Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 41


Die egoistische Haushaltung der alten Ägypter und deren Übelstand.

01] (Raphael:) ”Als aber später durch die Arbeit der Sklaven die Herren des Landes verschieden reich wurden, so daß einige sehr bedeutend reicher wurden denn einige andere, da meldete sich bald der Neid, Zank und Hader, und man fand es dann erst für notwendig, bürgerliche Gesetze zu entwerfen, denen sich ein jeder fügen mußte, selbst der Var (Pharaon = Hirte) nicht ausgenommen. Da fing man dann auch an, die Sklaven dadurch zu kultivieren, daß man ihnen - natürlich sehr verdeckte - Begriffe von der Gottheit beibrachte und sonach für jede einzelne von Gott ausgehende und ersichtliche Wirkung gleich eine allegorische Persönlichkeit hinstellte, die die Sklaven als eine Gottheit zu verehren bekamen. Dadurch wurden die mit der Zeit mächtig gewordenen Sklaven zahmer und sanfter und ertrugen ihr Los mit einer größeren Geduld; denn sie fürchteten die unsichtbaren Machthaber sehr, weil sie durch die geheimen Künste der Ägypter zu einer Art Überzeugung kamen, daß es im Ernste solche Götter gäbe und mit ihnen kein Scherz zu machen sei.

02] Wären, wie schon bemerkt, die Sklaven nicht mächtig geworden - sowohl durch ihre Vermehrung, als durch zweimal jährlich erneute Ankäufe -, so hätten die alten Ägypter sie nie irgendwelche falschen und noch weniger irgendwelche mehr rechten Götter kennen gelehrt; nur die Furcht vor der rohen physischen Gewalt und Kraft der Sklaven zwang die alten, urweisen Ägypter dazu, den Sklaven irgendwelche Begriffe von den Gottheiten beizubringen.

03] Nun denke dir aber selbst die Lage der alten, weisen Ägypter! Sie waren weise und reich; was der eine hatte und verstand, das verstand auch ein jeder andere, hatte auch denselben Reichtum und hatte also durchaus nicht not, bei seinem Nachbarn zu dienen ums Brot; ein jeder besorgte zumeist nur sein Eigentum mit seinen Kindern. Solange die Menschen noch jünger und kräftiger waren, ging es mit solcher weise egoistischen Haushaltung wohl an; als aber die Menschen älter wurden und schwächer und gebrechlicher, da erwachte in ihnen die Sehnsucht nach Bedienung. Aber wer hätte sie bedienen sollen? Du sagst: "Ihre Kinder!" Wäre alles recht; aber in jener Zeit hatte Moses die Gebote Gottes den Menschen noch sehr lange nicht verkündet gehabt. Nach ihren naturweisen Gesetzen aber waren die Kinder ihren Alten gegenüber auch nichts anderes als ein jeder andere freie Mensch. Die Kinder dienten und gehorchten den Eltern nur bis zu ihrer Mannbarwerdung. Nach dieser wurden sie frei und hatten keine Verpflichtung mehr gegen ihre Alten; denn ihre reine Vernunft hatte ihnen solchen weisen Grundsatz aufgestellt, demnach die Kinder als Werke ihrer Alten ihnen ebensowenig verpflichtet seien, als wie da ein Haus gegen seinen Baumeister für irgend etwas verpflichtet sei, außer daß man darin wohne, - das Wie ist Sache des Bauführers und Erbauers. Ist das Haus gut gebaut, so wird sich darin auch gut und angenehm wohnen lassen; ist das Haus aber schlecht und fahrlässig erbaut, so wird es auch zu einer schlechten Wohnung dienen, woran dann nicht das Haus, sondern der Baumeister selbst die Schuld trägt.

04] Nun, die Alten hätten ihre Kinder wohl gerne so erzogen, daß sie ihnen dann durch ihr ganzes Leben gedient hätten; aber die Kinder hatten auch die fünf Sinne bekommen durch den Unterricht ihrer Alten, oft mehr praktisch denn theoretisch, und so wurden sie wie ihre Alten weise Egoisten, und die Alten wurden dadurch genötigt, sich um fremde Diener umzusehen. Diese kamen und dienten; und die reine Vernunft der alten Weisen sagte zu ihnen: "Wollen wir, daß diese Menschen unsere beständigen Diener bleiben, so dürfen sie von unserer Weisheit nicht das geringste erfahren, sonst würden sie am Ende wie unsere Kinder, die uns auch nicht dienen wollen, weil sie in alle unsere Weisheit eingeweiht sind!"

05] Die Sklaven blieben sonach langehin sehr dumm und bekamen keinen andern Unterricht außer den, was sie zu tun hatten als Diener und Knechte. Aber die Sklaven mehrten sich sehr und fingen an, ihre Kraft zu erkennen, die die alten Weisen geheim sehr zu fürchten begannen! Da sagte die reine Vernunft den Weisen: "Macht bald Menschen aus ihnen, sonst werden sie als große Herden der reißendsten Tiere euch zerreißen!" Darauf erst erfand man für die gefürchteten Sklaven das bekannte Göttertum und ließ von den Göttern im Angesichte der Sklaven allerlei Wunder wirken. Dadurch wurden die Sklaven eingeschüchtert und dienten nun den alten Ägyptern als eine eigene Kaste der Menschen mit doppeltem Fleiße freiwillig. Dadurch erst wurde Ägypten im höchsten Grade blühend, lockte viele Fremde an, unter denen sich auch mitunter Neider und Verräter befanden, durch die in den späteren Zeiten große Verlegenheiten bereitet wurden.

06] Siehe, das sind lauter Werke der menschlichen reinen Vernunft, die mir vorkommt wie ein Mensch, der über einen hohen und steilen Berg herabzulaufen anfängt und den Lauf, wenn er einmal so recht darin ist, nimmer einstellen kann! Die Folge davon kannst du dir leicht vorstellen.“



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