Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 182


Gespräch der Führerin Magdalena mit den Römern über Jesus.

01] Sagte hierauf die Maid: ”Ja, meine achtbarsten Freunde, da werde ich euch wahrlich keinen genügenden Dienst leisten können! Ich habe wohl - so mehr weitschichtig - von ihm so manches reden hören; aber alles, was ich von ihm vernommen habe, klang noch um vieles fabelhafter als die Geschichten von euren Göttern.

02] Er soll übrigens ein sonst ganz weiser und überaus guter Mensch sein, was man sich so allgemein in besseren Kreisen erzählt; aber neben seiner Weisheit tauchen gleich wieder eine Menge von allerlei Wundertaten auf, die natürlich ein recht vernünftiger Mensch sogar dann nicht glauben könnte, so er sie selbst von dem Propheten hätte wirken sehen! Ich selbst glaube das von dem Menschen auch nicht; aber es ist das unter den Menschen schon einmal so gang und gäbe. Sowie irgendein so recht grundgescheiter Mensch unter den andern vielen gar dummen Menschen aufsteht und sie über ihre große Dummheit belehrt und die Blinden nachher einsehen, daß er in aller Wahrheit ein rechter Weiser ist, dann halten sie ihn aber auch schon gleich für einen Gott! Er darf ihnen dann auch so manches Kunstvolle von seinen Fertigkeiten zum besten geben, die sicher auf ganz natürlichen Prinzipien beruhen, und er hat Wunder gewirkt gleich einem Gott, und die Menschen laufen ihm nach aus allen Gegenden der Erde! Und so, meine ich, wird es auch mit dem guten und sonst sehr gescheiten Menschen stehen, der sowenig ein Prophet sein wird wie unsereins.

03] Er soll einige Male auch schon hier in Jerusalem gewesen sein, auch einige Wunder gewirkt und dann das Volk in seiner Weise belehrt haben; aber da sei er bei den Pharisäern angestoßen, und sie haben ihm, glaube ich, gar sehr verboten, seine Sachen offen zu treiben, - und so dürfte er in dieser Zeit wohl seltener in dieser Stadt zu sehen sein. Er soll zumeist in Galiläa sein Wesen treiben; daher weiß man hier weniger irgend etwas Genaues von ihm als etwa in einer Stadt Galiläas.

04] Ich selbst habe ihn noch nie gesehen und habe gerade auch keinen besondern Wunsch, ihn zu sehen. Von seiner besonderen Weisheit würde ich ganz verzweifelt wenig verstehen, und Zaubereien aller Art habe ich auch schon eine Menge gesehen - und das sogar bei den Essäern, die sogar die Toten wieder lebendig und ganz gesund machen -, und so habe ich wahrlich keine besondere Lust, den so weit berühmten Wunderpropheten zu sehen. Jetzt bin ich aber auch schon fertig und kann euch nichts Weiteres weder pro noch contra diesen Propheten sagen.

05] Übrigens muß ich ganz offen gestehen, daß ich auf gar keinen Propheten je etwas Besonderes gehalten habe; denn erstens war noch ein jeder so langweilig und düster wie ein nebliger Spätherbsttag, zweitens so unverständlich wie der gestirnte Himmel und drittens so finster und unfreundlich wie eine Gewitternacht in Ägypten. Wer kann sich mit solchen Menschen wohl je befreunden? Allein das ist nur so ganz meine Privatansicht, die ich niemandem aufdrängen will; denn ich werde wahrlich nie eine Prophetin, und da ist mir schon alles eins, was die Menschen glauben, wenn sie nur sonst ganz gut und ehrlich sind.“

