Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 9. Kapitel: Das positive Zeugnis des Lazarus über Jesus.

01] Sagte Lazarus: »Hast du denn in der Schrift nicht gelesen: Wenn der Herr als ein Menschensohn auf diese Erde kommen wird, so werden die wenigen Gerechten sehen die Engel aus den Himmeln herniederkommen und Ihm dienen!? Was werdet ihr aber sagen, so ich euch sage: Das habe ich und viele an meiner Seite gesehen, und es war das weder ein Traum, noch weniger irgendeine andere Täuschung, sondern eine volle, mit Händen zu greifende Wahrheit! Und der junge Mensch ist eben auch ein Engel, und das ein Erzengel auch noch dazu!

02] Den sieben Männern im tiefsten Hinterägypten aber hat es ihr innerer Geist angezeigt, daß bei uns Juden die große Verheißung in die volle Erfüllung gegangen ist, und sie machten sich auf und kamen, vom Geiste geführt, zu uns, um selbst zu sehen den Herrn aller Herrlichkeit als Menschen wandeln und lehren unter uns Menschen, die wir so blind sind, daß wir das noch nicht erkennen mögen, was jene überweit von hier entfernt wohnenden Menschen schon im hellsten Lichte schauen.

03] Was aber meine Fähigkeit anbelangt, durch die ich wissen konnte, was ihr allein untereinander geredet habt, so habe ich sie zuvor nie besessen, sondern der große, erhabenste Galiläer, der Herr, hat sie mir gegeben infolge meines Glaubens an Ihn und meiner Liebe zu Ihm und Seinetwegen zu den vielen armen Nebenmenschen.

04] Was ich euch hier gesagt habe, ist eine heilige Wahrheit; aber ich kann sie euch nicht anders bezeugen, als daß ich euch ein für alle Male sage: Also ist es und nicht anders, und ich glaube darum, daß der erhabenste Galiläer lebendigst wahr der verheißene Messias, Jehova Zebaoth ist. Wer an Ihn glaubt und Ihn auch über alles liebt und seine Nächsten wie sich selbst, der wird das wahre, ewige Leben in sich haben!

05] Und nun könnt ihr aber deswegen tun, was ihr wollt; denn dies ist auch des Herrn heiliger Ausspruch: Der Wille muß sogar dem Teufel frei gelassen bleiben; denn ohnedem wäre der Mensch kein Mensch und kein Ebenmaß Gottes. Er wäre ein Tier, dessen Seele keine Freiheit hat und darum also tun muß, wie es von der Allmacht Gottes getrieben wird.

06] Alles, was ihr seht auf der Erde und am Firmament, ist gerichtet und steht unter dem unwandelbaren Gesetze des Muß. Der Mensch muß sich dieses starre und unwandelbare Gesetz auf eine kurze Zeit hin nur für seinen Leib gefallen lassen; denn den Leib des Menschen leitet, was dessen Form, Wachstum und kunstvollste organische Einrichtung wie auch die normale Dauer des Fleischlebens betrifft, nur die Allmacht Gottes, und Gott kann darum auch jeden kranken Leib augenblicklich heilen mittels der Macht Seines göttlichen Willens. Aber mit der freien Seele des Menschen hat die Allmacht Gottes nichts zu tun! Darum sind auch die Verhaltensregeln, die Gott für die Seelen der Menschen den Menschen gegeben hat, nicht unter Muß, sondern unter "Du sollst" gegeben.

07] Wir haben die Gesetze von Gott demnach ohne Muß erhalten und können sie beachten, wenn wir sie beachten wollen; darum wird auch nun vom Herrn aus gar niemand gezwungen, sich im Glauben an Ihn zu wenden, sondern wer das aus sich frei will. Aber man bedenke die Folgen für die Seele im Jenseits, wo sie ebenso frei bleiben wird, wie sie jetzt ist, nur mit dem Unterschied, daß sie dort alles aus sich wird schöpfen müssen, was sie zu ihrem ewigen Lebensunterhalte benötigen wird. Aber wie wird es ihr da dann ergehen, so sie sich nach dem Rate Gottes hier keine geistigen Schätze und Materialien in sich selbst angesammelt hat?

