Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 14


Bekenntnis eines Judenpriesters.

01] Sagte ein Jude aus dem Priesterstande: ”O Herr, Du bist allzeit wunderbar, voll Liebe, Erbarmung, Gerechtigkeit und Weisheit, und was Du sagst oder auch nur bloß denkst, das ist schon unwiderruflich für ewig eine vollbrachte Tat, und es kann darum ein Mensch schwer mit Dir reden! Aber dessenungeachtet will ich denn doch der Brüder wegen ein Wort mit Dir reden; wolle mich also gnädigst anhören! Siehe, o Herr, wer den Weg genau kennt, der zu einem erwiesen sicheren Ziele führt, das dem Wanderer auch erwiesen den größten Lebensvorteil geben kann und muß, so er nur das Ziel erreicht, der wird auch ganz sicher nichts anderes tun, als auf dem wohlbekannten Wege das Ziel verfolgen und auch sicher erreichen; nur ein ganz blinder Narr könnte daneben aus purster Dummheit und gänzlicher Unkunde einen andern Weg einschlagen.

02] Nun, wir kennen jetzt den Weg und das Ziel und können darum denn auch leicht aller Welt und ihren Lockungen den Rücken zukehren und als wahre Helden über Dornen und Schlangen sogar auf diesem Wege das wahre und sichere Lebensziel verfolgen; selbst gegen ein Heer von Teufeln würden wir nun kämpfen und unaufhaltsam dem Ziele nachstreben! Ja, wir alle haben es nun leicht; denn wir haben es nicht nur gehört, sondern auch gesehen und mit allen unseren Sinnen empfunden, daß es also ist und ewiglich nicht anders sein kann. Aber wie viele sind unser hier, denen von Dir diese unbegreifliche Gnade zuteil ward?!

03] Was ist aber mit den zahllos vielen anderen Menschen, die seit Adam überall zerstreut auf dieser Erde ungemessen weitem Boden in aller Geistesfinsternis gelebt haben, jetzt leben und noch leben werden? Wer wird denen die Augen öffnen, und wer ihre Seelen jenseits erlösen? Selbst wir Juden und - sage - Priester als Lehrer und Führer des Volkes haben wohl Moses und die Propheten; aber was nützten sie uns? Wo lagen die Beweise, daß sie wirklich einmal da waren? Bloß nur im blinden Glauben! Denn die gewissenhaftest Frommen starben vor unseren Augen nicht selten eines gar bittern und schmählichen Todes, und nie kam jemandes noch so fromm Verstorbenen Seele zurück und gab uns über das Jenseits irgendeinen Aufschluß. Alles, was wir davon wußten, war nur eine dunkle, unverständige und mit den besseren Grundsätzen der Vernunft ganz entsetzlich kontrastierende Mythe, mit der man halbwegs nur den ungebildetsten Pöbel noch im Zaume halten konnte.

04] Was Wunder, daß wir und gar viele mit den griechischen Weisen Bekanntschaft machten und dann zwar das Judentum predigten, selbst aber als Epikureer lebten! Denn der Mensch hat einmal einen unverlöschbaren Trieb nach einer Seligkeit und wenigstens halbwegigen Zufriedenheit; von einer ewigen, jenseitigen konnten wir uns auf keine Art und Weise nur irgendeine noch so geringe Wahrscheinlichkeit verschaffen und noch weniger irgendeinen sichern und haltbaren Beweis. Wir waren gesunde und rüstige Leute, die Welt lag evident mit allen ihren Freuden und Üppigkeiten vor uns; es ist da ja augenscheinlich, daß wir da nicht Säumens machten, danach zu gieren und zu greifen! Denn warum sollten wir uns für unsere Mühe, das Volk mit allen Mitteln in den blinden Glauben an Gott und Unsterblichkeit ordentlich hineinzulügen und - zubetrügen, nicht auch eine Seligkeit bereiten, da wir für die jenseitige doch, wie schon gesagt, nirgends einen Beweis ausfindig machen konnten?!

