Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 23


Jesus und die Seinen in Bethlehem. Heilung und Versorgung vieler Kranker.

01] Am Sabbat frühmorgens aber brachen wir auf und zogen nach Bethlehem. Es war dort ein Fest, und da gab es eine große Menge armer, bresthafter und mit allerlei Übeln behafteter Menschen, die außerhalb der Tore der Stadt umherlagen und um ein Almosen baten.

02] Da sprach Lazarus, der mit uns gezogen war: ”Herr, da sieh hin, diese Menge Armer! Und wie elend diese Menschen doch aussehen!“

03] Da sagte Ich: ”Da sind viele darunter, die von den Pharisäern in dieses Elend und in diese Armut gestürzt wurden; dafür aber dürfen sie nun betteln. Strafen, Traurigkeit, Ärger und heimlicher Zorn und Grimm haben sie endlich auch zu solchen Krüppeln gemacht. Ich aber bin eben darum nun hierher gekommen, um ihnen leiblich zu helfen, damit sie sich in der Folge doch ihr Brot mit ihren Händen verdienen können.“

04] Da baten uns einige um ein Almosen.

05] Ich aber sagte zu ihnen: ”Möchtet ihr euch nicht lieber mit euren Händen euer Brot verdienen, als hier so elend betteln?“

06] Da sagten alle: ”O Herr, wer du auch sein magst, um tausend Male lieber, so wir, wie einst, gesund wären! Aber da sieh unsere Füße und Hände an, und urteile selbst, ob wir möglicherweise einer Arbeit fähig sind!“

07] Sagte Ich: ”Ja, das sehe Ich wohl; Ich wollte aber damit nur fragen, ob ihr nicht lieber vollkommen gesund werden möchtet und dann lieber arbeiten, denn hier so elend betteln!“

08] Da sagten alle: ”O Mensch, wenn das möglich wäre, da stünden wir sogleich auf und zögen von dannen und suchten uns Arbeit und Brot!“

09] Sagte Ich: ”Aber wisst, es ist heute Sabbat, und da wird es etwa wohl nicht so recht geziemend sein, euch von euren vielen alten Übeln zu heilen!“

10] Sagten die Armen: ”Herr, wir sind gut unterrichtete Juden, - aber wir wissen nichts davon, daß Moses noch irgendein Prophet es je verboten hätten, am Sabbat ein gutes Werk zu tun! Wenn man am Sabbat sogar einem kranken Tiere beistehen darf, ohne dadurch den Sabbat entheiligt zu haben, warum sollte man denn da einem Menschen nicht helfen dürfen, so ihm noch zu helfen ist?! Und warum rennen die Pharisäer, wenn sie zugleich Ärzte sind, auch an den Sabbaten zu den reichen Kranken?! Die sollten doch zunächst wissen, ob sie dadurch den Sabbat entheiligen oder nicht!“

11] Da sagte Ich zu ihnen: ”Eure Antwort ist ganz gut, und nun will Ich und sage: Werdet alle völlig gesund!“

12] Da erblickten sie ihre verkrüppelten Glieder wieder ganz gerade und gesund, und einer darunter, dem seine rechte Hand vom Ellbogen an fehlte, bekam auch diese Hand wieder. Das war den Geheilten denn doch etwas zu wunderbar stark. Es fragte darum einer, wer Ich denn sei, daß Mein Wort solches vermöge, was keines Arztes Kunst mehr vermöchte.

13] Da sagte Ich: ”Das werdet ihr schon noch einmal erfahren, - für jetzt aber erhebet euch, und geht und suchet Arbeit und Brot!“

14] Da sagte Lazarus zu ihnen: ”Wenn ihr sonst keine Arbeit findet, da zieht nur nach Bethanien hin, der Herr des großen Gutes hat Arbeit für Hunderte!“

15] Da erhoben sich alle, dankten und zogen hin.

16] Dasselbe Zeichen der Heilung wurde noch an den andern sechs Toren der Stadt ausgeübt; denn die alte Stadt Davids hatte sieben Tore, davon drei große und vier kleine. Beim letzten großen Tore aber wurden wir von drei vorüberziehenden Pharisäern angehalten und beanstandet, daß sich solches nicht zu tun gezieme an einem Sabbat.

17] Aber die Geheilten erhoben sich schnell und sagten zu ihnen mit sehr drohender Miene: ”Zehn Jahre hindurch lagerten wir Elenden vor den Toren, und noch nie hat einer von euch uns gefragt, was uns fehle, und noch weniger hat uns je einer von euch ein Almosen gegeben, - und ihr wollt nun diesen wahren Wunderheiland beanstanden darum, daß er uns unsere geraden und sogar teilweise fehlenden Glieder wiedergab?!

18] Hat denn Moses nicht sogar geboten, auch am Sabbat sogar einem kranken Vieh Hilfe zu leisten?! Um wieviel mehr wird es dann erst geboten sein, am Sabbat einem leidenden Menschen zu helfen?! Jetzt seht, daß ihr weiterkommt - sonst werden wir euch den Moses besser verstehen und begreifen lehren!“

19] Hier sahen die drei, daß es eben nicht sehr rätlich wäre, mit den Geheilten sich in einen weiteren Wortwechsel einzulassen, und sie machten sich schnell davon. Die Geheilten aber dankten und entfernten sich dann schnell auch nach Bethanien hin, nachdem sie Lazarus zuvor beteilt hatte. Und so bekam Lazarus, dem es bei seinen sehr ausgedehnten Besitzungen schon lange an Arbeitern fehlte, auch bei hundertzwanzig Arbeiter, die er alle gar gut verwenden konnte, und mit denen er nicht in der Gefahr war, daß sie ihm, wie es schon oft der Fall war, von den Templern abgelockt werden möchten.

20] Wir entfernten uns aber auch schnell und zogen in einen andern Ort, der von Bethlehem bei zwei Stunden entfernt lag und zumeist von Griechen und Römern bewohnt war. Wir suchten uns da eine gute Herberge und traten ein.



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