Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8
79. Kapitel: Reden und Handeln ist besser als Schreiben. Echte und falsche Evangelien.
01] Es fragte Mich auch der Jünger Johannes, ob auch er, da es noch an der Zeit wäre, von dem Gehörten und Geschehenen sich Notierungen machen solle.
02] Sagte Ich: »Es genügt, was Matthäus aufgezeichnet hat; alles aber gehört ohnehin nicht fürs Volk und noch weniger für die gewissen Menschenschweine, deren Ich Erwähnung machte. Ihr werdet aber nach Mir noch der Zeit zur Genüge überkommen, aus dem Geiste heraus zu schreiben, was ihr nun von Mir vernommen und gesehen habt.
03] Denn Ich werde in der fernen Zukunft auch Knechte erwecken und werde ihnen durch den Geist in ihrem Herzen das alles zum Schreiben diktieren, was nun seit der Zeit geschehen und gelehrt worden ist, als Ich in das Lehramt trat und euch zu Meinen ersten Jüngern machte, und auch das, was nachkommen wird und noch gar vieles andere dazu; und so Mir das möglich sein wird in der fernen Zukunft, so wird es wohl bei euch um so möglicher sein, euch durch den Geist eures Herzens alles in die Feder zu sagen, was Ich des Aufzeichnens für nötig finden werde.
04] Ihr sollt aber im Anfange euch eben nicht mit zu vielem Schreiben abgeben, sondern nur mehr mit dem Reden, damit die Menschen einmal erfahren, um was es sich da handelt!
05] Sind die Menschen von dem einmal in Kenntnis gesetzt, und haben sich in Meinem Namen Gemeinden gebildet, so könnt ihr dann an solche Gemeinden auch wohl schreiben, so ihr in einer entfernten Gemeinde zu tun haben werdet. Doch in der Gemeinde, in der ihr prediget, braucht ihr an sie keinen Brief zu schreiben; so ihr sie aber verlasst, da könnt ihr ihr auch ein schriftliches Gedenkzeichen hinterlassen.
06] Aber ermahnet die Gemeinde ja wohl auf das lebendigste, daß sie mit derlei Hinterlassenschaften keine Abgötterei treibe gleichwie die Pharisäer und Juden mit den Büchern Mosis und mit den Propheten; denn die Genannten machen nun tiefe Verbeugungen vor dem Kasten im Tempel, in dem die Bücher aufbewahrt sind, und beten die Gesetzestafeln an und meinen, daß sie dadurch Gott eine rechte Verehrung erweisen. O der blinden Narren! Was ist denn mehr und besser: die Gesetzestafeln anzubeten in der Meinung, Gott dadurch eine rechte Ehre zu bezeigen, oder die Gesetze, die auf den Tafeln geschrieben sind, im Leben zu beachten? Das zweite, das allein recht wäre, tut kein Templer und kein Jude der Wahrheit nach; aber das erste, was ohne Wert ist, tun sie gewissenhaft, weil es ihnen sicher weniger Mühe macht.
07] Darum aber sage Ich euch nun das, auf daß ihr erstens nicht zu viel schreibt, sondern mehr redet, damit man in der Folge nicht auch mit Meiner neuen Lehre das tue, was nun die Templer und die Erzjuden mit den Büchern Mosis tun und mit den Gesetzestafeln und Propheten, und ihnen sogar gewisse magische Wirkungen zuschreiben, die sie nie besessen haben. Das also suchet alle sorgsamst wohl zu vermeiden!
