Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 178. Kapitel: Das zweite Erscheinen des Wölkchens.

01] (Kado:) »Am nächstfolgenden Tage, als wir wieder hinab in unser Dorf kamen, um unsere Geschäfte und Arbeiten zu leiten und zu ordnen, da kamen auch schon drei große Schiffe in unserem Hafen an, um wie gewöhnlich hier Wein und Süßwasser zu nehmen. Sie kamen von Sizilien und erkundigten sich angelegentlich, mit welchem Lichtstoffe wir unseren Turm auf eine Zeitlang beleuchtet hätten. Sie hätten noch nie ein so weißes Licht gesehen; sie wären in der Zeit noch mehrere Stunden Meeresfahrzeit von dem Hafen entfernt gewesen, und es wären ihre Schiffe doch so gut beleuchtet gewesen, daß sie auf ihnen nahezu wie am Tage alles gut hätten ausnehmen können.

02] Also befragten uns auch die Bewohner des Dorfes kreuz und quer, was das für ein Leuchten gewesen wäre. Und mein alter, treuer Diener, der sich nun hier im Hause meines Vaters befindet, weil ich ihn auch auf allen meinen Reisen mitgenommen habe, hatte wieder seinen Mund geöffnet und erzählte den Fragern den Hergang ganz der Wahrheit getreu und gab am Ende auch wieder seine Meinung hinzu; und alle Hörer lobten sehr seine Ansicht.

03] Die Schiffer aber sagten, daß sie sich im Judenreiche, wohin sie ohnehin zuerst zu steuern hätten, über diese Sache allereifrigst erkundigen würden, und so sie etwa in einem halben Jahre wieder hierher kommen würden, so würden sie uns ihre gemachten Erfahrungen getreust mitteilen. Die Schiffer fuhren darauf bald wieder ab, und wir gingen an unsere Geschäfte und Arbeiten, und es ging uns an diesem Tage alles bestens vonstatten, was einem ordentlichen Wunder gleichsah.

04] Daß diesen Tag über noch viel von der vornächtlichen Erscheinung hin und her geredet worden ist, versteht sich leicht von selbst.

05] An diesem Tage begab ich mich mit meinen Hausleuten etwas früher hinauf in unser Turmhaus, erstens, da wir unsere Geschäfte und Arbeiten ach ganz glücklichst eher beendet hatten als sonst, und zweitens, aufrichtig gesagt, um abermals auch an diesem Abende Beobachtungen anzustellen, an nicht etwa wieder so ein Wölkchen von Osten her sich werde sehen lassen. Mein Weib und auch meine Kinder freuten sich sehr darauf.

06] An diesem Abende war das Meer etwas unruhiger als am vergangenen, und die Fischer fuhren mit ihrem Fange denn auch früher nach Hause. Auch ein paar andere Schiffe, die von Süden kamen und dem ziemlich bewegten Meere nicht zu trauen schienen, steuerten unserem sicheren Hafen zu, und die Schiffer hingen bald ihre Fahrzeuge an unsere festen Uferstöcke, was ein sicheres Zeichen war, daß sie, einen Sturm befürchtend, zum wenigsten die Nacht über in unserem Orte verweilen würden.

07] Das Meer ward gegen Abend hin auch stets unruhiger, und so man die Augen in die weite Ferne hinaus richtete, da nahm man auch recht gut wahr, daß das Meer sehr hohe Wogen trieb, darum man auch kein Schiff mehr über den Fluten schwimmend entdecken konnte; denn die Schiffer werden schon am Tage Zeichen bemerkt haben, daß das Meer die Nacht hindurch sehr hoch gehen werde, und hatten darum auch schon frühzeitig irgendeine ruhigere Bucht zu erreichen gesucht.

08] Es waren zwar am ganzen weithin sichtbaren Himmel keine Wolken zu entdecken, und vom Süden her wehte nur ein ganz schwacher Wind; aber es mußten sich unter dem Meere die gewissen Tartaruswinde erhoben haben, die das Meer in eine solche Unruhe versetzten. Wir nennen dergleichen unterirdische Winde Tartaruswinde, weil wir dafür keinen andern Namen haben. Merkwürdig war es aber, daß sich trotz des stets heftiger werdenden Stürmens des Meeres keine Sturmvögel sehen ließen, auch keine Meerkälber ihren solchen Stürmen stets vorangehenden Tanz und ihr lustiges Springen haben sehen lassen. Denn an derlei Meeresungetümen hat es in unserem Meere wahrlich keinen Mangel.

09] Die Sonne fing auch an, ins Meer zu tauchen, und ich befahl den Dienern, die Pfanne zu füllen und anzuzünden, da denn doch noch irgendein größeres Schiff sich auf dem Meere befinden konnte, das in der Nacht dann mehr hätte sehen können, wohin es sich retten könnte. Die große Pfanne ward denn auch bald gefüllt und angezündet und brannte schon vollauf lichterloh, als die Sonne völlig untergegangen war, und es war das gut, da es nachher kaum eine Stunde dauerte, als noch ein großes Schiff, vom etwas heftiger gewordenen Südwinde getrieben, wohlausnehmbar auf unseren Hafen zusteuerte und denselben auch glücklich erreichte!

