Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 102. Kapitel: Die große Ahnung der drei Magier. Wunderbare Herbeischaffung des Diamanten.

01] Bei dieser Abschiedsrede des Magiers kamen allen Anwesenden und auch Mir die Tränen, und Ich bedeutete Raphael und Lazarus, die Magier nun noch nicht gehen zu lassen; denn Ich wünsche nun, daß sie an diesem Abende den Verborgenen finden und näher kennenlernen sollen.

02] Da traten Raphael und Lazarus zu den dreien, die eben gehen wollten, und Raphael sagte nun mit einer wahrhaft himmlisch freundlichen Miene und Stimme: »Wo wollt ihr nun hinziehen? Seht, die Sonne steht schon knapp am Horizont, und euer Gefolge ist in der Stadt wohl untergebracht, und so mögt ihr wohl bei uns verbleiben diese Nacht; denn auch hier ist eine gute Herberge!«

03] Sagte der Magier: »O du lieber, himmlischer junger Freund! Nicht nur diese Nacht, sondern noch gar viele Nächte und Tage möchten wir in deiner Nähe verharren und aus deinem Munde noch gar manche Wahrheit vernehmen. Aber wir kommen uns nun viel zu unwürdig vor, deine uns so überaus geheiligte Gegenwart noch länger zu ertragen und dich und diese ganze sicher auch gottesfreundliche Gesellschaft zu belästigen. Aber wenn ihr es wünschet, so werden wir uns sicher allerfreudigst eurem Wunsche fügen. Was wir verzehren werden, das werden wir auch treuest bezahlen, wie sich das unter ehrlichen Menschen gebührt.«

04] Sagte nun Lazarus: »Bei mir werdet ihr irgendeine gemachte Zehrzeche leicht bezahlen; für eure Unterkunft soll bestens gesorgt sein!«

05] Damit waren die drei nun vollkommen zufrieden; nur meinte der Hauptmagier, daß einer von den zwei Untermagiern sich zur Stadt hinabbegeben und den andern kundgeben könnte, daß sie, die drei nämlich, heute nacht auf dem Berge zubringen würden.

06] Aber Raphael sagte: »Das habt ihr nicht nötig; denn das ist bereits geschehen!«

07] Fragte der Magier: »Ja, wie wäre denn wohl so etwas möglich? Denn meines ganz klaren Wissens ist wohl noch kein Bote hinab in die große Stadt gesandt worden, und wäre dies auch der Fall, so kann er ja doch nicht wissen, in welcher Herberge sie eingezogen sind.«

08] Sagte Raphael: »Sorget euch um das ja nicht; denn den ganz wahren Freunden des allein wahren Gottes ist auf dieser Welt durchaus nichts unmöglich! Ich selbst habe deine Gefährten schon davon benachrichtigt, und da hast du deinen Goldbecher, dessen Rand mit Diamanten, Rubinen und Smaragden verziert ist, damit du daraus mit uns Wein trinken kannst! Am Boden steht das Zeichen deines Namens eingegraben.«

09] Als der Magier das ersah, da sagte er: »Wir sind am Ziele; denn so etwas ist nur einem Gott möglich! Hier erwartet uns noch undenkbar Großes!«

10] Sagte Raphael: »Da könntest du wohl sehr recht haben! Aber mich haltet nicht für Den, den ihr schon so lange gesucht habt! Aber ihr könnt Ihn hier finden! Doch nun nichts Weiteres mehr davon!«

11] Damit waren die Magier vorderhand zufrieden und dachten über alles Gesagte wohl nach.

12] Hierauf, als eben die Sonne unter den Horizont hinabgesunken war, sagte unser Lazarus zu den Magiern: »Meine Freunde, diese Erscheinungen hier befremden euch wohl, aber ich sage es euch, daß das alles nur ein ganz leiser Anfang von allem dem ist, was ihr da bei eurer nun ganz guten Gemütsverfassung erfahren werdet. Doch übet euch gleich in der Geduld, Sanftmut und wahren Demut, so werdet ihr vielen Segen von hier in euer fernes Reich mitnehmen! Was ihr aber hier verzehren werdet, das ist bereits auf das reichlichste bezahlt.«

13] Sagte der Magier: »Herr deines Hauses, wer hat für uns bezahlt?«

14] Sagte Lazarus: »Fragt nicht danach, denn das hat schon Der bezahlt, dem alle Schätze der Erde eigen sind!«

15] Sagte der Magier: »Auch die von unserem großen Reiche?«

16] Sagte Lazarus: »Ja, auch die von eurem großen Reiche!«

17] Sagte der Magier: »Kennst du denn unsere unmeßbaren irdischen Schätze?«

18] Sagte Lazarus: »Ich wohl nicht, aber dieser euer Jüngling ganz sicher und jemand anders hier in dieser Gesellschaft noch um vieles besser!«

19] Sagte der Magier zu Raphael: »Wann warst du denn bei uns, daß du alles das gar so wohl wissen kannst?«

20] Sagte Raphael: »Siehe, du hast daheim einen großen Diamanten von einem unschätzbaren Werte, nach euren irdischen Wertverhältnissen gerechnet, und diesen Stein hast du in einem solchen Behältnis aufbewahrt, daß davon außer dir wohl niemand in ganz Indien etwas wissen kann!«

21] Hier machte der erste Magier große Augen und sagte: »Ja, das ist wahr! Kannst du holdester Junge, ihn mir aber auch beschreiben, wie er aussieht?«

22] Sagte Raphael: »Die beste Beschreibung wird wohl die sein, so ich dir deinen wertvollsten Stein im Augenblick herstelle und ihn dir so wie ehedem deinen Goldbecher in deine Hände lege! Gib aber nur genau acht, wie lange ich bei diesem Geschäfte ausbleiben werde!«

23] Sagte der Magier: »Jüngling, wenn dir das möglich ist, dann bist du kein Mensch mehr, sondern ein Gott! Denn wir haben von hier sicher über siebzig Tagereisen in unser Land, und du willst den Stein mir sozusagen in einem Augenblick hier einhändigen?! Wenn das möglich wäre, so wäre das offenbar ein ganz reines Gotteswunder!«

24] Sagte Raphael: »Nun, wie lange war ich denn abwesend?«

25] Sagte der Magier: »Bis jetzt noch keinen Augenblick!«

26] Sagte Raphael: »Da aber hast du dennoch deinen wertvollen Stein! Betrachte ihn nun nur genau, ob er wohl derselbe ist, von dem wir ehedem geredet haben!«

27] Hier überreichte Raphael dem Magier den Stein, und der Magier fiel beinahe in eine Ohnmacht, als er des ihm nur zu wohlbekannten Steines ansichtig ward. Er konnte sich lange nicht fassen und staunte und staunte und sah bald den Stein und bald wieder den Raphael an und konnte zu keiner ruhigen Fassung kommen.



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 7  |   Werke Lorbers