Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 240


Das Gehirn eines Weltweisen.

01] Sagt Cyrenius: ”Herr, das Vorder- wie auch das Hintergehirn sehen dunkelgrau auf ihrer Oberfläche aus; tiefer hinein ist trotz des darauffallenden Sonnenlichtes alles schwarz und finster, und die dazwischen herausglitzernden, weißgrauen Punkte stellen gar nichts vor. Und so bin ich denn eigentlich auch schon fertig mit allem, was da zu sehen ist. Nur eine Frage erlaube, o Herr, mir noch, und diese bestehe darin: Was hat es denn in diesem verdorbenen Gehirne mit jenen anderen Gehirngebilden, die als die Meistzahl keine pyramidale Bildung haben, für eine fürdere Bewandtnis?“

02] Sage Ich: ”Diese sind für nichts; sie sind eine wahre Wüste im Gehirne und erzeugen in der Seele bloß das leidige Gefühl eines unendlichen Nichtwissens und Nichterkennens. Und willst du solch einer Seele gleich von höheren, überirdischen Dingen und Verhältnissen etwas vorzureden anfangen, so wirst du bald die Bitte, davon zu schweigen, bekommen; denn so sie darüber weiter nachdächte, müßte sie offenbar ein Narr werden. Es ist darum mit solchen Menschen nichts zu reden, weil sie solches, wie du nun den wahren Grund einsehen kannst, unmöglich einsehen und irgend begreifen können. Sie werden ganz natürliche, irdische Dinge schwer oder gar nie völlig begreifen, geschweige geistige und himmlische.

03] Siehe, ein Ochse hat auch ein Maul, im selben eine sehr bedeutende Zunge und Zähne und hat auch eine Stimme. Die Folge davon sollte sein, dass er auch ganz wohl sollte reden lernen; allein, versuche, ob du es mit einem Ochsen in zwanzig Jahren dahin bringen wirst, dass er dir nur ein einsilbiges Wort auszusprechen imstande sein wird! Und doch sage Ich dir, dass es eher noch möglich wäre, einen Ochsen reden zu machen, als einem mit solchem Gehirne versehenen Menschen etwas Übersinnliches als begreiflich beizubringen! Denn so du mit ihm von so etwas, das zu sehr über seinen beschränktesten Wissenshorizont steigt, wirst zu reden anfangen, so wird er dich höchstens ganz gutmütig auslachen und dich für einen Narren zu halten anfangen. Und wirst du es fortsetzen, ihn mit derlei für ihn zu fabelhaften Dingen zu belästigen, so wird er toll werden und dich ganz grimmig zur Türe hinausweisen!“

04] Sagt Cyrenius: ”Ja, wie wird man denn hernach solchen Menschen, deren es doch eine Unzahl gibt, Dein Wort vortragen?“

05] Sage Ich: ”Findet ihr bei den Menschen, zu denen ihr kommen werdet, ein teilnehmendes Herz, und werden sie euch aufnehmen in ihre Wohnungen, so bleibt und sucht vor allem ihr mit einigem Leben behaftetes Gemüt soviel als möglich zu beleben! Werdet ihr das tun, so wird solcher Menschen stets tätiger werdendes Gemüt anfangen, ein Licht im Gehirne zu verbreiten, und die Wärme dieses Lichtes wird dann anfangen, die Gehirntäfelchen mehr und mehr in eine erträgliche Ordnung zu bringen, und es werden dann solche Menschen für eine höhere Lehre bald aufnahmefähiger werden und so von Stufe zu Stufe emporsteigen zum stets reineren Lichte.

06] Findet ihr aber ein ganz totes Gemüt bei dem, zu dem ihr kommt, da zieht nur schnell weiter! Denn da sollt ihr die Perlen den Schweinen nimmer vorwerfen! - Versteht das alles nun wohl! Wer noch in etwas nicht ganz im reinen ist, nun, der frage noch, und es soll ihm eine rechte Antwort werden! Sonst sollen die beiden Gehirne weggeschafft werden.“

07] Kommt der alte Markus herbei und sagt: ”Herr, es nahet der Mittag! Soll ich noch nicht fürs Mittagsmahl zu sorgen anfangen?“

08] Sage Ich: ”Das ist schon ganz löblich von dir, dass du Mich fragest; aber das Mittagsmahl für Seele und Geist, das aus Meinem Munde kommt, hat vor deinem leiblichen Mittagsmahle einen unberechenbar großen Vorzug! Daher wollen wir noch einige geistige Gerichte vorher verspeisen, und Ich werde es dir dann schon sagen, wann es an der Zeit sein wird, für ein leibliches Mittagsmahl zu sorgen! Gut ist gut, aber besser ist besser!“

09] Mit dem gibt sich Markus ganz zufrieden und bleibt mit seinen Söhnen stehen, um zu sehen und zu hören, was da Weiteres vorkommen werde.



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