Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 11


Die guten Vorsätze der neubekehrten Judenpriester.

01] Sagte der Jude: ”O Herr, verlasse nur Du uns in dieser Welt nimmer, - dann sind wir alle geborgen! Freilich, wohl zählt der Tempel noch bei siebenhundert, die uns gleichen; aber die sind noch um vieles verhärteter denn wir, - die mögen für sich sorgen, wie es ihnen ergehen wird! Wir werden aber schon morgen unsere Sachen nehmen und unseren Überfluß an die Armen verteilen. Dann ziehen wir ein anderes Gewand an und werden Dir nachfolgen, - und solltest Du uns auch mit Blitz und Donner zurücktreiben! Haben wir erst Deinen Willen vollends erkannt, dann werden wir auch als alte Juden zeigen, daß sich auch alte Bäume noch ganz gut biegen lassen. Wir haben nun gesehen, daß es außer Dir, o Herr, kein Heil und kein Leben geben kann; darum soll uns von Dir, o Herr, auch ewig nichts mehr abwendig machen!

02] Siehe, o Herr, wir waren im Grunde uranfänglich so grundböse nicht; denn wir suchten im Tempel nur die Urwahrheit, als wir uns demselben einverleiben ließen! Aber was gab es da? Nichts als tiefe Geheimnisse über Geheimnisse! Fragten wir jemand um ein Licht, so hieß es: "Ihr braucht nichts denn allein den Glauben! Was euch der Tempel zum Glauben vorstellt, das glaubt ungezweifelt, und käme es euch noch so widersinnig, unvernünftig und unnatürlich vor; denn der Hohepriester hat allein den Schlüssel zu den Geheimnissen Gottes, und das genüge euch! Er allein opfert für euch und für das ganze Volk!" Nun, das waren so recht anziehende Worte, die aber leider durch die traurige Geschichte mit dem Hohenpriester Zacharias für unser Gemüt einen gar sehr bedeutenden Stoß erlitten haben; denn darauf sahen wir es bei uns erst so recht fest ein, daß an Moses, an allen Propheten und an der ganzen Schrift aber schon gar nichts sein könne. Denn wäre da irgend etwas daran, so könnten unsere Vorgesetzten unmöglich gar so gewissenlos handeln!

03] Da wir uns denn doch also überzeugt hatten, daß an der Schrift auf solche Weise nicht ein sterbenswahres Wörtlein hängt, da erst entzügelten denn auch wir alle unsere argen Leidenschaften und wurden im Grunde dann ärger denn eine ganze Legion der ärgsten Teufel. Denn diese weichen vor dem Namen des Allerhöchsten; wir aber wichen nicht, sondern wurden, darauf noch erboster und boshafter. Siehe, Du allweisester, allgütigster und gerechtester Herr und Meister, da wir eigentlich denn doch nur zuallermeist durch unsere Vorgesetzten in diesen Zustand, in welchem wir uns nun befinden, versetzt worden sind durch ihre bösen Beispiele, so erhoffen wir von Dir um so mehr die Vergebung unserer Sünden, als wir alle nun den festesten Vorsatz gefaßt haben, alle Sünde zu verabscheuen und rein nach Deiner Lehre zu leben, - und sollte es selbst dies unser irdisches Leben kosten!“

04] Sagte Ich: ”Gut denn; es sollen euch denn nun alle eure Sünden erlassen sein, - aber nur auf so lange, als keiner von euch je wieder eine Sünde begeht! So ihr aber im Ernste Mir als Jünger nachfolgen wollt, da Macht es im Tempel klug, auf daß es die schlauen Füchse nicht merken, was ihr im Sinne habt! Denn Meine Zeit ist noch nicht da, in der Ich Mich der Sünden der Welt wegen will von den argen Füchsen verfolgen lassen; denn es muß auch noch das geschehen, auf daß ihr Maß voll werde. - Jetzt aber habt acht darauf, was da nun kommen wird, und nehmt es euch alle wohl zu Herzen!“



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