Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 45


Raphael erklärt die Zaubereien des indischen Magiers.

01] Sagt Raphael: ”Du bist doch ein sonderbarer Mensch! Deine vielen Erfahrungen haben dir den Kopf derart verrückt, daß du nun das Falsche vom eigentlich Wahren gar nicht zu unterscheiden verstehst! Hättest du den zu Thiba weilenden Magier nur aufgefordert, daß er dir ohne Kammer und Fenster eine Seegegend hinzaubern solle, so würde er dir das um eine ganze Welt voll Goldes nicht getan haben, weil ihm solches ganz unmöglich gewesen wäre; aber in der bewußten Kammer hätte er dir durch das gewisse Fenster noch mehrere andere Gegenden vorzaubern können!

02] Jener Magier solle nur draußen in der nackten Natur so ein solides Haus sogleich für bleibend, mit allem versehen, herzaubern! Das wird er aber, wie gesagt, schön bleiben lassen! Darum ist das, offen gesagt, ein Gotteswerk, - und jenes nur das eines Menschen, der im Grunde nur ein naturkundiger Maschinist und durchaus kein sogenannter Magier ist.

03] So das aber ein Gotteswerk ist, da ist auch meine Weisheit ein Gleiches! Alles, was du an mir entdeckest, ist aus Gott! Darum frage ja nicht mehr, wie, wo und wann ich zu all dem gekommen bin!

04] Fürs Auge der Menschen können wohl auch die Menschen wunderähnliche Taten zuwege bringen; aber es sind das durchaus keine Wunder, sondern mit ganz natürlichen Mitteln auch ganz natürlich hervorgebrachte Dinge, die nur darum dem Laien als Wunder erscheinen, weil er weder von den Mitteln noch von der Art und Weise, dieselben zu einem bestimmten Zwecke zu gebrauchen, irgendeine Ahnung hat. Sagt man ihm aber die Mittel und ihren Gebrauch mit den daraus entspringenden Erfolgen an, so wird er sogleich dasselbe Wunder zu wirken imstande sein wie derselbe Magier, den er früher für einen Wundertäter gehalten hat.“

05] Sagt Roklus: ”Auch die Gegendherzauberung des Magiers zu Thiba?“

06] Sagt Raphael: ”Allerdings, aber die Mittel dazu sind etwas schwer zu bekommen; denn jener Magier hat ein Mittel selbst erfunden, und das andere auch. Diese beiden gibt er freilich nicht preis, und so ist es dir schon schwer, dasselbe zu bewirken, was dort er bewirkt und sich dadurch das Ansehen eines Hauptmagiers gibt.

07] Verstündest du aber den reinen Kiesstein zu schmelzen und daraus zu bereiten ein reines Glas und endlich dasselbe zu schleifen und zu polieren, wie man Edelsteine schleift und poliert - eine den Indiern ganz wohlbekannte Arbeit -, so würdest du das Wunder bald und ganz klar einsehen, und das um so klarer, wenn du dazu noch so eine Art Apelles wärest, dem es möglich war, das Wasser mit Farben so täuschend zu malen, daß er damit sogar die Vogel täuschte.

08] Dein Magier ist ein berühmter Edelsteinschleifer, kann das Glas aus Kies machen, ebenfalls schleifen und polieren, und ist dazu noch einer der besten Maler von ganz Indien, besonders im Nachzeichnen und Nachmalen der Gegenden im natürlich sehr verjüngten Maßstabe. Er hat sich eine eigene Vorrichtung konstruiert seine gemalten Gegenden durch solch ein eigens geschliffenes Glas ansehen zu lassen, und es wird dadurch eine derartige Sehtäuschung bewirkt, wie du sie mit deiner Seegegend selbst angeschaut hast.

09] Das ist nun eine ganz verborgene Wissenschaft, die die Phönizier und durch sie auch die Ägypter entdeckt haben, und die sie, sie außerordentlich geheim haltend, zu ihren außerordentlichsten Zaubereien gebraucht haben. In ein paar Jahrtausenden werden alle Völker davon die klarste Einsicht haben; dann wird es aber auch keinen Menschen mehr geben, der, mit der reinen Vernunft begabt, solch eine Erscheinung irgend mehr für ein Wunder, und das gar von der außerordentlichsten Art, halten wird.“



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