Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8
64. Kapitel: Die Beschwerde der Schriftgelehrten.
01] Diese sehr triftige Rede des einen Jüngers rauchte dem Schriftgelehrten sehr in die Nase, wie auch seinen Gefährten, und sie kamen darum zu Mir und fragten Mich, sagend: »Meister, hast du deinen Jüngern das Recht gegeben, mit uns also zu reden? Wenn wir alsofort nicht glauben mögen, was sie glauben, sondern als Gelehrte noch allerlei andere Beweise suchen, so geht sie das doch sicher wenig oder nichts an! Kommen sie uns gut und sanft entgegen, so werden wir sie auch anhören und ihre Aussage in guter Art prüfen; kommen sie uns aber so wie nun entgegen, so bleibt uns dann am Ende ja auch nichts übrig, als ihnen auch so zu begegnen, wie sie uns entgegenkommen! Haben Sie aber von dir aus das Recht, uns Gelehrten also zu begegnen, dann werden sie mit uns auch wenig ausrichten!«
02] Sagte Ich: »Ein jedes Wort, daß der eine Jünger zu euch redete, habe Ich ihm in den Mund gelegt und habe also Selbst durch Seinen Mund zu euch geredet. Und es ist daher eure Frage damit auch schon völlig beantwortet und zeigt euch, von wem Meine Jünger das Recht haben, also mit euch zu reden. Ihr aber mögt nur die Wahrheit niemals hören und haltet die eitle Schmeichelei und Heuchelei in Ehren; darum kommt euch Meine Rede hart und roh vor und macht euch ärgerlich.
03] Ich aber sage es euch: Wer, wie ihr, einmal im Falschen begründet ist und auch falsch lehrt und dafür von den blinden Menschen noch eine große Ehre begehrt, da er sich selbst in seiner Blindheit für etwas Großes hält, dem kommt die lichte Wahrheit stets hart und seine vermeinte Ehre verletzend vor und macht ihn ärgerlich. Aber Ich sage es euch, daß ein solcher Mensch, so er sich in seinem Falschen nicht durch die lichtvollste Wahrheit demütigen lassen will, auch niemals in die Wahrheit eingehen wird, sondern er wird sich gleichfort in seiner Finsternis ehren lassen, aber dann auch untergehen in derselben.
04] Es war einmal ein Mensch, der wahrlich viel gelesen hatte von allen Wegen und Straßen, und man ehrte den Menschen seiner Wissenschaft wegen, und der Mensch hielt denn auch große Stücke auf diese Ehre. Obwohl er aber von den Wegen und Straßen in der Welt vieles wußte, so hatte er aber dennoch persönlich die von ihm aus den Schriften der Römer und Griechen bekannten Wege niemals bereist.
05] Es fügte sich aber, daß gegen guten Sold ein königlicher Mensch, der eine weite Reise vorhatte, diesen wegkundigen Menschen zu einem Führer dingte, obschon er auch noch andere Führer bei sich hatte, die zwar nicht so gelehrt waren wie er, aber schon viele Reisen gemacht hatten und denn auch aus der Übung mit den vielen Wegen und Straßen bekannt waren.
06] Da begab es sich aber bei einer Reise im tiefen Ägypten, in welchem Lande der Königliche in etlichen Tagen die alte Stadt Memphis erreichen wollte, daß er sich mit den Reisekundigen beriet, wie man dahin wohl den nächsten und sichersten Weg einschlagen könnte. Die alten Reise- und Wegkundigen rieten, daß man die Straße längs des Stromes, wenn sie auch etwas gedehnter wäre, einhalten solle. Aber der Gelehrte sagte: "Ihr wisst nichts, und was ihr gewußt habt, das wisst ihr nun schon lange nicht mehr; ich allein habe die Wege und Straßenzüge der Ägypter, Griechen und Römer studiert, und mir sind sie alle wohlbekannt. Ich schlage hier vor, daß der gerade Wg durch die Wüste genommen wird und wir also Memphis um drei Tage eher erreichen mögen, als so wir am Strome fortziehen!"
07] Dem Königlichen gefiel dieser Vorschlag, und er stellte den Wegkundigen zum Führer.
08] Mit vielen Beschwerden zog die Karawane schon tagelang durch den Sand, und es fing ihr schon an Wasser und Lebensmitteln zu gebrechen an.
09] Da berief der Königliche abermals die Führer und stellte den Wegkundigen zur Rede und bedrohte ihn, so er durch seinen Starrsinn die Karawane auf Abwege gebracht hätte.
10] Da sagten auch die alten Führer: "Herr, wenn wir nicht umkehren und nicht dem Aufgange zu den Weg nehmen, sondern fort und fort dem Untergange zuziehen, so werden wir auch alle untergehen!"
