Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 51
Vom rechten Fasten und Buße tun. Jesu Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner.
01] Die Fische schmeckten gut und der Wein nicht minder. Ich Selbst aß und trank ganz wacker, so daß es einigen Judgriechen auffiel, wie Ich denn als ein so ganz vom Geiste Gottes durchdrungener Mensch ebensoviel essen und trinken könnte wie irgendein anderer Mensch.
02] Als Ich aber solches wohl merkte, da sagte Ich: Der Leib braucht das seinige - und der Geist das seinige; wir sind nun aber unseren Gliedern eine rechte Stärkung zu geben schuldig, und dann werden wir des Geistes nicht vergessen.
03] Glaube ja keiner, daß er Gott einen wohlgefälligen Dienst erweist, so er fastet und für seine begangenen Sünden in härenen Kleidern vor aller Welt Augen Buße tut, - sondern nur der ist Gott angenehm, der da dankbar ißt und trinkt, was ihm Gott zukommen ließ, um dadurch seine irdischen Kräfte zur nützlichen Arbeit zu stärken, wodurch er sich und seinem Nächsten viel nützen kann, und so er irgendeine Sünde beging, sie als solche erkennt, bereut, verabscheut, sie nicht mehr begeht und sich also wahrhaft bessert.
04] Freilich gibt es leider gar viele, die da ihre Lebenszeit mit lauter Essen und Trinken zubringen. Sie sorgen nur für ihren Bauch und für ihre Haut. Die Nächstenliebe ist ihnen fremd, und vor dem armen Menschen spucken sie aus und lassen ihn nicht an ihres Hauses Schwelle kommen. Ihr stets voller Bauch läßt sie nie fühlen den Schmerz des Hungers und des Durstes. Das sind die echten Schwelger, Prasser und Vollsäufer, um dadurch ihren Leib stets bereit zu allerlei Geilheit, Unzucht, Hurerei und Ehebrecherei zu halten. Das ist dann Fraß und Völlerei, mit denen niemand je ins Reich Gottes eingehen wird.
05] Im gleichen sind aber auch alle jene a Gleisner, die da fasten und in härenen Kleidern Buße wirken und für ihre Sünden ansehnliche Opfer dem Tempel darbringen, damit sie von dem Volke als Gerechtfertigte angesehen und gelobt werden, sie selbst aber dann jeden Menschen über die Achsel ansehen, ihn als einen vermeintlichen Sünder verachten und ihm schon von weitem ausweichen, dieweil sie nicht irgend sahen, wie er gefastet, in härenen Kleidern Buße gewirkt und dem Tempel geopfert hat. (a Matthäus.06,16; a Jesaja.58,05-06; ⇒ jl.ev11.307,06*; jl.ev07.085,05-15 .21-22; jl.ev08.042,01-03; jl.him1.329,16-17 .23; jl.him3.455,06; jl.laod.002,21-24; jl.laod.002,29-30)
06] Ich aber sage es euch: Derlei Menschen sind ebenfalls ein Greuel vor Gott; denn ihr Herz ist verhärtet, und so ihr Sinn und Verstand. Sie richten ihre Nebenmenschen ohne alle Schonung und Nachsicht, sie kehren vor des Nachbars Tor und bemerken den großen Haufen Unflates vor der eigenen Hausflur nicht. O wahrlich sage Ich euch: Wie diese Tempelheiligen und -gerechten nun ausmessen, geradeso wird ihnen drüben wieder zurückgemessen werden! (a Matthäus.06,16; a Jesaja.58,05-06)
07] Ich sage es euch: Wer hier richtet, der wird auch jenseits gerichtet werden; wer aber da niemanden richtet außer sich allein, der wird auch jenseits nicht gerichtet werden, sondern sofort aufgenommen werden in Mein Reich!
- Lukas.18,09] Er sagte aber zu einigen, die a sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: (a Römer.10,03; ⇒ jl.ev08.164,11)
08] Ich aber will euch hier ein Bild geben, wie die menschliche Selbstrechtfertigung in ihrer Reinheit und vor Gott als allein gültig beschaffen sein soll. Und so hört!