06] Sagte der Römer: ”Na sieh, dein natürlicher Hausverstand ist wahrlich gar so übel nicht! Du hast einen ganz gesunden Sinn, der uns recht wohl gefällt; aber dessenungeachtet muß hinter dem großen und neuen Propheten doch mehr stecken, als du uns über ihn zu sagen wußtest. Nun, daß dich derlei wenig oder auch gar nicht interessieren dürfte, dafür spricht deine auch bedeutende Jugend und dein weiblicher Flattersinn; wir aber als schon so ziemlich betagte Leute und Männer aus der ersten und größten Stadt der bis jetzt bekannten Welt interessieren uns sicher sehr für so einen seltenen Mann, ansonst wir seinetwegen sicher nicht eine so große Reise bis hierher gemacht hätten, - und du wirst darum schon einsehen, daß wir uns nach dem Manne schon noch näher werden erkundigen müssen. Aber das wirst du mit deinen gewandten Sinnen doch wohl wissen, ob man unseren Wirt nach so etwas fragen darf; denn es sollen hier die Priester und des Herodes Mietlinge sehr lange Ohren und adlerscharfe Augen haben. Zu diesen wird er etwa doch nicht gehören?“

07] Sagte die Maid: ”Oh, da könnt ihr ganz unbesorgt sein! Der Wirt ist da stumm wie eine Mauer und hat meines Wissens noch nie jemanden verraten. Den könnt ihr schon fragen, und die etlichen dreißig Gäste scheinen Freunde von dem eigentlichen Besitzer, mit Namen Lazarus, zu sein, und der ist selbst ganz gegen den Tempel, weshalb ihn die Priester auch stets necken, wo sie nur können. Aber er ist unstreitig einer der Reichsten im ganzen Lande, und so können sie ihm nicht leichtlich etwas anhaben, und das um so weniger, weil er mit allen seinen Besitzungen unter dem alleinigen römischen Schutze steht. Oh, da könnt ihr mit dem einen wie mit dem andern sprechen, und das ganz frei von der Leber weg, und es wird euch niemand verraten! Ich schon am allerwenigsten; denn welche Achtung ich vor dem Tempel habe, das habe ich euch schon unten ganz fest erklärt, und eines weiteren bedarf es da wohl nicht!“

08] Sagte der Römer, welcher der griechischen Zunge mächtig war: ”Gut gesprochen, liebe Führerin! Es ist nun schon ganz gut, weil wir nun wissen, mit wem wir es zu tun haben; alles andere wird sich dann schon machen!“

09] Meine Jünger murmelten leise untereinander über diese Fremden und machten ihre Glossen, und es war ihnen die etwas stark leichtfertige Maid nicht besonders angenehm; aber Ich bedeutete ihnen, daß sie vor der Zeit ja nicht laut werden sollten. Und sie taten das denn auch.

10] Es dauerte aber nun nicht mehr lange, daß Lazarus und der Wirt ins Zimmer kamen und ankündigten, daß sogleich das Abendmahl aufgetragen werde. Das war für die Fremden natürlich eine überraschend gute Nachricht.

11] Und als sogleich eine Menge gar sehr wohlschmeckender Speisen in edlen Geschirren auf die Tische gesetzt wurden, da machten die Fremden große Augen und sagten: ”Wahrlich, geschmackvoller kann man es auch in Rom nicht haben!“

12] Als sie dann erst zu essen begannen, da ward es gar aus bei ihnen, und sie konnten die Güte der Speisen gar nicht genug loben und preisen. Aber auch unser Tisch wurde reichlich mit den Speisen versehen, und wir aßen und tranken; wir erhoben jedoch kein so lautes Lob, was den Fremden etwas sonderbar vorkam, und sie meinten, daß unsere Speisen etwa minder gut seien.

13] Aber Lazarus samt dem Wirte, die an unserem Tische speisten, sagte: ”Meine Freunde, das ist bei mir stets einerlei! Jeder Gast, hoch oder gering, wird da ganz gleich bedient! Jedem wird das Beste, was ich habe, mit vieler Freude dargereicht.“

14] Mit diesen Worten waren die Fremden völlig zufrieden, aßen und tranken und fragten während des Essens um nichts Weiteres mehr.



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