11] Der gelehrte Wegweiser aber wollte noch dartun, daß er recht habe, da es ihm gar sehr an seiner Weltehre gelegen war.
12] Aber da befahl der Königliche, den Weg nach dem Aufgange zu nehmen. Alle gehorchten und erreichten in drei Tagen glücklich wieder den Strom und in sieben Tagen die alte Stadt.
13] Was hat der eingebildete und ehrsüchtige gelehrte Wegkundige der Karawane wohl genützt? Wenn sie ihm vollends gefolgt wäre, so wäre sie offenbar zugrunde gegangen; aber dadurch, daß sie ihm nur einige Tage lang gefolgt ist, ist sie auch um so viel später und ermüdeter ans Ziel gelangt.
14] Als der Königliche aber in Memphis ankam, da sagte er zum eingebildeten Wegkundigen: "Du hast deine Aufgabe schlecht gelöst; daher sollst du in der Folge der letzte und geringste unter meinen Dienern sein! Du mußt in deiner Demut durch die Erfahrung klug und brauchbar werden, ansonst du keines Lohnes wert bist, wohl aber einer gerechten Strafe!"
15] Und was der Königliche dem eingebildeten Wegkundigen sagte, das sage Ich auch euch Schrift- und Gottesgelehrten. Auch ihr führt in eurem Ehrdünkel die Menschen anstatt dem Aufgange des inneren Lebens nur dem traurigen Untergange desselben zu; und so man es euch sagt, da werdet ihr voll Ärgers und Grimmes, weil ihr in euren Köpfen wohl die toten Buchstaben der Schrift herumtraget, aber den belebenden Geist, der in ihnen steckt, noch nie erkannt habt, weil eure Herzen stets voll Hochmutes und Weltsinnes waren und der nur in der wahren Demut des Herzens wohnende Geist noch nie zum hellen und lichtvollen Leben hat erwachen können.
16] Weil ihr aber fürderhin zur Führung Meiner Karawanen nicht mehr taugt, so habe Ich in der alten und ersten Art und Weise wieder ungelehrte, aber der Wege der wahren Herzensdemut und Nächstenliebe wohlkundige und erfahrene Führer bestimmt, und diese werden Meine durch euch in die Wüste verleiteten Karawanen wieder an den Strom des Lebens zurückleiten; ihr aber, so ihr noch fürder in eurem Hochmute verharret, werdet dem nicht entgehen, was dem Hochmute als Lohn folgt! Denn Ich sage es euch: Der pure Buchstabe der Schrift tötet, nur der Geist macht lebendig. Diesen aber überkommen nur jene, die Mir nachfolgen in der Demut und Liebe.
17] Solange euch noch ein sogar gutgemeintes Wahrheitswort aus dem Munde eures Nebenmenschen kränken und beleidigen kann, steht ihr ferne vom Reiche Gottes! Wer aber Mein wahrer Jünger und Nachfolger sein will, der muß sogar seinen wahren und erwiesenen Feinden vergeben, für die beten, die ihm fluchen, und die segnen, die ihn hassen und verwünschen, also auch denen Gutes erweisen, die ihm einen Schaden zugefügt haben, so wird er eher glühende Kohlen der Reue über den Häuptern seiner Feinde sammeln, als so er Böses mit Bösem vergilt.
18] So ihr verbleibt in eurem Starrsinn und eurer hochmütigen Verrücktheit, da wird das Licht von euch genommen und den Heiden gegeben werden, was schon lange vorgesehen ist, und ihr euch nun zu dem Behufe unter dem Joche der Heiden befindet und euch ihre harten Gesetze müsst gefallen lassen, weil ihr die leichten Gesetze Gottes mit euren Füßen zertreten habt.
19] Ich kam nun, um euch wieder zu versammeln und aufzurichten, und will euch durch die Macht der Wahrheit wahrhaft frei machen. So ihr aber in eurer selbstgeschaffenen Sklaverei verbleiben wollt, so bleibt, und Ich werde Mein Licht geben den Heiden; ihr aber werdet gelassen werden in der Nacht eurer Sünden, und die Heiden werden fortan herrschen über euch. Dieses euer gelobtes Land aber wird zertreten von den Feinden und wird hinfort wüste und öde verbleiben. Das sei euch gesagt zu eurer Danachachtung!
20] Wenn sich das alles an euch erfüllen wird, so werdet ihr Mich wohl erkennen und ausrufen: "Herr, Herr!"; aber Ich werde euch nicht anerkennen, sondern zu euch sagen: "Ich habe euch niemals anerkannt; darum weichet von Mir, ihr Feinde der Wahrheit!"«
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