Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 44. Kapitel: Nächtliche Lichterscheinung von 10 Wolkensäulen.

01] Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da erhob sich alles und zog Mir nach ins Freie. Als wir nun alle im Freien standen, da bewunderten viele die schönen Zelte mit ihrer sehr zweckmäßigen Einrichtung und staunten über deren so schnelle Herstellung, weil sie am Morgen noch nichts davon wahrgenommen hatten. Allein es hatte dieses Staunen bald ein Ende, weil Ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden gleich auf etwas anderes hinzulenken verstand. Was war es aber, worauf Ich alle die Anwesenden aufmerksam machte?

02] Es ging nämlich im Osten eine ganz glühende Wolkensäule auf und stieg höher und höher, so daß es allen, die sie sahen, vorkam, sie reiche schon gleich bis zu den Sternen. Die Säule ward heller und heller, bis sie des Mondes Glanz erreichte und die ganze Gegend nahe in eine Tageshelle umstaltete. Hier fragten Mich alle, was das wäre, und was es bedeute.

03] Ich aber sagte: »Nur Geduld, Meine lieben Freunde, es kommt schon noch mehreres nach! Wenn ihr alles werdet gesehen haben, dann erst wollen wir sehen, woher das etwa kommt, und was es zu bedeuten hat. Darum habt, nun nur gleichfort auf alles acht, was sich da noch alles zeigen wird; denn es steht ja in den Propheten geschrieben, daß in dieser Zeit Zeichen geschehen werden auch am Himmel und nicht allein auf der Erde. Und da nun solche Zeichen geschehen, so seht ihr auch sogar mit euren fleischlichen Augen, daß nun die Worte der alten Weissagungen erfüllt werden. Aber nun gebet weiter acht, was noch alles zum Vorschein kommen wird!«

04] Nun sahen wieder alle gen Osten hin, und siehe, eine zweite, gleiche Säule stieg empor und erreichte wieder den Glanz des Mondes, und es ward um so heller die Gegend! Und es währte kaum einige Augenblicke, so stieg eine dritte Wolkensäule empor und erleuchtete die Gegend nun stärker. Es sahen das aber nicht nur die, die bei uns auf dem Berge standen, sondern auch viele in Jerusalem und viele im ganzen Judenlande, und es entstand dadurch ein großer Rumor in allen Gassen und Straßen der Stadt, so daß man es bis auf den Berg gar gut hören konnte.

05] Da sagte Lazarus zu Mir: »Herr, wenn das noch lange dauert, so werden wir diesen Berg bald voll Menschen haben! Es wäre darum nun schon sehr an der Zeit, unten das Tor zu sperren.«

06] Sagte Ich: »Sorge du, Bruder, dich um gar nichts, solange Ich bei dir bin; denn ohne Meinen Willen kommt nicht einmal eine Fliege in diesen Garten, geschweige irgendein Mensch! Gib aber nun wohl acht; denn es werden noch sieben solche Säulen emporsteigen!«

07] Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da stieg auch schon die vierte, gleich darauf die fünfte, sechste, siebente, achte, neunte und zehnte Säule, in angemessenen Entfernungen voneinander abstehend, auf, und diese zehn Säulen, deren Licht dem Lichte des Vollmondes gleichkam und stark wurde, verbreiteten endlich eine so große Helle über die ganze Gegend, daß man das Licht auch bis nach den Ufern des Mittelmeeres noch gar sehr wahrnahm und hinauf bis nach Kleinasien und weiter rückwärts nach Osten bis in die fernen Gegenden des Euphratstromes.

08] Aber nun war es mit der Stadt denn auch völlig aus. Die Heiden betrachteten das als ein malum omen (böses Vorzeichen), die Juden sprachen schon vom Jüngsten Gericht. Wieder andere sogenannte Zeichendeuter verkündeten zehn sehr fruchtbare Jahre, andere wieder zehn sehr heiße und somit unfruchtbare Jahre.

09] Einer aber, ein alter Rabbi, schrie laut durch alle Gassen: »Das bedeutet die Ankunft des Messias, und die zehn Säulen sind die Symbole Seiner Kraft, und da diese Säulen im Osten stehen, so zeigt das an, daß der Messias von daher gen Jerusalem kommen wird!«