10] Diese Schiffer, auch aus Ägypten ankommend, um hier unseren Wein zu kaufen, erzählten am nächsten Tage, daß sie eine große Not mit den hochgehenden Wogen zu bestehen gehabt hätten, und daß sie sehr erfreut worden seien, als sie das ihnen schon wohlbekannte Licht von Patmos bemerkt hätten.

11] Wir aber saßen trotz des großen Tobens und Brausens des Meeres ganz wohlgemut auf unserem Söller beisammen und richteten unsere Blicke nach dem Osten, ob nicht etwa das gestrige Lichtwölkchen irgendwo sich wieder möchte sehen lassen. Und es dauerte wahrlich nicht lange mehr, da war das Wölkchen auch schon im weiten Osten wieder ersichtlich geworden und machte die gleiche Bewegung, wie es gestern, wie schon erzählt, der Fall war.

12] Sowie aber das wundersame Wölkchen nur ersichtlich geworden war, da legte sich auch sogleich wunderbar der Sturm des Meeres, und in wenigen Augenblicken ersah man schon wieder die Sterne aus dem ruhigen Meeresspiegel zu uns emporschimmern.

13] Es dauerte denn nun auch gar nicht lange mehr, und das Wölkchen hatte unser Turmhaus umlagert, und das Leuchten kam mir dies zweite Mal noch stärker vor denn das erste Mal; denn das Meer war weit hinaus wie am Tage erleuchtet, was wir wohl ausnehmen konnten, weil diesmal das Wölkchen über unserem Turmhause schweben blieb und dasselbe nicht so wie das erste Mal ganz eingehüllt hatte. Merkwürdig aber war dies zweite Mal auch der Umstand, daß die Flamme in unserer Leuchtpfanne in dem Augenblick völlig erlosch, als das Wölkchen das Haus bis zu seiner halben Höhe herab umhüllt hatte.

14] Diesmal blieb das Wölkchen sicher gut um eine Stunde länger ums Haus als das erste Mal, und uns ward dabei so wohl zumute, als es einem Gotte im Gefühle seiner Macht und ewigen Unsterblichkeit zumute sein kann; denn auch wir fühlten uns als vollends mächtig und unsterblich.

15] Mein alter, getreuer Diener sagte nach einer Weile, ganz zerknirscht vor Ehrfurcht, so vor sich hin: »O du altes, heiliges Götterlicht, das die Urmenschen hell und lebendig erleuchtet und also auch zu ordentlichen Halbgöttern umgewandelt hat, leuchte nun den Sterblichen wieder, und mache also ersticken ihr Weltlicht, wie du ersticken machtest das matte Licht unserer Meererleuchtungspfanne! Dann werden die Schiffer auf dem nur in unserer Nacht tobenden Meere des Erdenlebens Ruhe finden und wieder zu der Einsicht gelangen, warum sie von den hohen Göttern in diese Welt gesetzt worden sind.«

16] Als mein Diener solche Worte sicher ganz vollernstlich ausgesprochen hatte, da vernahmen wir alle ganz klar und deutlich aus dem Wölkchen die Worte: »Suchet, so werdet ihr es auch finden! Das alte Lebenslicht der Himmel soll den Menschen, die eines guten Herzens und Willens sind, wieder von neuem in Überfülle gegeben werden. Von woher aber ich komme, von dorther wird auch bald das große Licht kommen.«

17] Darauf erhob sich das Wölkchen wieder und zog schnell wieder dahin, von woher es gekommen war.

18] Sowie aber das wundersame Wölkchen unseren Blicken wieder völlig entschwunden war, da loderte wieder die Flamme in der Leuchtpfanne von selbst hell auf und leuchtete ganz wohl die ganze Nacht hindurch. Wir aber waren alle zerknirscht, besonders über die deutlich vernommenen Worte, die gewisserart das Wölkchen zu uns gesprochen hatte.

19] Und mein alter Diener sagte: »Oh, was würden nun unsere Weltweisen, die an nichts mehr glauben als nur an ihre Vernunft, dazu sagen, so sie das mit uns hier erlebt und geschaut hätten! Ja, ja, die Menschen, die die Götter und ihr wahres Lebenslicht suchen, mit gutem Herzen und festem Willen, und sich nicht so leicht von allen Weltzweiflern mitreißen lassen, die finden am Ende auch, was sie suchten, - was aber kein Weltweiser findet. Die Götter aber sind dem sicher nicht zugetan, der ihr Dasein leugnet, wir aber wollen von nun an den Göttern von ganzem Herzen stets mehr zugetan bleiben und werden sie auch in das Reich, in dem sie nun als sichtbare Menschen richten, walten und schalten sollen, selbst aufsuchen gehen und werden ihnen dort unsere tiefste Verehrung und einen wahren Opferdank darbringen für die Gnade, daß sie uns auf dieser verlassenen Insel durch das Lichtwölkchen heimgesucht haben!«

20] Wir alle stimmten in die guten Worte unseres Alten, und ich versprach, das selbst zu tun, sobald ich in Athen alles in die nötige Ordnung gebracht haben würde, worüber alle eine große Freude äußerten und ich selbst mich denn auch fest entschlossen habe, meine Handelsgeschäfte in Athen und auch an andern Orten zu verkaufen und dann die Götter aufsuchen zu gehen.

21] Darauf begaben wir uns denn wieder ins Haus und nahmen das schon bereitete Nachtmahl zu uns, was uns diesmal besonders schmackhaft vorkam.«



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