Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


14. Kapitel: Neue Gäste in der Herberge und ihre Bewirtung.

01] Es wollte nun die schöne Jüdin noch mehr mit Mir verkehren; aber es kamen des Lazarus Diener in den Saal herein und sagten, daß eine Menge fremder Menschen den Berg heraufkämen, und sie (die Diener) wüßten nicht, wo alle die Ankommenden unterzubringen sein würden.

02] Sagte Lazarus zu Mir: »Herr, was wird hier zu tun sein? Ich vertraue nun allein auf Dich!«

03] Sagte Ich: »Wie viele können ihrer sein, die da nun ankommen und auch später noch ankommen können?«

04] Sagte Lazarus: »Herr, nach den vergangenen Jahren zu urteilen, könnten da wohl fünf-, sechs- bis siebenhundert Köpfe ankommen; heute aber wird der Zudrang offenbar am stärksten sein!«

05] Sagte Ich: »Gut nun, gehe du mit diesem Meinem Diener hinaus, und er wird dir im Freien schon alles also herrichten, daß da alle die ankommenden Gäste ganz gut unterzubringen sein werden! Die Jugend aber lasst in den kleinen Saal treten, auf daß sie nicht der Gaff- und Geilsucht der Fremden zu sehr ausgesetzt sei!«

06] Als Lazarus solches vernommen hatte, ging er mit Raphael sogleich ins Freie hinaus, wo Raphael zuerst die vielen Jungen in den anstoßenden kleinen Saal brachte und darauf zu Lazarus sagte: »Hast du wohl Tische und Bänke in genügender Anzahl?«

07] Sagte Lazarus: »Ja, du mein liebster und gar mächtiger Freund voll Heiles aus Gott, damit hat es nun eben den größten Anstand! In Bethania hätte ich daran wohl einen großen Vorrat; aber den kann ich nun nicht so bald herschaffen! Was wird da nun zu machen sein?«

08] Sagte Raphael: »Mache dir nichts daraus! Da du auf den Herrn vertraust und Ihn über alles liebst, so wird dir hier gleich geholfen sein. Sieh, ich bin im Namen des Herrn ein guter Zimmermann und Schreiner, und so wird gleich alles dasein, was du nun nötig hast!«

09] Als Raphael das noch kaum ausgesprochen hatte, da standen auch schon Tische und Bänke in der rechten Menge da, und über jedem Tisch war ein Zelt gespannt und so recht lieblich anzusehen.

10] Nun kamen aber die fremden Gäste auch schon an und fragten, ob sie wohl hier bewirtet werden könnten.

11] Sagte Lazarus: »O allerdings, es werden die Diener sogleich kommen und einem jeden geben nach seinem Verlangen!«

12] Sagte Raphael zu Lazarus: »Wirst du wohl mit deinen Dienern auslangen für so viele Gäste?«

13] Sagte Lazarus: »Zur Not etwa wohl; aber sie werden alle vollauf zu tun haben!«

14] Sagte Raphael: »Gut, sollte es an ihnen gebrechen, so werde dann schon auch ich ihnen helfen!«

15] Sagte nun Lazarus: »Siehe, du heilvoller Diener Gottes, das, was du mir nun im Namen des Herrn hier gemacht hast, ist ein Wunder über Wunder; aber es nimmt mich nun schon nahe nichts mehr wunder, da ich den Herrn kenne und schon Zeuge von gar vielen Wundern war, von denen eines größer war als das andere!«

16] Sagte Raphael: »Das ist nun ganz ein und dasselbe; denn alles, was du siehst und fühlst und denkst, ist ein noch größeres Wunder des Herrn, und ein jeder Mensch selbst ist das größte! Ob der Herr nun einen schnellsten Blitz erschafft, der in einem Momente aus einer Wolke auf die Erde herabfährt, oder ob Er eine Sonne erschafft, die dann äonenmal Äonen von Erdenjahren vielen Erden leuchtet, so ist daß der Weisheit und der Macht des Herrn wohl ganz ein und dasselbe, und so hast du auch ganz recht, daß du dir aus diesem gegenwärtigen Wunder eben nicht gar soviel machst. Es wäre das nun vor den vielen sehr neugierigen Fremden auch eben nicht sehr klug. - Aber jetzt kannst du schon zusehen, daß alle die vielen Gäste bedient werden, sonst fangen sie an, einen großen Lärm zu schlagen!«