08] Ferner aber sollt ihr vorderhand auch darum nicht zu viel schreiben, auf daß der Schreibgeist in der ersten Zeit unter den Menschen nicht zu übermäßig geweckt werde. Es ist besser, so die Menschen nach Meiner vernommenen Lehre mehr handeln als dieselbe niederschreiben; denn so der Schreibgeist unter den Menschen zu früh wach wird, so werdet ihr in kurzer Zeit nach Mir eine Unzahl von geschriebenen Evangelien sogar unter euren Namen entstehen sehen, und ihr werdet viel zu tun haben, alle die falschprophetlichen Geschreibsel zu widerlegen. Darum mögt ihr wohl viel reden, aber wenig schreiben! Wenn aber die rechten Zeiten kommen werden, dann soll schon auch viel geschrieben werden! - Habt ihr das nun wohl verstanden?«
09] Sagte nun Simon Juda: »Herr, da wäre es am Ende ja besser, so entweder gar nichts geschrieben werden würde, oder es solle gar alles genauest aufgezeichnet werden, damit dann nur eine wahre Schrift aus Deinem Munde bestünde, von der dann erst autorisierte und vollkommene Abschriften für andere Völker könnten genommen werden! Denn ich denke mir, daß gewisse Menschen mit der Zeit auch das von uns gepredigte Wort etwa schlecht und unrichtig aufschreiben werden, und so können ja auch auf diese Art noch eine Menge falscher Evangelien ans Tageslicht gefördert werden, und die späteren Menschen werden sich dann nicht mehr auskennen, welch ein Evangelium das rechte und wahre ist, und das wird dann auch zu allerlei Glaubensspaltungen führen.«
10] Sagte Ich: »Simon Juda, Ich verwerfe deine Ansicht nicht und sage auch nicht, daß ihr etwas Unweises zugrunde läge; aber das, was Ich euch geraten habe, ist und bleibt vorderhand besser!
11] Ihr mögt aber tun, was ihr nur wollt und mögt, so werdet ihr es für die Folge der Zeiten nicht verhindern können, daß neben dem wahren und echten Evangelium sich auch eine Menge Afterevangelien entwickeln, und es wird für die späteren Nachkommen, die ein oder das andere geschriebene Evangelium in die Hand bekommen werden, stets schwer sein zu bestimmen, ob es ein echtes ist.
12] Darum aber soll nun Mein Wort von euch nur mehr mit dem Munde gepredigt werden; da werden die wahren Bekenner schon von selbst in sich zum lebendigen Worte aus Mir gelangen und werden dann nicht nötig haben, dies oder jenes geschriebene Evangelium zu prüfen, ob es wohl ein echtes und wahres ist.
13] Aber so ihr nun gleich nach Mir statt viel zu predigen nur viel schreiben würdet, so würden eure Schriften sicher um so eher von andern Menschen mit allerlei Weglassungen oder auch Zusätzen nachgeschrieben werden, und die Menschen müßten sogestaltig sehr bald zu fragen anfangen, ob die Schriften wohl echt und verläßlich von euch herrühren. So ihr aber persönlich lehrt und euch im Falle der Notwendigkeit auch als das durch Zeichen manifestiert, so wird da niemand fragen, ob ihr wohl meine echten Jünger seid und eure Worte völlig die Meinigen sind.
14] O ja, wenn ihr Mich schon einmal häufig werdet verkündet und viele in Meinem Namen werdet getauft haben, und so dadurch auch schon viele werden zum inneren lebendigen Evangelium gelangt sein, dann, wie gesagt, könnt ihr auch schreiben, auf daß die Nachkommen in euren Schriften ein Zeugnis haben, daß und wie Ich euer Herr und Meister war, und wie ihr Meine Jünger gewesen seid. Aber solche eure Schriften sollen dann auch nur bei jener Gemeinde aufbewahrt und bewacht werden, bei denen sich durch ihr Handeln auch das innere, lebendige Evangelium von Vater zu Sohn und so fort erhalten wird und ihr demnach nicht als pur geschriebene, sondern in den Herzen der Menschen als lebendigtätige Apostel zum wahren und ewigen Zeugnisse verbleibt.
15] Wo bei einer Gemeinde das nicht der Fall sein wird, da sollen ihr die Schriften auch nicht zur Aufbewahrung übergeben werden; denn sie würden ihr auch darum nichts nützen, weil ihre im Geiste des Herzens toten Nachkommen ihre Echtheit gar nicht mehr zu prüfen imstande wären und nicht mehr erkennten eine falsche Schrift von innen heraus, sondern nur nach der Mehrheit der Stimmen in ihrem allgemein blinden Rate, wie das nun im Tempel bei den Pharisäern und Hohenpriestern der Fall ist. Was können aber viele Stimmen von blinden Menschen gegen die eine Wahrheit machen? Ich sage es euch: So da ein in sich lebendiger und lichtvoller Mensch die Wahrheit aussagt, was können da zahllose Ratsstimmen gegen die eine Wahrheit noch vermögen?
