Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 127. Kapitel: Bedenken des römischen Hauptmanns über die Führung der Menschen.

01] Sagte der Hauptmann: »Ja, Herr und Meister, das ist mir nun ganz klar geworden! Der äußere Leibmensch ist sonach der Seele nur als eine Stütze zu ihrer Selbstentfaltung von Gott gegeben und liegt zum größten Teile in der Willensmacht Gottes, ist aber dennoch also eingerichtet, daß sich die Seele seiner auch nach ihrem Willen bedienen kann. Bedient sie sich desselben nach Deinem Willen, den sie aus Deiner Lehre wohl erkennen kann, so gereicht ihr das zum größten Nutzen, da sie sich im Leibe so zum wahren selbständigen und ewigen Leben ausbilden kann; bedient sie sich aber ihres Leibes auf eine Deiner Ordnung widerstrebende Weise, so bringt ihr das ein sicheres und offenbar notwendiges Verderben. Aber da kommen wir nun eben auf einen Punkt, den ich schon lange aus ganz wohl überdachten Gründen bei mir selbst gegenüber einem weisen und sicher allmächtigen Gott und Schöpfer sehr beanstandet habe!

02] Siehe, wie viele tausendmal tausend Menschen sind ohne ihr Verschulden in die dickste Nacht ihrer Seelen geraten und müssen also denn auch alle verkümmern und zugrunde gehen, weil sie vielleicht auch in tausend Jahren noch nicht das Glück haben werden, von Deiner hier ausgesprochenen Lehre auch nur ein Wort zu vernehmen! Wie viele aber sind schon auf der Erde seit sicher vielen Tausenden von Jahren zugrunde gegangen, die von Deiner Lehre nie etwas haben vernehmen können! Dieser lange lichtlose Aktus zum sicheren Untergange so zahllos vieler Seelen kommt mir von seiten einer allgütigsten und weisesten Vorsehung Gottes ganz bedeutend traurig aussehend vor.

03] Es fehlt den Menschen eben nicht am Ernste, auf gar vielen Punkten dieser Erde die Wahrheit zu suchen, wie ich mich davon selbst überzeugt habe, und es fand schon mancher auch so eine Spur davon -, aber wo lag denn die Bestätigung, gültig für den Verstand der Menschen, daß die von einem eifrigen Sucher und Forscher aufgefundene Lebenswahrheitsspur wohl eine ganz rechte war? Man lernte sie kennen, zollte ihr auch den Beifall, aber man kam auch zu andern emsigen Forschern nach der Lebenswahrheit, und man überzeugte sich bald, daß sie auf ganz andere Spuren gekommen waren, die mit der des ersteren gar keine noch so ferne Ähnlichkeit, aber dennoch gar manches für sich hatten.

04] Ja, es besteht wohl kein mir bekanntes Volk auf der Erde, insoweit ich sie kenne, das nicht an irgendeine Gottheit glaubte und hielte, aber wie materiell sind solche Lehren und Begriffe von einem allerhöchsten und weisesten Gottwesen. Aber das eine und sicher nur allein wahre Gottwesen scheint Sich ewig wenig darum zu kümmern, ob da ganze Völker und Geschlechter in der dicksten Irrtumsnacht zugrunde gehen und verderben!

05] Und so kann nun, wie es durch Dich nun hier der Fall ist, die einzig wahre und allerhöchste Gottheit kommen und den vielen tausendmal Tausenden das wahrste Lebenslicht verkünden, und die Menschen werden es im allgemeinen dennoch nicht annehmen, und es werden gar viele sagen: »Waren unsere Vorfahren, die schon lange gestorben sind, denn nicht auch Menschen wie wir? Was haben sie denn verschuldet, daß ihnen die allein und ewig wahr seiende Gottheit das Lebenslicht vorenthielt?

06] Eine wahre Gottheit muß allzeit für eine rechte Erleuchtung der Menschen gesorgt haben; hat sie das aber erweislichermaßen nicht getan, was sie eben jetzt zu tun vorgibt, so ist sie entweder nie eine wahre Gottheit gewesen, oder sie wollte es nicht aus einer gewissen Verachtung der Menschen dieser Erde, die ihr vielleicht nicht zu Gesichte gestanden sind, weil sie vielleicht ebenso nicht geraten sind wie gar viele Früchte, die ein Baum nach der Blüte ansetzt, sie aber aus irgendeinem Mangel des inneren Lebenssaftes nicht ernähren kann und sie zu vielen Tausenden abwirft und am Boden verderben und zertreten läßt, - von welcher sehr unökonomischen Wirtschaft eine allsehende und höchst weise Gottheit etwa auch wissen müßte, sie aber doch duldet und immerfort zuläßt.

07] Ich für mich bin nun wohl höchst ferne davon. Dir mit solchen Bedenken entgegenzukommen, aber ich weiß es, daß sie in den Menschen schon gar alte und tiefgehende Wurzeln getrieben haben, und wir von der Wahrheit Deiner Lehre und vom Dasein der wahren Gottheit in Dir noch so durchdrungenen Menschen werden ohne eine besondere Hilfe von Dir wohl nie imstande sein, alle die tausendmal tausend Irrtümer bei den Menschen segensvoll auszurotten. Denn so wir als selbst nur schwache Menschen ihnen auch allergetreust das kundtun werden, was wir selbst gesehen und gehört haben, - wer wird es uns aber glauben?

08] Also, dazu bedürfen wir denn auch einer besonderen Hilfe für beständig von Dir, o Herr und Meister, sonst ist alle unsere Arbeit und Mühe eine vergebliche, und es ist nach meiner Ansicht besser, die Menschheit auch für alle Zukunft in ihrem finstersten Wahne ebenso verderben zu lassen, wie sie Tausende von Jahren vor uns zugrunde und in ein volles Nichts übergegangen ist. Denn was kann einem allmächtigen und ewigen Gott an einer solchen Welt voll Menschen gelegen sein, und was den zugrunde gegangenen und ewig nicht mehr seienden Menschen an einem Gott?

09] Wenn das ewige Fortleben einer Menschenseele nun allein nur von dem abhängt, daß man um Deine Lehre wisse und dann nach ihr lebe und handle, dann wird es wohl wenig so Glückliche geben, die ewig leben werden! Sollten sich aber die Sachen mit dem Fortleben der Seelen nach dem allzeit etwas grausamen Tode des Leibes anders verhalten, so nehme ich alle meine menschlichen Bemerkungen zurück und will mich gerne eines Besseren belehren lassen.

10] Ich habe nun treu und offen geredet und bin auch bereit, alles mögliche zu tun und zu wirken, um möglichst viele Menschen aus ihrer Todesnacht an den ewigen Tag des Lebens zu stellen; aber ich möchte nun denn auch aus Deinem Munde, o Herr und Meister, vernehmen, wie die Sachen vom Urbeginn an stehen, und was ich zu tun habe. - Ich habe geredet.«



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