Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 206. Kapitel: Jesu Verhältnis als Jüngling zu den Priestern.

01] (Der Herr:) »Hier zeigte Joseph mit der Hand auf Mich, der Ich einige Schritte von ihm entfernt auf der Werkstätte einen Laden zu durchsägen hatte, und sagte: »Dort auf der Werkstatt siehst du ihn arbeiten! Es ist sonderbar: Als er ein Kind war bis ins vollendete zwölfte Jahr, waren ich und die Mutter, die nun in der Küche beschäftigt ist, wahrlich der vollsten Meinung, daß er unfehlbar der uns verheißene Messias werden wird; doch nach dem vollendeten zwölften Jahre hat sich all das früher so göttlich Scheinende an ihm derart verloren, daß wir nun davon an ihm keine Spur mehr entdecken können. Er ist sonst sehr fromm, willig und fleißig und tut ohne Murren alles, was wir ihm nach seiner Kraft zu tun geben; aber, wie gesagt, von all dem Wunderbaren ist an ihm nichts mehr zu entdecken. So du willst, da kannst du selbst mit ihm reden und dich von allem, was ich dir gesagt habe, selbst überzeugen.«

02] Hierauf trat der Grieche zu Mir und sagte: »Höre, du mein lieber Jüngling, ich habe dich vor achtzehn Jahren schon gekannt und bewunderte deine damals rein göttlichen Eigenschaften, die, so wie deine Worte, mich zuallermeist bestimmten, euren Glauben anzunehmen, obwohl ich darum die Beschneidung nicht annahm. Aber ich habe eures Glaubens wegen dennoch Ägypten verlassen, um hier tiefer in eure weisheitsvollen Lehren einzudringen, und zu allem dem warst eben du der Hauptgrund! Und nun vernahm ich von deinem Vater, den ich schon lange nicht mehr gesehen und gesprochen hatte, daß du alles das Göttlich-Wunderbare, das dir als einem Kinde eigen war, gänzlich verloren habest. Wie ist denn das hergegangen?«

03] Ich sah den Griechen groß an und sagte: »Wenn du in unsere Lehre wohl eingeweiht bist, so werden dir auch Salomos weise Sprüche nicht unbekannt sein. Und siehe, da lautet einer, demzufolge in dieser Welt alles seine Zeit hat! Als Ich ein Kind war, da war Ich sicher noch kein kräftiger Jüngling; da Ich nun aber ein kräftiger Jüngling bin, so bin Ich kein Knabe mehr und arbeite gleich einem jeden andern Jünglinge mit allem Fleiß und Eifer, weil das Mein Vater im Himmel also will. Ich kenne Ihn und erkenne auch allzeit Seinen Willen und tue nur das, was Er will. Und siehe, das ist dem Vater im Himmel wohlgefällig!

04] Ich wirkte als zarter Knabe wahrlich große Zeichen, um den Menschen anzuzeigen, daß Ich als ein Herr aus den Himmeln in diese Welt gekommen bin; aber die Menschen hielten mit der Zeit nicht viel darauf und ärgerten sich sogar, wenn Ich vor ihren Augen ein Zeichen wirkte. Ich aber bin dennoch Derselbe geblieben, der Ich bin, und werde wieder vor den Menschen die Zeichen wirken und ihnen anzeigen, daß das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist. Wenn Ich aber das tun werde, das wird eben von Mir Selbst zur rechten Zeit bestimmt werden. Wohl dem, der an Mich glauben und sich an Mir nicht ärgern wird!

05] Du aber möchtest, daß dir Mein Nährvater ein neues Haus und einen großen Schweinestall bauen soll. Und das soll er auch tun! Denn was vor Mir recht ist, das ist auch vor Gott keine Sünde. Den Juden aber war ein rechter geschäftlicher Umgang mit ehrlichen Heiden nie verwehrt; verwehrt war und ist den Juden nur im Umgang mit den Heiden, ihr Götzentum und ihre argen Lehren, Sitten, Gebräuche und Handlungen anzunehmen. Wo aber ein Heide sich im Glauben der Juden befindet und sonach durch seinen Glauben an den einigen, allein wahren Gott wahrhaft beschnitten ist im Herzen und in seiner Seele, da kann man mit ihm schon Umgang pflegen!«