- Lukas.18,10] Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. (⇒ jl.ev08.164,12)
09a] a Es gingen hinauf in den Tempel zwei Menschen, der eine ein reicher, aber sonst streng nach dem Gesetz lebender Jude, und der andere ein Zöllner. (a Lukas.18,10; jl.ev08.164,12 )
- Lukas.18,11] a Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. (a 11-12: Jesaja.58,02-03; ⇒ jl.ev08.164,13a)
- Lukas.18,12] Ich faste zweimal in der Woche und a gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. (a Matthäus.23,23; ⇒ jl.ev08.164,13b)
09b] Als der Jude in den Tempel kam, stellte er sich ganz vor den Altar hin und sagte laut: a 'O Gott,ich danke Dir hier vor Deinem Altare, daß ich nicht also bin wie viele andere! Denn Du, o Herr, hast mir gegeben den guten und festen Willen und auch alle die andern irdischen Güter hinzu, durch welche Mittel es mir allein möglich ward, Deine Gebote alle vollkommen zu erfüllen, und wie wohl tut es nun meiner Seele, als vollkommen gerecht an der Neige meiner Tage vor Dir zu stehen!' Als er noch eine Menge seiner gerechten und also gesetzlich guten Handlungen Gott also vorgetragen hatte, b legte er ein reiches Opfer auf den Altar und ging dann, im höchsten Grade mit sich zufrieden und mit dem besten Gewissen von der Welt, aus dem Tempel und dann nach Hause, wo sich alle seine Hausleute wegen seiner strengen Hauszucht eben nicht sehr auf ihn freuten, da sein reines Gewissen, sein strenger Ordnungssinn und seine gesetzliche Gerechtigkeit an ihnen nichts als lauter Sünden und Fehler entdeckten. (a Lukas.18,11; b Lukas.18,12)
- Lukas.18,13] Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! (a Psalter.051,03; Psalter.051,19; ⇒ jl.ev08.164,14)
10] Unser sündiger Zöllner aber ging im Tempel reuig in sich, a blieb ganz rückwärts stehen, sich nicht getrauend, seine Augen aufzurichten zum Altare, indem er bei sich selbst sagte: 'O Herr, Du allgerechter, allerheiligster und allmächtiger Gott, ich bin ein zu grober Sünder und also gar nicht würdig, meine Augen zu Deinem Heiligtume empor zu richten; sei Du mir aber dennoch gnädig und barmherzig! (a Lukas.18,13; Psalter.051,03; Psalter.051,19; ⇒ jl.ev08.164,14)
11] Nun, was meint ihr, wer von den zwei Menschen gerechtfertigt aus dem Tempel nach Hause zog?
12] Die Judgriechen sahen einer den andern an und wußten nicht so ganz recht, was sie Mir nun für eine Antwort geben sollten; denn gerechter konnte in ihren Augen doch wohl niemand sein als der das Gesetz bis aufs letzte Häkchen erfüllende Jude. Der sündige Zöllner konnte nach ihrer Beurteilung doch nicht als ein mehr Gerechtfertigter den Tempel verlassen denn der erwähnte Jude!
13] Ich aber sagte zu ihnen: Ihr irret euch in eurem Urteile! Der Jude ging ganz und gar nicht gerechtfertigt aus dem Tempel; denn er belobte sich selbst laut vor allem Volke, zog aller Augen, Ohren, Lob und Bewunderung auf sich und belohnte sich somit selbst. Ist aber solch ein Selbstgefühl nicht auch eine sogar recht böse Art Hochmutes?! Seine Früchte sind am Ende Haß und Verachtung und eine stete Verfolgung aller, die von ihm nicht als ebenbürtig erkannt und beurteilt werden. Ist so ein Mensch dann wohl ein Gerechtfertigter vor Gott? Oh, mitnichten! Der hat noch sehr weit bis dahin!
- Lukas.18,14] Ich sage euch: a Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und b wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden. (a Matthäus.21,31; b Lukas.14,11; Matthäus.23,12; ⇒ jl.ev08.164,15-17)
14] Aber a der Zöllner ist ein Gerechtfertigter vor Gott; denn er ist voll Demut und hält sich für schlechter um vieles denn die andern Menschen. Er haßt und verachtet niemand und ist froh, daß man ihn nur nicht noch mehr verachtet und flieht, als es schon ohnehin der Fall ist. - Nun, was sagt ihr? Habe Ich recht geurteilt? (a Lukas.18,14; Matthäus.21,31)
15] Sagten nun alle: O Herr, Du ganz allein hast recht in allen Dingen, und wir alle sind finstere und sündige Menschen! Unsere Urteile sind daher nicht anders, als wie da wir selbst sind. Oh, das war ein vollkommen wahrstes Bild; denn wir hatten oft Gelegenheit, solche Rechtfertiger zu beobachten, die sich so rein wie die Sonne darzustellen wußten, und man konnte auch nicht sagen, daß sie im Tempel geheuchelt hätten, indem sie nur zu gewissenhaft alle die Gesetze beachteten. Aber sie waren eben darum dennoch ganz unverdauliche Menschen; denn sie beachteten das Gesetz nicht etwa darum, weil sie im selben den Willen und die Ordnung Gottes erkannt hätten, sondern nur, als wäre das Gesetz ihr Werk, und auf daß sie als streng gesetzliche Menschen auf ihre Diener und Hausleute desto ergiebiger einwirken und erfolgreicher derselben Fehler und Untugenden rügen könnten. Da wir viele solche Beobachtungen haben machen können, so sehen wir nun auch um so mehr die vollste Wahrheit Deines aufgestellten Bildes ein und danken Dir, o Herr, für diese allerwahrheitsvollste Belehrung.
16] Sagte Ich: Nun denn, also seid nicht kleinmütig, und esset und trinket, so ihr noch Lust dazu habet! Ich Selbst werde von diesem Fische noch etwas nehmen.
17] Darauf nahmen alle noch von dem Fische und ließen sich auch den Wein recht wohl schmecken.