10] Aber dieser Rabbiner fand keinen Glauben und wurde von vielen, die ihn gehört hatten, verlacht, und die Weltmenschen sagten zu ihm: »Geh und hör auf mit deinem alten Messiasgeplärre; denn du siehst schon lange in einer jeden vom Monde hell erleuchteten Wolke den Messias kommen! Vor einigen Tagen, als wir eine Mondfinsternis hatten, die auch viel Verwirrung hervorgebracht hat, hast du auch die Ankunft des Messias ausgerufen, und die pfiffigen Essäer, die gerade in jener Gegend ihre große Zauberniederlassung haben, haben die vergangene Mondverfinsterung schon vor einem Jahre ganz genau berechnet, und du hast gleich deinen kommenden Messias mit Haut und Haaren darin entdeckt! Der Messias wird dir gleich etwas aufwarten! Diese zehn Säulen sind sehr schön anzusehen und sind nichts anderes als ein Produkt der essäischen Zauberkunst! Gehe zu den Essäern, - die werden dir deinen Messias bald ausgetrieben haben!«

11] Diese radikal natur- und weltmäßige Erklärung aber machte auf den alten Rabbiner jedoch keinen Eindruck, und er schrie dennoch fort und sagte laut (der alte Rabbiner): »Und redet ihr, was ihr wollt, und es soll sich in Bälde zeigen, ob ich nicht recht geurteilt habe! Gott richtet Sich nicht nach dem Weltgespräche solcher Welttümlinge, wie ihr seid, sondern nach dem Worte Seiner eigenen Weissagung, die Er den Menschen kundgetan hat durch den Mund Seiner Propheten. Seht nur zu, ihr bösen und frevelhaften Jungen, daß nicht ein Teufel kommt und euch allesamt holt! Oh, frevelt nicht über einen alten Rabbi!«

12] Ich erzählte auch auf dem Berge den Meinen, was diese Erscheinung da unten in der Stadt für Meinungen und Urteile hervorgerufen hatte, und alle wurden darob recht heiteren Mutes.

13] Lazarus und auch Meine Jünger meinten, daß der Rabbi im Grunde denn doch recht habe, und daß es sehr schnöde sei von den jungen Gecken Jerusalems, den Alten also zu verhöhnen.

14] Sagte Ich: »Da habt ihr einesteils wohl recht; aber der Alte ist auch ein Fuchs des Tempels und benutzt solche Gelegenheiten, bei denen er stets fleißig die Ankunft des Messias verkündet, um sich dabei einige Opfer zu erschleichen. Ihm selbst aber ist es hinterdrein sehr lieb, wenn seine Gassenweissagung vor seinen Augen am Ende doch noch ausbleibt und noch weiter auf sich warten läßt; denn es kann in diesem an Naturwunder reichen Lande ja bald und leicht wieder eine Erscheinung auftauchen, die er dann schon wieder recht fein benutzen kann. Nun kennt ihn aber die freilich sehr ausgelassene Jugend von Jerusalem als solch einen Gassenpropheten und tritt ihm dann, wenn er etwas zu laut wird, in die Quere und verhöhnt ihn, und so ist da der Prophet eben nun nicht viel besser als jene, die ihn verhöhnen. Und Ich sage es euch, daß Mir die schlüpfrigen Jungen dennoch um vieles eher anhangen werden als jener alte Rabbi, der allzeit nur sehr bemüht ist, in seinen Sack hinein zu weissagen, bei und für sich aber im Grunde doch an nichts glaubt. Aber lasst die Sache jetzt nur gut sein; es wird der weitere Verlauf der Erscheinung schon noch eine größere Hetze bewirken! - Hört ihr nicht von den hohen Zinnen des Tempels die Posaunen erschallen?«

15] Sagten alle: »Ja ja, wir vernehmen sie gar gut!«

16] Sagte Ich: »Das zeigt an, daß die Templer auch schon wach geworden sind und selbst nicht wissen, was sie aus der Erscheinung machen sollen. Daher posaunen sie alle die außerhalb des Tempels wohnenden Pharisäer und Schriftgelehrten zusammen, um in aller Schnelligkeit zu beraten, was da zu machen sei, und wie man etwa diese Erscheinung dem Volke, natürlich gegen ganz bedeutende Opfer, erklären solle. Aber lassen wir sie nun einen kurzen Rat halten, und wenn sie dem Volke, das sich schon dicht um den Tempel schart, die Erklärung ganz nagelfest gemacht haben werden, dann werde Ich diese Erscheinung gleich bedeutend verändern, und die Templer werden wieder Rat halten und das Volk anlügen. Die Bedeutung der ganzen Erscheinung aber werde Ich euch dann erst zum Schlusse in aller Kürze treu und wahr kundgeben. Aber nun schauet nur hinab, wie das dumme und stockblinde Volk von allen Seiten zum Tempel hinwallet! In einer Viertelstunde wird die Erscheinung ein ganz anderes Gesicht bekommen; nachher seht euch erst die noch größere Hetze an! Nun aber ruhen wir diese Viertelstunde Zeit!«



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