Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 63


Essäer Roklus und seine Gefährten beraten sich.

01] Roklus und alle seine elf Gefährten fangen sich ganz gewaltig hinter den Ohren zu kratzen an und wissen nicht, was sie Mir nun erwidern sollen.

02] Roklus geht hin und bespricht sich mit ihnen folgendermaßen, sagend: ”Das habe ich mir also schon zum voraus gedacht, als mich der Junge zum Nazaräer hinbeschied, daß er sich da vor allem auf die Zunichtemachung unseres Völkerwohlinstitutes hinwerfen wird; dieses scheint den wundertätigen Nazaräer vor allem am meisten zu genieren! Aber gar zu leicht wird er uns immerhin nicht in das Bockshorn treiben mit allen seinen theosophischen Phrasen!

03] Es scheint wohl recht viel Wahres in seinen Worten zu liegen; aber unser wohleingerichtetes Institut wird er dennoch nicht leicht zu Falle bringen! Doch will ich euch aber mit dem nichts vorschreiben; ihr könnt tun, was ihr wollt, - denn ihr seid Herren der Sache so gut wie ich!“

04] Sagt ein anderer, der auch mittlerweile aus Cäsarea Philippi herübergekommen war: ”Freund Roklus, ich habe vom Anfange bis nun die ganze Verhandlung mit dem Aufmerksamsten Gemüte angehört und alles genau beobachtet, was da alles vor sich gegangen ist, und muß dir nun offen gestehen, daß du mit deinen Behauptungen sehr unrecht hast, und es ist zum Rasendwerden mit dir deiner geistigen Blindheit wegen! Du redest offen also, und heimlich denkst du aber ganz anders! Dem Jüngling gegenüber vergötterst du den berühmten Nazaräer, und bei dir selbst hältst du ihn für einen Magier der ältesten und geheimsten Schule Ägyptens! Wir wissen nun doch, auf welchen Füßen alle Magie und die Aussprüche beinahe aller uns bekannten Orakel stehen!

05] Denke wohl nach, ob du um eine Zauberart weißt, mittels der man in einem Augenblick einen Granitstein ins reinste Gold umgestalten kann! Dieses Wunder allein hebt ja alle die unseren auf, die auf nichts anderem als auf einem allerpursten Betrug basiert sind! Betrachte danebst dieses neue Prachthaus, den Garten mit seiner weiten Ringmauer, den Hafen mit seinen Schiffen, sieh an die Menge der herrlichsten Fruchtbäume im Garten, die Rebengewinde voll der köstlichsten Trauben! Vor vier Stunden war dieser Fleck noch eine Wüste und ist als solche um dieselbe Zeit von mir betreten worden, weil ich am See etwas zu tun hatte. Betrachte du nun diese Wüste! Welch eine Üppigkeit, welch ein Segen!

06] Kann das ein Mensch durch irgendeine Art der uns doch durch und durch bekannten Magie bewerkstelligen? Ich sage dir: da hört alles uns bisher Bekannte auf; unser sämtliches Wissen ist Lüge und Trug, es taugt zu nichts mehr! Wollen wir fürder neben diesen Gottmenschen bestehen, so müssen wir alleroffenkundigst das tun, was der Nazaräer dir mit aller Freundlichkeit angeraten hat!

07] Ich gehöre zwar nicht zu eurem geheimen Rate und bin erst vor ein paar Stunden zu euch gekommen; aber das kann ich euch aus dem von mir treu Beobachteten sagen, daß wir mit unserem noblen Lug- und Truginstitut allerreinst verlesen sind! Es wäre hier die größte Torheit, unter solchen Umständen dem Gott aus Nazareth einen gewissen Trotz zu bieten!

08] Zudem sehen wir ja doch alle mit den offensten Augen von der Welt, daß alle die römischen Großwürden- und Machtträger seine intimsten Freunde sind! Er braucht ja nur zu sagen: "Schafft mir dieses Institut weg!", und wir sind vernagelt für alle Zeiten der Zeiten! Was aber nachher mit uns?! Ich bin daher der hier sogar sehr maßgeblichen Meinung, daß wir das annehmen und befolgen sollen, was der Gottmensch aus Nazareth dir in aller Freundlichkeit angeraten hat!

09] Übrigens ist das eine recht schlechte Vermutung von dir - ich sage es - dir ganz offen und ohne irgendeine Scheu ins Gesicht -, daß du den mit Händen zu greifenden Gottmenschen vor uns ansinnen wolltest, als würde er dich nur darum also zugerichtet haben, weil er unser Institut etwa als eine hindernde Wegschranke für seiner Unternehmung Sache ansähe! Das ist ja doch lächerlich über lächerlich! Dem wird unser lumpiges Institut ein Hemmschuh auf seinen Wegen sein?!

10] Ich sage es dir und euch allen: So wenig wir den Mond in seinem Aufgange zu stören imstande sind, wenn wir gegen ihn noch so gewaltig blasen und schreien, ebensowenig wird unser luftiges Institut den Wegen dieses allmächtigen Gottmenschen ein Hindernis sein! Er braucht ja nicht einmal hinzublasen, sondern bloß nur so ein wenig zu wollen, und alle unsere Dinge, wie Gebäude, Mauern, Katakomben und alle unsere Zauberapparate, sind zu Luft geworden! Was nachher mit uns? Daher ist jetzt die höchste Zeit, daß ihr euch eines Bessern besinnet!

11] Gehe daher hin zu ihm und sage - aber treu und wahr -, daß du und wir alle das fest wollen, was er dir angeraten hat! Denn verlieren können wir bei diesem Tausche unmöglich etwas, so wir dann unser Institut ganz so einrichten, wie es ihm genehm ist. Dadurch wird er dann Herr und Meister unseres Institutes, und wir wollen und werden seine allergetreuesten Jünger sein. - Seid ihr damit nicht einverstanden?“

12] Sagen die meisten: ”Ganz vollkommen, - wenn nur er uns zu seinen Jüngern annehmen möchte!“

13] Sagt der gute Redner, der Ruban hieß: ”Das wird er, dafür bürgt mir sein gar überaus menschenfreundliches Gesicht! - Was meinst denn du, noch immer etwas recht Dummes ausbrüten wollender Roklus?“



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