16] Es gibt nur eine Wahrheit, die ebensogut nur ein Mensch wie Myriaden Engel aussprechen und erweisen können. Wenn sich aber nun eine Weltweisheit dagegenstemmt, weil die Wahrheit nicht zu ihrem weltlichen Vorteile taugt, wird die Wahrheit darum etwa wohl weniger Wahrheit sein?!
17] Die Lüge kann sich im großen Menschenrate durch zahllose Stimmen vertreten lassen, so wird sie darum doch nie zur Wahrheit.
18] Darum sorget euch nicht, was da besser sei, ob das gepredigte oder das geschriebene Wort; denn an der Frucht läßt sich die Wahrheit gar wohl erkennen! Die Lüge baut ihre Häuser auf lockeren Sand, die Wahrheit aber auf Felsen, und da kann die Hölle keinen Feldzug dawider unternehmen; denn sowenig die Finsternis der Nacht je zum Tageslichte wird, sowenig wird auch die Lüge je zur Wahrheit. Und es können darum zehntausend falsche Evangelien geschrieben werden, so wird immer nur das das einzig wahre sein und verbleiben, das sich im Menschen, so er nach Meinen Worten leben und handeln wird, nach Meiner Verheißung lebendig offenbaren wird, - und dieses lebendige Evangelium wird auch bis ans Ende aller Zeiten der einzige Prüfstein sein und bleiben, ob ein geschriebenes Evangelium echt oder falsch ist.
19] An den Früchten also müsst ihr das erkennen; denn von den Disteln erntet man keine Feigen und von den Dornhecken keine Trauben! Aus dem aber wird man leicht erkennen, ob jemand Mein Jünger ist oder nicht. Meine Jünger und auch ihre Jünger werden sich allzeit lieben, wie auch Ich euch allzeit liebe; aber die unechten Jünger werden sich schon entweder offen oder heimlich ganz gewiß hassen. Denn darin besteht die eigentliche schwarze und arge Frucht der Lüge, daß sie sich stets haßt, weil eine Lüge von der andern niemals überflügelt sein will; die Wahrheit aber sucht nur fortwährend ihresgleichen und liebt sie stets mehr und mehr, gleichwie auch ein Licht das andere niemals verdunkelt, sondern nur heller und heller zeihet, und am Ende ein hellstes und vereintes Licht bewirkt.
20] Das Licht hat sonach eine große Liebe zu noch mehr Licht; aber die Lüge haßt die Lüge, weil sie ihren Verrat fürchtet. Seht, darin besteht ein Hauptkriterium, wie man die Wahrheit von der Lüge sogar mit verbundenen Augen gar wohl unterscheiden kann!
21] Darum wird man die falschen Evangelien auch stets ganz leicht von den echten unterscheiden können; denn die falschen werden sich gegenseitig stets verfolgen und hassen, - aber die echten werden sich lieben wie Zwillingsbrüder und werden einander suchen und auch bald und leicht finden.
22] Ich meine nun, du Mein lieber Simon Juda, daß Ich nun wohl klar genug zu euch geredet habe! Aber nun entscheide du bei dir selbst, ob du Mich auch wohl verstanden hast!«
23] Sagte Simon Juda: »Herr, diesmal hast Du einmal wieder ausnahmsweise klar zu uns gesprochen, und ich habe Dich in allem überklar verstanden und sicher auch alle die andern. Aber ich habe aus dieser Deiner sonnenhellen Rede auch entnommen, daß man Dir auf tausend auch nicht eins entgegnen kann. Das ist aber auch völlig recht also; denn könnte man das, da wärest Du nicht der Herr und Meister von Ewigkeit! Aber es soll uns diese Deine Rede auch zu einer immerwährenden Richtschnur bleiben! Und wir danken Dir alle für diese gar so helle Belehrung!«
24] Sagte Ich: »Haltet sie aber nur auch fest, ansonst fallet ihr, ehe ihr's euch versehen könnet!«
Home | Index Band 8 | Werke Lorbers