Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 91. Kapitel: Die Berufung eines Schriftgelehrten auf Moses.

01] Nach einer Weile tieferen Nachdenkens erst sagte der Schriftgelehrte: »Herr und Meister, ich habe nun bei mir Deine Worte so gut als möglich erwogen und habe gefunden, daß Du nach den reinsten Menschenvernunftprinzipien ganz recht hast und nach dem, was Du ohne allen Zweifel bist, auch recht haben mußt; aber nachdem in Dir der ewige Geist Jehovas wohnt, Dein Herz Sein Thron ist, und Er aus Dir redet und durch Seinen allmächtigen Willen handelt und die ganze Schöpfung erhält und regiert, so begreife ich nicht, wie Er einst auf Sinai dem Moses die Heiligung des Sabbats gar strenge durch ein eigenes Gesetz mit beigegebener Art und Weise, wie der Sabbat zu heiligen ist, hat geben können? Er hätte damals als Einer und Derselbe ja auch so reden können, wie Du nun klar und weise vor uns geredet hast, und man wäre nie auf eine tatlose und zeremonielle Heiligung des Sabbats verfallen! Ja, man weiß es sogar, daß Juden, die den Sabbat durch knechtliche Arbeit entheiligt haben, von Gott augenscheinlich gezüchtigt worden sind! Warum hat demnach Gott durch Moses nur den Sabbat zu heiligen befohlen und warum denselben nicht so gestellt, wie Du ihn nun gestellt hast? Gott ist ja doch ewig unveränderlich in Seinen Ratschlüssen und kann Seine Worte nicht ändern!«

02] Sagte Ich: »Nun hat der Schriftgelehrte aus dir gesprochen; aber er hat in dieser Sprache auch offen gezeigt, daß er die Schrift noch nie auch nur im geringsten Teile verstanden hat - und am allerwenigsten die Bücher Mosis! Damals war es für die in Ägypten sehr entarteten Juden notwendig, daß ihnen ein Tag zur Rast von der knechtlichen Arbeit und zur Anhörung des Wortes Gottes anbefohlen wurde; denn ohne ein solches Gebot wären sie nach wie vor, wie sie sich's in Ägypten zur Gewohnheit gemacht hatten, wohl an keinem Tage zu einer Ruhe und noch weniger zar Anhörung des Wortes Gottes gelangt. Denn das jüdische Volk war sinnlich und sorgte sich Tag und Nacht um nichts anderes, als wie es sich Mittel verschaffen könnte, um den Bauch mit Fleisch vollzufüllen. Darum gab Gott damals schon einmal aus ganz natürlichen und dann aber auch aus geistigen Gründen einen bestimmten Tag, und zwar denselben, den schon die Urväter zum ruhtag erwählt hatten, den Sabbat nämlich, zur Ruhe und zur Anhörung des Wortes Gottes.

03] Aber das hat Gott in Seinem Sabbatgesetz gar niemandem geboten, daß er am Sabbat niemandem einen notwendigen und guten Dienst erweisen solle. Solch ein Gebot habt erst ihr an die Stelle des mosaischen gesetzt und ließet nur dem auch am Sabbat eine Arbeit und ein notwendiges und an und für sich gutes Werk verrichten, der euch dafür ein starkes Lösegeld und sonstige reiche Opfer dargebracht hatte.

04] So du aber meinst, daß Gott die einmal gegebene Form eines in einer gewissen Zeit notwendigen Gesetzes nicht ändern könne, weil Er in Sich ewig unveränderlich ist, wie habt denn hernach ihr euch die Freiheit zu nehmen getraut, das Gesetz Mosis so arg nach eurem Gutdünken und zu eurem materiellen Wohle umzuändern, daß ihr nun tatsächlich auch nicht ein Häkchen von dem mehr beachtet, was Moses und die Propheten gelehrt und anbefohlen haben?

05] So euch denn die Gesetze Mosis und seine Schriften gar so heilig sind, warum habt ihr denn dann das sechste und siebente Buch Mosis und den rein prophetischen Anhang als unecht seiend verworfen und habt ein anderes Menschenwerk an dessen Stelle gesetzt?

06] War die alte Bundeslade nicht ein Heiligtum allen Juden gewesen? Als aber schon vor dreißig Jahren die Rauch-und Feuersäule ob eurer bösen Taten entfloh und die Lade, von ihrer Kraft verlassen, im Allerheiligsten dastand, da habt ihr sie in einer Kammer aufbewahrt und eine andere, aus der der Fremden wegen ein natürliches Feuer brannte und auch ein natürlicher Rauch aufstieg, an ihre Stelle gesetzt. Warum habt ihr denn das getan? Hat dafür etwa auch Moses ein Gesetz gegeben, in dem es hieße, daß ihr solches tun dürfet?

07] Ja, es haben wohl die Propheten davon geweissagt, daß in der Zeit, die nun vor euch da ist, die alte Lade des Bundes in eine neue und lebendige vor aller Menschen Augen umgewandelt werden wird; aber also, wie ihr es eigenmächtig gemacht habt, haben es die Propheten sicher nie gemeint! Denn wärt ihr aus den Propheten überzeugt gewesen, daß vor dreißig Jahren solches nach dem Willen Gottes zu geschehen habe, so hättet ihr davon dem Volke sicher durch lange Reden verkündet und hättet es auch zu großen Opfern aufgefordert; das aber ließet ihr gar fein und weislich bleiben, und das Volk weiß bis zur Stunde von solcher eurer eigenmächtigen Gebarung nichts.

08] Wisst ihr aber, daß unter der neuen Bundeslade die Propheten nur Mich gemeint haben, - warum verkündet ihr das dem Volke nicht, und warum verehrt ihr an Meiner Statt eurer Hände eitel nichtiges und totes Werk?

09] Ihr berufet euch stets auf Moses und auf die Propheten. So Ich euch nun den rechten und allein wahren Sinn und inneren Geist der Schrift zeige, wie kommt es aber dann, daß in der Tat gerade ihr Templer die größten Leugner Gottes, Mosis und aller Propheten seid?

10] Moses hat aus wohlweisen Gründen das ihm von Gott geoffenbarte Wort und namentlich dessen inneren lebendigen Sinn und Geist in entsprechende Bilder verhüllt, und was er euch enthüllt hat, das habt ihr verworfen. Nun bin Ich Selbst gekommen und enthülle euch das Verborgene, warum glaubt ihr es nun nicht und suchet Mich nur zu fangen mit dem, was ihr selbst noch nie geglaubt und noch weniger je begriffen habt?«



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