Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 50


Die Gefahren der Trugwunder des Essäerordens.

01] (Raphael:) ”Du hast dich aufgehalten über die Bußwerke der Indier! In fünfzig Jahren schon werdet ihr noch zehnfach ärgere einführen; denn habt ihr möglicherweise es nur dahin gebracht, daß des Volkes größte Anzahl fest an euch hängt in seinem Glauben, zu dem es durch eure Pseudowunder gar leicht zu bringen ist, dann mag da kommen, was nur immer wolle, und das Volk bequemt sich bald und ohne alle Widerrede dazu. Denn es kann euch in seiner Dummheit für nichts anderes als für Knechte der Götter auf der Erde halten, die mit allerlei geheimen, göttlichen Allmachtskräften ausgerüstet sind, gegen die kein irdischer Wille und keine weltliche Menschengewalt etwas auszurichten vermag.

02] Durch solche Wunder könnt ihr das Volk ganz sicher in die vollste Zügelgewalt bekommen. Ist aber das einmal geschehen, so dürft ihr zu einem oder zu dem andern Menschen sagen: "Du arger Sünder! Was du Arges gedacht, gewollt und auch schon nahezu getan hast, wir, ja wir sehen schon die bösen Gedanken und Begierden in deinem Herzen keimen, die du erst im künftigen Jahre dir bewußt denken und dir dadurch den vollen Fluch und Zorn der Götter über dein loses Haupt ziehen wirst! Wir vermahnen dich, daß du dich aller argen Gedanken und Wünsche für die Zukunft entschlagest und zur diesmaligen Besänftigung der Götter fürs erste ein dir möglichst größtes Opfer zu unseren Füßen niederlegest und danebst noch volle drei Jahre hindurch dich täglich über den nackten Rücken mit einem Stricke nahe blutig kasteiest! Wehe dir für ewig, wenn du diese Buße nicht in den pünktlichsten Vollzug bringst!"

03] Der arme Mensch, der eigentlich nie einen argen Gedanken, noch weniger je einen bösen Willen in sich hatte aufkommen lassen, wird euch ganz ohne Widerrede glauben, daß er ein großer und aller Verdammung würdiger Sünder sei und sich allem dem willigst unterziehen müsse, was ihr als allmächtige und allwissende Gottesknechte ihm aufgebürdet habt. - Ich aber frage dich nach dem Urteile deiner reinen Vernunft, ob dieser Endzweck, den ihr am Ende doch erreichen müsset, gut und gerecht ist, und ob da auch das Mittel durch den sicher folgenden Endzweck geheiligt wird!“

04] Sagt Roklus: ”Ja diese Absicht aber haben wir alle noch nie gehabt, sondern stets nur eine nützende für die arme, leidende Menschheit, - und so sehe ich noch immer nicht so recht ein, wie mein Mittel, das in der falschen Wiederbelebung des verstorbenen Mädchens bestand, schlecht sein kann! Denn von dem, was du meinst, das wir dadurch erreichen müßten - und am Ende unser ganzes Streben, wenn nun noch so verdeckt, dahinaus geht, solches zu erreichen, - davon kann ich mir bei aller meiner noch so reinen Vernunft durchaus keine Vorstellung machen! Denn man muß ja doch irgendeinen Willen für etwas Schlechtes haben, so man es erreichen will. Bei uns allen ist meines Wissens schnurgerade das allerblankste Gegenteil! Woher sollte das Schlechteste des Schlechten in unser Institut kommen?“!

05] Sagt Raphael: ”Freund, nimm du den reinsten Weizen und streue ihn auf einen noch so reinen Acker, und wenn er aufgehen wird, so wirst du immer noch des Unkrautes in die schwere Menge unter demselben antreffen! Nun du und deine Gefährten aber nichts als nur allerlei Unkrautsamen in die Erde streuet, wie wollt ihr da Weizen ernten?

06] Zu allen Zeiten und in allen Landen der Erde ist ursprünglich von Gott aus den Menschen die allerreinste Wahrheit gepredigt worden durch den Mund der vom Geiste Gottes durchdrungenen Propheten. Sieh nun nach etwa ein paar tausend Erdenjahren diese Wahrheiten an! Was sind sie? Zum allergrößten Teile Unkraut, Menschensatzungen, Lügen und bergdicke Betrügereien aller Art! Ihr aber habt euer Institut auf nichts denn Lüge gegründet und meinet, dadurch Wahrheit in den Herzen der Menschen zu wecken? Wohin mit der Welt?!