17] Sagte Lazarus: »Ja, du heilvoller Diener des Herrn, du hast recht; denn es haben noch die wenigsten etwas! Was werden wir da tun?«

18] Sagte Raphael: »Nun, was tun? Helfen wollen wir deinen Dienern, sonst bekommen die vielen und sich noch immer mehrenden Gäste noch lange nichts!«

19] Hier verließ Raphael auf ein paar Augenblicke Lazarus, und in solch einem kürzesten Zeitraume waren alle Tische, an denen sich Gäste befanden, mit Wein, Brot, Salz und auch anderen Speisen bestens versehen.

20] Es fiel solche Bedienung freilich wohl manchen Gästen auf; aber die Gäste dachten sich, daß sie ob ihrer Gespräche auf das Herschaffen des Weines und Brotes und der anderen Speisen nicht gehörig achtgegeben hätten, und so aßen und tranken sie fort. Was ihnen aber dennoch auffiel, das war die außerordentliche Güte des Weines, da sie zuvor wohl noch niemals etwas Ähnliches über ihren Gaumen gebracht hatten.

21] Es kamen darum einige, von ihren Tischen aufstehend, zu Lazarus hin und fragten ihn, was das für ein Wein wäre, und ob er solchen auch in einem größeren Quantum verkaufen würde.

22] Sagte Lazarus: »Diesen Wein bekomme ich selbst wahrhaft ordentlich durch die Gnade Gottes. Bei diesem Umstande könnt ihr ihn nach Maß und Ziel trinken; aber zum Weiterverkauf besitze ich gar keinen Wein!«

23] Darauf gingen die Gäste wieder an ihre Plätze.

24] Die aber einmal da waren, die gingen nicht mehr fort, und dennoch kamen noch immer neue hinzu, so daß es Lazarus schon ordentlich zu schwindeln begann und er zu Raphael sagte: »Mein liebster, von Gottes Heil erfüllter Freund, wenn das noch lange fortgeht, so werden wir am Ende doch noch zu wenig Sitze und Tische haben!«

25] Sagte Raphael: »Nun, da werden wir denn noch einige hinzustellen müssen!«

26] Und kaum hatte Raphael das ausgesprochen, so standen auch schon Tische, Bänke und Zelte da, und doch merkte von vielen Hunderten von Gästen niemand, wie die vielen Tische, Bänke und Zelte entstanden waren. Die Gäste kamen und wurden auch auf die gleiche Weise bedient.

27] Als so nach ein paar Stunden die Fremden, die auch in früheren, Jahren stets diese Herberge zu besuchen pflegten, sich alle eingefunden hatten und hinreichend gesättigt worden waren, wandte sich Lazarus an Raphael und fragte ihn: »Liebster, von Gottes Heile voller Diener des Herrn, sage mir denn nun doch ein wenig nur, wie dir solches zu bewirken möglich ist, und das alles in einem Augenblick! Ich wollte von den Tischen, Bänken und Zelten noch nichts sagen; aber woher die entsprechenden Gefäße, das Salz, der Wein und die Speisen, und die Speisen aber also, daß der Perser für sich und also der Ägypter, der Grieche und, kurz, ein jeder, woher er auch sei, seine nationale Landeskost allerbestens bereitet vor sich hat? Wie ist dir denn doch das alles, und das in einem Augenblicke, möglich?«

28] Sagte Raphael: »Mein liebster Freund, so ich dir auch die Möglichkeit alles dessen noch so genau erklärte, so würdest du davon dennoch nur wenig oder nahe gar nichts begreifen. Ich kann dir daher vorderhand nur das sagen, daß bei Gott alle Dinge möglich sind!«



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 7  |   Werke Lorbers