Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 118. Kapitel: Beratung der Magier untereinander.

01] Sagte Ich: »Es sind bei der Geburt des Mittlers ja ohnehin Weise aus eurem Lande schon vor dreißig Jahren hier gewesen und haben Ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen zum Geschenk gebracht. Habt ihr denn von jenen nichts erfahren?«

02] Sagte der Magier: »Ja, ja, du hast ganz recht. Wir waren damals noch jung und waren auch noch Lehrlinge, die sich um derlei Dinge wenig kümmerten, und zudem haben jene Weisen nur sehr wenigen ihres hohen Gleichen davon eine Kunde gegeben, die aber bei ihnen sicher nicht den Eindruck gemacht hat, den sich die drei Hauptweisen etwa erhofft haben, und wir haben davon auch nur sehr Weniges erfahren können. Bei uns sagte man nur, daß dem einst so großen und mächtigen Volke im Westen ein neuer König geboren worden sei, dessen Arm des Volkes Feinde und Bedrücker bändigen und vertreiben werde; aber von dem, daß jener neugeborene König zugleich der verheißene Mittler sein solle, haben wir wenig oder nichts vernommen.

03] Daß jene drei Weisen etliche Jahre darauf sich wieder irgendwohin auf Reisen begaben, das wissen wir; aber seitdem haben wir nichts mehr von ihnen vernommen, wohin sie gekommen sind, und von welchen Wirkungen ihre abermaligen Reisen begleitet waren. Nur das wissen wir, daß sie dem Außenschein nach ganz bestimmt als nichts anderes wie wir gereist sind und als Magier sehr geschickt sein sollen.

04] Was ich dir, du lieber, hochweiser Mann, hier kundgab, ist eine volle und reine Wahrheit, und du wirst darin eine Entschuldigung finden, weshalb wir uns wegen eures euch verheißenen Mittlers nun an dich gewendet haben. Wenn du uns davon etwas Näheres sagen willst, so werden wir sicher in unseren Herzen sehr dankbar sein.«

05] Sagte Ich: »Nun, so hört denn! Eben jener von euch gemeinte neugeborene König war jener verheißene Mittler, der in die Welt gekommen ist, um nicht nur den Juden, sondern allen Menschen der Erde, die eines guten Geistes sind, ein wahres Licht des Lebens aus Gott zu bringen.

06] Von Ihm und durch Ihn werden alle Völker beglückt werden und werden sagen: "Heil Dem, der da kommt, angetan mit dem Kleide der ewigen Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit; denn Er hat unserer Gebrechen Sich erbarmt und hat uns erlöst vom harten Joche des Gerichtes und des Todes!"

07] Wer Ihn hören wird und tun nach Seiner Lehre, der wird in sich ernten das ewige Leben! Seht, wir sind da, und vor uns liegt enthüllt die große Verheißung! Die Sonne der Himmel und des ewigen Lebens ist den Völkern aufgegangen, und viele Tausende wärmen sich schon an ihren allbelebenden Strahlen, und ihr seid gekommen aus dem fernen Morgenlande, weil ihr in euch auch einen Schein, von dieser Sonne ausgehend, vernommen habt.

08] Aber da euer Herz noch blind ist, so forschet ihr noch nach der Lebenssonne und vermögt nicht zu erkennen, wo sie steht; aber es hat euch euer schwacher Schein ihr doch schon näher gebracht, und so öffnet das Auge eures Herzens und fragt eure Sterne, damit sie euch zeigen den Stand jener Sonne!«

09] Sagte der Magier zu seinen Gefährten: »Hört, der Mensch spricht wundersam! Er muß es wissen, wie die Sachen stehen. Der kann und wird uns darüber noch einen näheren Aufschluß zu geben imstande sein, was er mit dem uns nahen Stande der gewissen Lebenssonne gemeint hat. Darinnen scheint alles zu liegen!

10] Die Sterne sollten wir fragen, damit sie uns anzeigten den Stand jener Sonne, der wir nahe gekommen seien, von der wir aber doch nichts zu merken vermögen ob der Blindheit unseres Herzens. Was werden uns die stummen Sterne sagen? Wir können sie ewigfort fragen und werden von ihnen dennoch keine Antwort bekommen! Ich meine, daß wir von dem sonderbar weisen Manne eher etwas Bestimmteres über den Stand jener von ihm bezeichneten Lebenssonne erfahren dürften als von den Sternen, die uns noch nie etwas angezeigt haben, obschon wir bei unseren Produktionen von den Menschen oft um Dinge und Verhältnisse gefragt wurden, um die wir schon lange früher wußten, und dann mit ernstweisen Mienen dem Volke sagten, daß wir das aus den Sternen gelesen hätten. Ja, das blinde Volk glaubte das wohl, nur wir selbst nicht, und diese würden es uns auch um so weniger glauben, weil sie im vollsten Wahrheitslichte sich befinden.

