da wir also aber nun Dich Selbst gefunden haben, so haben wir aber auch alles gefunden, was ein Mensch nur je als Erstes, Größtes, Glücklichstes und Erwünschtestes finden kann. Ich kann nun nicht mehr reden, denn mein Herz ist zu glücklich und selig geworden.«

09] Diese Worte des alten Dieners machten ein großes Aufsehen, und alle anwesenden Griechen und Juden fingen darauf an, Mich mit ganz anderen Augen zu betrachten, und sagten unter sich: »Da ist mehr denn ein mächtiger Nachkomme Davids!«

10] Darauf wandte sich Kado wieder an Mich und sagte: »O Du lieber Heiland, Herr und Meister, was hat es nun mit dem Lichtwölkchen für eine Bewandtnis?«

11] Sagte Ich: »Darüber brauche Ich euch jetzt keine großen und weiten Erklärungen mehr zu machen, denn dein alter Diener hat es dir bereits schon erklärt. Bin Ich auch hier nun körperlich unter euch, so bin Ich aber im Geiste durch Meine Liebe und Meinen Willen dennoch überall gegenwärtig.

12] Es hat aber der alte Priester wohlgetan, daß er mit vielem Eifer den Götzendienst abbrachte (abschaffte) und die Menschen an nur einen wahren Gott zu glauben treu und wahr belehrte; der große Lohn im Himmel wird ihm dafür werden. Wie ihr Mich aber nun seht und sprechet körperlich, so sieht und spricht Mich nun auch der alte Priester im Geiste und zeichnet sich die Worte auf in ein Buch. So ihr wieder nach Patmos kommen werdet, da werdet ihr das aus seinem Munde vernehmen, und ihr mögt es dann ihm verkünden, daß Ich hier solches zu euch geredet habe. Wer an Mich glaubt: und tut nach Meiner Lehre, der wird das ewige Leben ernten.

13] Wohl gibt es nun viel Elend und allerlei Not unter den Menschen auf dieser Erde. Es gibt allerlei leibliche Krankheiten, die sich die Menschen selbst zumeist dadurch bereitet haben, weil sie die ihnen von Gott aus treu geoffenbarten Lebenswege verließen und durch ihre stets steigende Liebe zur Welt, zu ihrem Gerichte und Tode eben auch auf den Wegen der Welt, ihres Gerichtes und Todes zu wandeln begannen und daher denn auch notwendig all das viele Elend und alle Not über sich brachten.

14] Und es gab, es gibt jetzt, und es wird auch fürderhin geben solche Weltweise, die da sagen: "Es gibt keinen Gott! Gott ist nichts denn eine alte Fabel, welche irgend klügere Menschen einmal in einer Urzeit ausgeheckt haben, um die andern Menschen sich dienstbar und untertänig zu machen. Die Welt und alles in ihr ist zwar klug und weise und gut eingerichtet; so aber alles das irgendein von den Menschen erdichteter Gott, als in der Wahrheit bestehend, also erschaffen hätte und den Menschen als Sein sicher edelstes Geschöpf aber dabei nur darum ins Dasein gerufen hätte, damit er von der Geburt an nichts als leiden und dulden solle, so höbe dies Gottes Weisheit und Seine dieser nächst verbundene Güte und dadurch auch Ihn Selbst auf, denn ohne Weisheit gibt es keine Macht und ohne Liebe und Güte keinen Willen, je etwas in ein glückliches Dasein zu rufen."

15] Es sei demnach alles durch die Kraft der Erde, der Sonne, der Elemente und der Planeten und all der andern Gestirne entstanden. Diese seien in sich noch ganz derb und roh und nähmen erst in ihren Produkten eine Art Sänftung und Bildung an; aber alle die noch so geschmeidigen Produkte seien am Ende denn doch noch viel zu schwach, um sich gegen die große Derb- und Roheit der vorbenannten Urkräfte zu behaupten, und sie müßten es sich am Ende gefallen lassen, von denselben vernichtet zu werden. Glücklich und weise könne nur der Mensch genannt werden, der es verstehe, sich die Spanne Lebenszeit so angenehm als möglich zu machen und als ein Weltkluger im ewigen Nichtsein das größte Glück zu suchen. Und darin liegt denn auch der Sinn, nach dem einer eurer Weltklugen sagte: "Gehe hin und iß, trinke und tändle; denn nach dem Tode gibt es kein Vergnügen!"

16] Seht ihr, als nun hier Meine lieben Freunde, daß auch die Weltklugheit eurer Philosophen Mir gar wohl bekannt ist und schon gar lange nur zu wohl bekannt war? Und Ich sage es euch, daß es unter allem Elende und unter aller Not der Menschen nichts Ärgeres gibt als die geistige Blindheit der Menschen. Denn aus ihr entspringen notwendig alle anderen Übel unter den Menschen und werden auch so lange bestehen, als es Epikure geben wird in allen Gemeinden der Menschen; denn der Naturweltsinn solcher Weisen verdirbt nur zu bald durch sein sehr anlockendes Beispiel viele Tausende von Menschen.

17] Denn ein Teil fängt an, alle Mittel aufzubieten, um selbst nach der Weise Epikurs ein Leben führen zu können; ein anderer und stets größerer Teil aber muß dabei offenbar in die größte physische und noch größere geistige Not versinken, und alles Elend und alle Not ist dann auf der Erde unter den Menschen fertig.

18] Wenn aber also, kann da Gott dafür, so die Menschen im Besitze ihres vollkommen freien Willens sich von Gott abwenden und ein Leben nach ihrer Weltliebe führen? Oder sollte Gott, als infolge Seiner Liebe, Güte, Weisheit und Macht, etwa stets all das Elend und alle die Not unter den Menschen nicht bestehen lassen? Hört, so Gott das nicht zuließe, da würde es ehest noch greulicher unter den Menschen aussehen, als es nun aussieht! Was würde da mit der Zeit aus den Menschen werden? Nichts als ein rohestes und vollends geist- und lebensloses Klotzwerk gleich den heidnischen Götzen aus Stein, Metall und Holz!«



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