Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 115. Kapitel: Jesus über die göttliche Führung des Judenvolkes.

01] Hierauf wandte sich Agrikola an Mich und sagte: »O Herr und Meister! Gib Du uns Römern nach Deiner Liebe, Gnade und Gerechtigkeit einen Rat, was in dieser wahrlich sehr argen Sache zu tun wäre zum Wohle dieser Menschen!«

02] Sagte Ich: »Da läßt sich nun nicht viel tun; denn nach euren Gesetzen muß ein Vertrag aufrecht und geltend erhalten werden auf die bestimmte Zeit hin, wenn der Vertragsbesitzer die im selben enthaltenen Bedingungen erfüllt. Aber im Vertrage steht es nicht, daß Herodes die Steuern derer, die sich losgekauft haben und römische Bürger geworden sind, auf die nicht Losgekauften verlegen könne, und so könnt ihr ihm das wohl verbieten. Es hat zwar solches schon der Landpfleger Pontius Pilatus zum Teil getan und hat sich den Herodes dadurch zum Feinde gemacht, aber es wirkte das eben nicht viel, und Herodes tut noch, was er will, und kümmert sich wenig um den Landpfleger; denn er hat ja im Vertrage vom Kaiser die klar ausgesprochene Befugnis, im Lande sich aller Rechte eines Königs insoweit zu bedienen, inwieweit sie nicht den Gesetzen Roms als widerstrebend und mit diesen unvereinbar erscheinen.

03] Nun, nach solch einer ihm erteilten Befugnis, die sicher nicht zu den weise überdachten gehört, kann er gar manche schreiendste Ungerechtigkeit ausüben, und ihr könnt ihn laut eurem Vertrage zu keiner Verantwortung ziehen.

04] Daß er aber nun geizt und das Volk im hohen Grade bedrückt, liegt in dem Umstande, daß er soviel Geldes zusammen bringen möchte, um damit euch Römern das ganze Land, als für alle Zeiten geltend, zu seinem Nutzen und Zwecke abzukaufen, um so ein von euch ganz unabhängiger Herrscher über ganz Judäa zu sein. Er wird es zwar nicht dahin bringen, aber da er einmal diesen Sinn und Vorsatz hat, so handelt er auch also nun, um ihn nach seiner Idee einmal bei gutem Winde aus Rom in Ausführung zu bringen.

05] Ich könnte alles das, wie es nun besteht, wohl mit einem Gedanken ändern, und das ganze Haus des Herodes bis auf seine entferntesten Verwandten bestünde nicht mehr, aber Ich tue das dennoch nicht, weil er als eine Zuchtrute für den Geiz und für die Hoffart des Volkes von Gott zugelassen ist.

06] Denn als die Juden unter den Richtern standen, hatten sie außer dem Zehnten keine Steuern und waren reich und mächtiger denn irgend ein Volk der Erde. Da wurden sie übermütig in ihrem Glanze und wollten einen König haben, der an Glanz, an Pracht und an Macht alle Könige der Erde überträfe. Und es ward ihnen ein König gegeben. Aber mit ihm kam auch alles Elend über das mit der Regierung Gottes unzufrieden gewordene Volk.

07] Da murrten und klagten die Menschen noch ärger denn jetzt, und viele baten Gott um Abhilfe; aber Gott ist nicht ein Wesen, das gleich einem Menschen von heute bis morgen seinen einmal gefaßten Entschluß ändert - denn täte Er das, so bestünde schon lange keine Erde und keine Sonne mehr! -, und so beließ Er denn auch die Juden unter den Königen. Die Könige aber waren so lange weise und leiteten das Volk gerecht, als das Volk selbst gut und weise und gerecht nach den Gesetzen Gottes verblieb. Wie sich aber das Volk unter sich zu übernehmen begann und Hurerei und allerlei Ungerechtigkeit zu treiben anfing, da wurden auch unweise und harte und ungerechte Könige über dasselbe gesetzt.

08] Und als das ganze Judenvolk bis auf nur wenige nahezu ins Heidentum überging, da kam es denn auch in die Gefangenschaft der Babylonier, damit es da erfahre, wie sich's unter der Herrschaft der finstersten Heiden leben läßt. Da erst kehrte das Volk wieder zu seinem alten und allein wahren Gott zurück, und Gott machte es wieder zu einem selbständigen Volke und gab ihm weise und gerechte Lenker.

09] Aber es dauerte abermals nicht lange, und das Volk verfiel in seine alten Sünden und Übel, und Gott stellte es nach und nach also, wie es verdientermaßen nun steht und seufzet und klagt.

10] Und Gott ist nun Selbst zum Volke im Fleische gekommen also, wie die Propheten es geweissagt haben, und will es erlösen und glücklich machen für Zeit und Ewigkeit; aber das große Volk glaubt es nicht, so es auch davon hört und selbst mit den offensten Augen schaut, und verfolgt den allmächtigen Helfer und will von Ihm nichts hören. Darum aber läßt denn Gott auch zu, daß das blinde und arggewordene Volk nach allen Richtungen hin geplagt werde und noch stets mehr geplagt werden wird, und es wird noch kommen, daß es unter alle Völker der Erde zerstreut werden wird und wird kein Land haben, das es sein nennen könnte.

11] Weil das Volk aber nun also ist, so muß es nun auch von den Römern und noch mehr von deren Lehensfürsten geplagt werden. Wer aber da noch weise und gerecht ist und die Gebote Gottes achtet und hält, der wird auch Gerechtigkeit, Gnade und Hilfe finden bei Gott und den Menschen, und die Hab- und Herrschsucht des Herodes wird ihm nichts anhaben können, davon Lazarus und viele andere zeugen können.

12] Wer aber noch gedrückt wird, der wende sich zuerst wahrhaft an Gott und bitte Ihn im Herzen um Hilfe, und es wird ihm geholfen werden, so er sich enthält von allen den vielen Sünden, die unter den Juden nun mehr denn unter den Heiden gang und gäbe sind!

13] Siehe, Freund Agrikola, also stehen die Sachen, und du wirst aus dem Gesagten nun schon entnehmen können, was du in bezug auf den Herodes an tun hast!«

14] Sagte Agrikola: »Ja, Herr und Meister, Du allein Wahrhaftigster und Getreuer, nun weiß ich ganz klar, was mir zu tun übrig bleibt; was Dir, o Herr, recht ist, das ist auch mir recht!«



Home  |    Index Band 8  |   Werke Lorbers