05] Siehe, o Herr, das war unsere Geheimlehre für uns, nahe ganz ähnlich der der Essäer, obwohl wir aus bekannten Gründen keine Gemeinschaft mit ihnen unterhielten! Wir verfolgten auch die Sadduzäer wegen ihres Zynismus, aber nicht um unser selbst willen, sondern des gläubigen Volkes wegen; denn wäre das Volk zur Sekte der Sadduzäer übergegangen, so hätte dann unsere irdische Glückseligkeit bald ihr Ende erreicht. Jetzt aber, da wir endlich einmal die überzeugendsten Beweise über das Jenseits durch Deine pure Gnade erhalten haben, da ist uns freilich alles Irdische nun zu einem wahren Ekel geworden! Aber was geschieht mit den andern, die diese Gnade nicht hatten und auch schwerlich je haben werden?“

06] Sagte Ich: ”Darum habt ihr euch nicht zu kümmern! Sorget vorderhand nur für euch, für alle andern wird noch hinreichend gesorgt werden! Wer dann, euch gleich, will, der wird so wie ihr gerettet sein; wer aber dann nicht wollen wird, der wird es sich selbst zuschreiben müssen, so er verlorengeht.

07] Denn eine jede Seele wird auch jenseits fortleben ganz aus ihrer Liebe und aus ihrem Glauben und daraus nach der vollen Freiheit ihres Willens. Ist die Liebe rein und gut, so wird auch ihr jenseitiges Leben ein reines, gutes und seliges sein; ist aber ihre Liebe schlecht und unrein und für keinen Nebenmenschen eine Seligkeit bereitend, so wird auch ihr jenseitiges Leben ein unreines, schlechtes und seligkeitsloses sein.

08] Einer Seele aber ihre Liebe nehmen und ihr eine andere geben, hieße sie vernichten und an ihrer Stelle eine ganz andere Seele schaffen. Das aber wäre wider die ewige, göttliche Ordnung; denn was Gott einmal ins Dasein gerufen hat, das kann nicht mehr vergehen, sondern nur stets in ein Edleres und Besseres übergehen. Es wird demnach auch jenseits für solche verlorenen Seelen gesorgt werden; aber das sage Ich, wie Ich schon früher gesagt habe: Hier ist eine Stunde besser denn dort tausend Jahre!

09] Allein darum geschieht keiner Seele ein Unrecht; denn so man einer Seele ihre Liebe und ihren Willen unbeschadet beläßt und sie nur insoweit von den andern abscheidet, daß sie den Guten nicht schaden kann, übrigens aber in ihrer ihr ganz entsprechenden Geisterweltsphäre tun kann, was sie will ihrer Lebensliebe und Intelligenz zufolge, so tut man da sicher keiner Seele ein auch nur scheinbares Unrecht.

10] So wie ihr nun bisher gelebt habt, so leben auch alle bösen Teufelsseelen in der Hölle, deren arges Feuer eben ihre böse, nie zu sättigende Selbstliebe und Herrschsucht ist, und ihr sagt es selbst, daß es euch dabei ganz gut ergangen ist. Aber dennoch nagte an jedem Tage mehr und mehr der Wurm des Todes in euch und verbitterte euch unsäglich das Dasein! Was hattet ihr dann von eurem Wohlleben?!

11] Und so wird es jenseits vielen gar lange gehen, woran aber nur sie allein schuld sind. Denn sie werden dort nicht einmal, sondern gar oftmals die Schrecken des Todes zu erdulden haben, was aber auch sein muß; denn ohne diesen wäre jede solche Seele wahrlich für ewig ganz verloren.

12] Für heute wisst ihr genug, und da es nun bald um die Mitternacht ist, so wollen wir denn nun ins Haus gehen und dort Ruhe nehmen. Was der morgige Tag alles bringen wird, das werden wir sehen, und so gehen wir!“

13] Hier verließen wir alle den Hügel und begaben uns ins Haus, wo schon für unsere Ruhe bestens gesorgt war. Die Juden aber hatten ein eigenes, großes Gemach. Da saßen sie um die Tische und besprachen sich beinahe die ganze Nacht, was sie tun wollten, um vom Tempel los zu werden. Das sicherste Mittel fanden sie im Sich-Auskaufen. Dann ward Ruhe auch bei ihnen.



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