Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 117. Kapitel: Der Wirt berichtet vom ersten Besuch Jesu.

01] (Jesus:) »Siehe, Ich war vor einem Jahre hier und habe in der Umgegend viele Lahme, Krüppel und Blinde geheilt! Als Ich dann von da nach Galiläa zog, da ging Mir viel Volkes nach bis nach Kapernaum. Dieses Volk wollte Mich am Wege zum Könige erheben, weil es die Zeichen sah, die Ich gewirkt habe. Als Ich aber in Kapernaum in einer Synagoge sie treu tiefe Worte aus dem Geiste hören ließ, da fingen alle an sich zu ärgern, sagten, das sei eine harte Lehre, wer solle diese hören und verstehen, und verließen Mich und zogen wieder beim. Da du mehrere von jenen kennst und mit ihnen sicher auch so manches darüber wirst gesprochen haben, so möchte Ich es eben von dir nun vernehmen, was diese Menschen nun so von Mir urteilen.«

02] Sagte der Wirt: »O Herr, der Du die Herzen und die Nieren der Menschen prüfest, was soll ich Dir nun noch erzählen können, um das Du etwa nicht um gar endlos vieles besser wüßtest denn ich!?«

03] Sagte Ich: »Ja, du Mein lieber Freund, es handelt sich hier nicht darum, ob Ich das schon zum voraus weiß oder nicht, sondern es handelt sich hier um deine eigene Entäußerung und volle Reinigung deiner Gedanken und Worte, und darum möchte Ich das von dir ausgesprochen vernehmen! Zudem müßten dann alle Menschen vor Mir wie ganz stumm wandeln, da sie, die Mich einmal erkannt haben, das wohl allzeit voraus setzen können, daß Ich um gar alles weiß, was in ihnen vorgeht.

04] Ich aber will, daß auch ihr reden sollt und euch frei entäußern dessen, was in euch ist; und so kannst du dich vor Mir nun in aller Kürze schon auch entäußern dessen, was du von den Menschen so hier und da vernommen hast!«

05] Sagte der Wirt: »Ja, Gott, Herr und Meister, es wäre das schon alles recht, so alles das, was diese Menschen von Dir sagen, ziemlich wäre, es Dir vor diesen Menschen wiederzusagen; aber die Sache steht ein wenig anders!«

06] Sagte Ich: »Stehe sie, wie sie wolle, das macht hier nichts; rede du nur frei heraus!«

07] Sagte abermals der Wirt: »Gott, Herr und Meister! Die Menschen, mit denen ich über Dich sprach, ohne Dich wie nun gekannt zu haben, sagten, daß ein großer Prophet, der zu Jerusalem wie auch in dieser Gegend gar weise Lehren an das Volk gehalten habe, danebst auch solche Zeichen, besonders in der Heilung der Kranken aller Art und Gattung wirke, die vorher wohl nie ein Mensch gewirkt habe. Diese Menschen wurden dem großen Propheten - wie sich Dich nennen - sehr zugetan, folgten ihm auf dem Fuße nach und hatten auch darum eine große Freude an ihm, weil sie gar wohl erkannten, daß er kein Freund der nun schon allgemein verhaßten Pharisäer ist. Bis gen Kapernaum haben sie nichts Anstößiges an ihm gefunden, außer daß er ihnen auf einem Berge, wo er sie zuvor noch wunderbar mit wenigen Broten und Fischlein gespeiset hatte und sie ihn zum Könige ausrufen wollten, durch gegangen ist und seine alten Jünger verlassen hat, aber in später Nacht doch wieder zu ihnen kam, etwa wunderbar auf dem wogenden Meere wie auf trockenem Lande einhergehend.

08] Alle hatten eine große Freude, daß er wieder nachgekommen ist und freuten sich auf den kommenden Tag und auf seine Lehren und Taten. Aber diese anzuhoffenden Freuden seien sehr zu Wasser geworden; denn am nächsten Tage habe er so unsinnige Worte in einer Synagoge zum Volke geredet, daß sich darüber sogar seine alten Jünger sehr geärgert haben und ihn bis auf wenige alle verließen, und so denn alle die von hier ihm gefolgten Menschen. Denn sie sind der festen Meinung geworden, daß er in Wahnsinn verfallen sei; denn er solle in jener seiner Rede ganz vollernstlich alle aufgefordert haben, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken, ohnedem niemand das ewige Leben überkommen könnte; denn er werde nur den zum Leben erwecken am gewissen Jüngsten Tage, der sein Fleisch essen und sein Blut trinken werde.

09] Ja, das ist denn freilich wohl etwas stark, und ich konnte es den sonst für alles Höhere sehr eingenommenen Menschen gerade nicht verdenken, daß sie auf solch eine Predigt durchgegangen sind und noch heute beklagen, daß es Gott zugelassen habe, daß so ein entschieden großer Prophet auf einmal habe irrsinnig werden müssen, dem die Menschen doch schon so viel Gutes zu verdanken haben.«

10] So Du aber schon eine solche Rede gehalten hast, da hast Du auch sicher dadurch den Menschen eine verborgene Wahrheit kundtun wollen nach der Weise der alten Propheten, wie ich das mir freilich erst jetzt vorstelle. Doch so ich auch vor einem Jahre in der Gesellschaft gewesen wäre, so wäre sicher auch ich mit den andern durchgegangen.

11] Aber nun kann ich es mir schon vorstellen, was Du den Menschen damit hast sagen wollen, und ich meine, daß wir nun bald Dein Fleisch und Blut genießen werden materiell, so wie wir nun aus Deinem Munde geistig wahrhaft Dein Fleisch und Blut genossen haben. Und so habe ich denn nun nach Deinem Willen geredet ohne einen Vorbehalt.«

12] Ich belobte nun den Wirt, und alle Anwesenden hatten eine große Freude an ihm, und Meine alten Jünger staunten über seinen Verstand, wie auch die Römer.



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