07] Was nützt es dir denn, ein großes und tiefes Loch in die Erde auf einer offenen Straße zu schlagen und nicht die entfernteste Absicht dabei zu haben, daß da je ein Mensch hineinfallen solle?! So dann aber zur Nachtzeit die Menschen diese Straße wandeln werden, sage, werden sie nicht ebenso in dieses Loches Abgrund stürzen und darin zugrunde gehen, als so ihr das Loch eben in der Absicht in die Erde gemacht hättet, daß eben die Menschen da hineinfallen und zugrunde gehen sollen?!

08] Oder es kommt zu dir ein Kranker, dessen Krankheit du bei aller deiner noch so reinen Vernunft verkennst und du gibst ihm dann ein Mittel, das für seinen Zustand gerade ein Gift ist! Er geht daran zugrunde. Kann das Mittel da gut genannt werden, wenn du als Arzt dabei auch die beste Absicht gehabt hast?!

09] Die auf der Straße, da es sehr morastig ist, ein Loch oder einen tiefen Abzugsgraben machten, ohne eine darüber führende Brücke mit guten Geländern zu versehen, hatten auch eine gute Absicht, sogar nämlich die Straße trockenzulegen; aber ihre Kurzsichtigkeit gewährte ihnen nicht so viel Voraussicht, dernach sie doch unfehlbar einsehen mußten, daß solch ein Loch oder ein Graben jenen, die zur Nachtzeit diesen Weg machten, sehr gefährlich werden müßte.

10] Das Mittel der Straßentrockenlegung war sonach auch bei der besten Absicht ein schlechtes, weil die Gutabsichtler gar nicht berechnet hatten, wie das Loch oder der Graben zur Nachtzeit den Reisenden doch offenbar allergefährlichst werden mußte. Ah, hätten die Wegverbesserer den Sumpf mit Steinen und Holz ausgefüllt und die Straße also ausgetrocknet oder über den Graben wenigstens eine gute und feste Brücke gemacht, dann wäre das Mittel samt der Absicht gut. Weil sie aber nur dachten: "Nun, am Tage wird das Loch oder den Graben wohl ohnehin ein jeder Reisende früh genug bemerken und ihm ausweichen, - zur Nachtzeit aber soll so niemand reisen!", also war das Mittel schlecht und kann durch eine gut sein sollende Absicht nicht geheiligt werden!

11] Und ebenso ist euer Falschwunderinstitut zum Heile der Menschheit ein kernschlechtes Mittel, weil ihr bei seiner Errichtung gar nicht berechnet habt, welche gar nicht auszusprechenden Nachteile daraus für die Menschheit erwachsen müssen. Was nützt dir die falsche Belebung der Tochter deines Freundes, so er durch jemanden, dem er vollen Glauben schenken könnte, erführe, daß seine eigene Tochter ganz gut begraben wurde und er ein total fremdes Kind als seine sein sollende neubelebte Tochter in seine Obsorge erhielt? Meinst du wohl, daß dein Freund mit solch einem Betruge sich auch fürderhin zufriedenstellen wird? Oder kannst du es dir nicht vorstellen, daß ein derartiger Verrat auf euer ganzes Institut ein ganz absonderlich verheerendes Licht werfen und es um allen Glauben und um alles Vertrauen bringen würde?!

12] Überdenke du dir solch eines Verrates beiderseitige Folgen, und du wirst es dann schon zu begreifen anfangen, ob schlechte Mittel, wohl im Ernste betrachtet, durch eine unberechnete, total blinde gute Absicht und durch die Erreichung eines doch bloß nur scheinguten Zweckes als gut und geheiligt angesehen werden können vor dem Forum des heiligen Richteramtes der wahren und allein gerechten Weisheit Gottes und Seiner lichtvollen Geister!

13] Oder heißt das nicht die wahrhaftige Kraft des Gottesgeistes, mit dem nicht selten Menschen auf dieser Erde erfüllt wurden, schwächen oder gar zunichte machen wollen, teils aus einer ganz falschen Ehrsucht und teils aus Neid und großer Eifersucht und aus Furcht vor der Erwerbsverkürzung oder gar voller Zugrunderichtung desselben?! Wie muß es einem ganz pikfesten Essäer zumute sein, wenn er hier dieses offene Wunder, das am hellen Tage vor aller Menschen Augen bewirkt wurde, so recht in den Augenschein nimmt und sich am Ende selbst vollwahr im geheimen denken muß: "Sieh, so etwas zu bewirken wirst du für ewighin unfähig sein! Wie nehmen sich da der Essäer Wunderwerke gegen dieses aus!"?!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 5  |   Werke Lorbers