11] Mit der Sternenfragerei ist es somit nichts, da wir nur zu wohl wissen, was es mit den Sternen für eine Bewandtnis hat; aber mit der Fragerei an diese Weisen kann etwas sein, - nur müßten wir es höchst klug anstellen, ansonst wir am Ende von ihnen ebensoviel erführen wie von den Sternen!«

12] Sagte ein zweiter Magier: » Klug anstellen wäre schon recht, wenn wir das nur auch vermöchten! Was wollen wir denn mit aller unserer blinden Klugheit? Diese Weisen wissen schon lange eher darum, als sie, die Klugheit nämlich, uns in den Sinn gekommen ist. Ich aber meine, daß es für uns nun am klügsten wäre, so wir uns mit dem begnügten, was wir bis jetzt erfahren haben, und das Weitere ihrem guten Willen überließen: denn mit einer gewissen Nötigung werden wir aus ihnen nicht gar zuviel herausbringen. Und zudem sehe ich es jetzt selbst schon ganz klar ein, daß wir für höhere und tiefere Wahrheiten über das einige und allein wahre Gottwesen und über des Menschen innerstes Geistesleben noch lange nicht reif sind.

13] Wohl aber können wir sie bitten, daß sie uns den möglich kürzesten Weg zur Erreichung des inneren Wahrheits- und Lebenslichtes gütigst anzeigen möchten. Denn wir wissen das ja aus unserer eigenen Erfahrung, daß es ein Mensch durch eigenes Denken und Suchen auch zu manchen und großen Fertigkeiten bringen kann; aber mit der Hilfe eines weisen und wohlerfahrenen Führers wird er sicherer und eher zu allerlei Kenntnissen und Fertigkeiten gelangen. Und so meine ich denn auch hier, daß uns eine ganz kurze, aber ganz gründliche Anweisung mehr nützen würde als eine Menge unnütz aufgestellter Fragen, deren Beantwortung, wenn sie noch so gut und wahr ist, uns wenig nützen kann, weil wir sie nicht verstehen. Wir können sogar um das nicht fragen, was uns not tut, weil wir uns selbst nicht kennen, und somit auch das nicht, was uns eigentlich fehlt. Diese Weisen kennen das sicher besser als wir, und so bin ich der Meinung, daß wir das ihrer viel weiseren Einsicht überlassen sollen.«

14] Sagte der erste Magier: »Du bist wahrlich in deiner mir lange bekannten Einfachheit weiser denn ich mit all meinem vielen Wissen und Können! Bei deiner Ansicht und Meinung wollen wir denn auch verbleiben; denn durchs Bitten kommt man allzeit weiter als durch ein gewisses Fordern. Aber nun kommt es noch auf etwas an, und das besteht darin, ob wir uns hier noch länger aufhalten oder uns in die Stadt hinabbegeben sollen.«

15] Sagte der vorher redende Magier: Nach der von dem weisen Jungen ausgesprochenen Meinung sollten wir eigentlich bleiben, weil unsere Angehörigen schon wissen, daß wir für heute versorgt sind; doch du bist unser Oberhaupt und hast das Recht, zu bestimmen, was wir in diesem Falle tun sollen. «

16] Sagte der erste Magier: »Da soll allein unsere Vernunft bestimmen, was wir tun sollen! Wenn die Unsrigen daheim versorgt sind, so können wir trotz der schon ziemlich empfindlichen Kühle hier verbleiben - und das wenigstens so lange, bis diese Weisen sich selbst zur Ruhe ihrer Glieder begeben werden -, und wir können bei ihnen noch manches gewinnen in dieser Zeit.«

17] Sagten die andern zwei: »Dieser Meinung sind auch wir; aber nur um nichts mehr fragen, sondern bei schicklicher Gelegenheit bitten, daß sie uns andeuten möchten, was uns zur Erkenntnis der reinen Wahrheit not tut!«

18] Damit waren nun alle drei völlig einverstanden und begaben sich zur Ruhe.



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