06] Sagte hierauf Joseph: »Nun, nun, das ist viel, daß du einmal so viel und so weise geredet hast, und ich erkenne es auch, daß du da völlig recht hast; aber man muß da dennoch auch die Priester nicht vor den Kopf stoßen und sich zuvor mit ihnen beraten, um von ihnen nicht als ein Ketzer gescholten zu werden. So man sich aber zuvor mit ihnen beratet ob einer Arbeit, die dem Buchstaben nach doch immer nicht auf dem gesetzlichen Boden steht, und gibt irgendein kleines Opfer, so erlaubt ein weiser Priester auch allzeit gern eine Arbeit, die für sich nicht wohl im Gesetze begründet ist. Ich werde darum sogleich zu unserem Ältesten gehen und werde ihm diese Sache vortragen.«

07] Sagte Ich: »Was wirst du aber dann tun, so er dir diese Arbeit anzunehmen dennoch nicht erlauben wird - trotz des angebotenen Opfers?«

08] Sagte Joseph: »Ja, dann werden wir die Arbeit offenbar nicht annehmen können!«

09] Sagte Ich: »Höre, wenn Ich dereinst Meine große Arbeit beginnen werde, so werde Ich die Priester nicht fragen, ob Ich solch eine große Arbeit, die sehr wider ihre eitlen Tempelsatzungen gerichtet sein wird, werde unternehmen dürfen oder nicht, sondern Ich werde die große und schwere Arbeit unternehmen aus Meiner höchsteigenen Macht und Kraft! Denn was vor Gott recht ist, das muß auch vor allen Menschen recht sein, ob sie das Rechte wollen oder nicht!«

10] Sagte abermals Joseph: »Mein lieber Sohn, wenn du also handeln wirst, so wirst du wenig Freunde in der Welt zählen!«

11] Sagte Ich: »Wahrlich, wer ängstlich nach der Freundschaft der Welt trachtet, der verwirkt dadurch leicht die Freundschaft Gottes! Ich aber gebe hier den Rat: Wir erweisen diesem Griechen die Freundschaft und fragen da unsere herrsch- und habgierigen Priester gar nicht und tun, was da Rechtens ist; denn dieser Mensch hat uns viele Freundschaft erwiesen, und wir sollten ihm nun unserer Priester wegen die von ihm angesuchte Freundschaft versagen? Nein, das tun wir nicht! Und getrauest du dir das nicht, so werde Ich allein ihm das Haus und den Stall aufbauen!«

12] Sagte darauf Joseph: »Nein, was hast du denn heute auf einmal?! So eigensinnig und stützig habe ich dich ja schon seit Jahren nicht gesehen und auch nicht also reden hören! Wenn mich angesehene Juden und Älteste besuchen und oft gerne mit dir redeten, da bist du ganz karg mit deinen Worten und bist noch kaum je so gebieterisch aufgetreten; und nun kam ein Heide, und du willst ihm gleich alles tun, was er nur wünscht! Wie kommt denn nun das bei dir auf einmal? Ich möchte nun schon wieder zu glauben anfangen, daß du auch für diesen Griechen möchtest Wunder zu wirken anfangen, - was du doch schon so lange vor keinem Juden getan hast!«

13] Sagte Ich: »Ereifere dich nicht, du Mein alter und ehrlich gerechter Freund! Wenn Ich Mich vor den Juden zurückziehe, so habe Ich sicher Meinen wohlweisen Grund dazu! Hat denn hier auch nur ein Jude außer dir einen wahren und vollen Glauben? Als Ich als noch ein Knabe dann und wann ein Zeichen wirkte, da sagten sie, daß Ich besessen sei und gar mit der Hilfe des Teufels solche Dinge wirke, die sonst kein Mensch zu wirken imstande sei.

14] Als du selbst einmal den Ältesten fragtest, ob in Mir möglicherweise etwa doch der Geist eines großen Propheten verborgen sei, weil bei Meiner Geburt so große Zeichen geschehen seien, da sagte der blinde Pharisäer voll Ärgers: ,Es steht geschrieben, daß aus Galiläa nie ein Prophet aufsteht; darum ist schon eine solche Frage für verdammlich zu halten!' Wenn aber die Priester und auch die andern Juden hier also beschaffen sind, vor wem sollte Ich dann ein Zeichen wirken und warum?!

15] Dieser Grieche aber ist voll guten Glaubens und ist ein Freund des inneren und wahren Lebenslichtes, der sich auch nicht ärgert, so Ich ihm ein Zeichen wirke; und so ist es denn doch auch begreiflich, warum Ich Mich gegen ihn auch ganz anders benehme, als Ich Mich gegen diese finsteren Juden benehme.

16] Ich aber sage dir: Weil nun die Juden also sind, so wird ihnen das Licht des Lebens genommen und den Heiden gegeben werden! Es kommt das Heil aller Völker zwar von den Juden, und das Heil bin Ich; weil Mich aber die Juden nicht annehmen und anerkennen wollen, so wird das Heil ihnen genommen und den Heiden überantwortet werden!««



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