08] Wie Gott Sich hier wegen der vollsten Lebensfreiheit der Seele mit Seiner Allmacht ferne hält, so wird Er Sich vermöge Seiner ewigen Ordnung auch ewig ferne halten. Hier auf dieser Erde aber hat jeder Mensch für seine Seele den Vorteil, daß ihm die Allmacht Gottes allerlei Schätze zu seinem Gebrauche hinzugegeben hat, mit denen er sich bei rechtem Gebrauche nach dem Rate Gottes übergroße geistige Schätze für seine Seele für ewighin erwerben kann. Jenseits aber fällt eine irgend von Gott erschaffene Schätze- und Nährwelt ganz weg; da wird eine jede Seele, als ein Ebenmaß Gottes, sich alles selbst erschaffen müssen aus sich, das heißt, aus ihrer eigenen Weisheit und aus ihrem eigenen freiesten Willen. Wie wird es ihr aber ergehen, wenn sie nicht im Verbande mit dem Willen Gottes, mit Seiner Weisheit und Liebe je gestanden ist?

09] Was wird da eine blinde, finstere und sonach gänzlich ohnmächtige und an allen inneren, geistigen Schätzen völlig arme Seele - sage - jenseits anfangen und machen? Wenn ihr das nur einigermaßen bedenkt, so müsst ihr es doch einsehen, wie höchst dumm es ist, sich jetzt der größten Zeit der Gnade Gottes des Herrn nicht teilhaftig machen zu wollen, wo man sie vor sich hat, wie man vielleicht ewig nie wieder im solch allerhöchsten Grade die wundervollste Gelegenheit vor sich haben wird!

10] Ich habe euch nun alles gesagt, was ein wahrheitsliebender Freund euch sagen kann, und ich sage euch nun noch einmal das, was ich euch schon etliche Male gesagt habe: Ihr seid von mir aus aber darum durchaus nicht gebunden und könnt tun, was ihr wollt; denn eure Seelen sind ebenso vollkommen frei, wie da ist die meinige.«

11] Als die Pharisäer den Lazarus also reden hörten, da sagte der zweite Redner, der, wie schon bekannt, ein tüchtiger Schriftgelehrter war: »Daß der Freund Lazarus, der sicher als ein Privatmann beinahe so wohlhabend ist wie kaum ein zweiter im Lande, durchaus kein Interesse haben kann, so wir seinem Rate folgen, das ist mehr als mit beiden Händen zu greifen! Denn was sollte ihm an unserem Golde und Silber, Perlen und Edelsteinen wohl gelegen sein? Er hat dessen so viel, daß er sich damit ganz leicht ein Königreich kaufen könnte! Er beredet uns also nicht, darum an den Galiläer zu glauben, daß wir etwa aus dem Tempel träten und dann unsere Schätze gegen Zinsen in seine Wechselbank legten; das sei ferne von uns, so etwas von ihm zu glauben, da er ohnehin schon vor ein paar Jahren seine Wechselbank für immer gesperrt hat! Aber er als ein bekannt gar tüchtiger Beurteiler aller möglichen Begebnisse in dieser Welt hat die Sache des großen Galiläers durchaus nicht irgend einseitig betrachtet und hat mit seinem bekannt scharfen Geiste den rechten Kern in dieser sonderbaren Sache gefunden; darum täten wir wahrlich wohl am besten, so wir ohne weiteres das täten, was er uns als Freund angeraten hat!

12] In unserem Tempel gibt es nun wahrlich sehr wenig irgend mehr zu gewinnen! Der materielle Gewinn ist so gut wie zum größten Teil dahin, für unsere Seelen aber gibt es im Tempel nur stets größere Verluste, aber nie mehr einen Gewinn; darum würden wir ganz klug tun, so wir uns denn auch endlich in diesen unseren alten Tagen umsähen, wie es nach unserem Leibestode, der bei uns sicher eben nicht gar zu lange auf sich wird warten lassen, mit unseren Seelen aussehen wird. Ich wäre sogleich dabei, mich vollends vom Tempel frei zu machen, so auch ihr alle dasselbe tätet!

13] Aber nur eines möchte ich vorher noch zu einer leicht erfüllbaren Bedingung stellen, und das bestünde darin: Ich möchte nun noch einmal mit dem Jungmenschen reden, den der Freund Lazarus uns soeben zuvor als einen Erzengel bezeichnet hat. Sage mir, Freund Lazarus, wäre das nun wohl etwa möglich?«

14] Sagte Lazarus: »Oh, nichts so leicht möglich als das! Ich darf ihn nur rufen, und er wird im Augenblick sich hier befinden!«

15] Sagte der zweite Redner: »Ich bitte dich, Freund, tue das; denn ich brenne vor Begierde, nun diesen Erzengelmenschen zu sehen und zu sprechen!«



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