Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 236


Die Unbegreiflichkeit harter Führungen. Der Verkehr mit dem Herrn im Herzen.

01] (Mathael): ”Von diesem Zeitpunkte an verlor ich das helle Selbstbewußtsein, und soviel ich mich nun rückzuerinnern vermag, so ward mein Leib von bösesten Geistern in den aktiven Besitz genommen, und ich ward ein Schrecken der ganzen Gegend! Mein Fleisch durchbohrte keine Lanze und kein Speer, und die dicksten Fesseln flohen von meinen Händen wie Spreu! Der Kampf mit einem oder mit tausend Menschen war mir eins, die mich ergriffen, wurden gar übel zugerichtet und viele getötet! Doch davon wußte meine Seele nichts.

02] Nach dem Ratschlusse Gottes wurden wir fünf jüngst dennoch von den Römern gefangengenommen und vorgestern hierhergebracht. Hier erlöste uns der Herr von unserer großen Qual. Meine Seele wurde wieder die alleinig vollintelligente Einwohnerin dieses Fleisches, und Moses war wie zuvor in ihr. Der Herr aber erleuchtete alle Irrgänge meines Herzens, und - höre! - ich verstand nun erst Moses und die Propheten!

03] Wenn nun Abrahams Geist zu mir käme, würde ich mit ihm sicher eine ganz andere Sprache führen als vor ungefähr fünf Jahren! Genau weiß ich dir die Zeit in keinem Falle anzugeben; aber es sind sicher mehrere Jahre seither verronnen. - Nun weißt du, wie ich zum Verständnisse der Schrift kam!

04] Ich wünsche es zwar niemand, auf meinem Wege hinter Moses zu kommen, weil es nun einen leichteren gibt; aber weil du, Murel, mich gewisserart gefragt hast, wie ich zu solch klarem Verständnisse der Bücher Mosis kam, so mußte ich dir ja doch meinen traurigen Weg zeigen, und du kannst dir nun das andere leicht selbst denken!

05] Das andere und endlos Leichtere aber ist nun des Herrn Gnade, die dir das in wenig Augenblicken geben kann, was ich auf dem dornigsten Wege erreicht habe.

06] Hier aber steht der Engel des Herrn, frage ihn, und er wird es dir zeigen, wie sehr wahr ich nun dir meine und meiner vier Gefährten Geschichte enthüllt habe! - Was sagst du nun zu all dem?“

07] Sagt Murel: ”O Freund Mathael, du hast entsetzlich viel ausgestanden und hattest einen Mut, der in der Welt zu suchen ist! Du warst ein Teufel zwar, und doch war dein Herz kein verdorbenes, denn es verlangte Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe, und weil es das verlangte, so erhielt es nun auch das Verlangte; denn der Herr läßt kein aufrichtiges Herz zugrunde gehen!

08] Aber warum der Herr dich und deine vier Gefährten gar so hart hergenommen hat?! Denn wegen der Sendung nach Samaria zur Bekehrung der Samariten zum Jerusalemitischen Glauben kann ich mir's denn doch nicht so ganz vorstellen, wie darin etwa einzig und allein der Grund zu suchen sein sollte von solch einer Bescherung! Da muß etwas anderes dahintergesteckt haben!“

09] Sagt Mathael: ”Das sicher, aber ich weiß noch heutigentags darüber nichts, und aufrichtig gesagt, - es hat mich auch gar nicht danach verlangt; aber nun möchte ich selbst auch darin ein kleines Lichtlein überkommen! - Unser Raphael könnte uns da wohl ein Lichtlein geben, so er gerade bei guter Laune wäre!?“

10] Sagt Raphael: ”Auf mich und meine Laune kommt es da wie nirgends an, sondern allein auf den Wollen des Herrn; denn mein Sein ist ja nichts als der pure Wille des Herrn! Wende dich darum in deinem Herzen an den Herrn, und es wird deinem Wünsche sicher willfahrt werden!“

11] Sagt Mathael: ”Wäre alles recht, wenn der Herr nicht schliefe; aber Er schläft nun, und es wäre wohl sehr unschicksam, Ihn darum zu wecken!“

12] Sagt Raphael: ”Bist auch noch ein wenig schwach! Sein Leib wohl schläft nun ein wenig; aber Seine Seele und Sein ewiger, heiligster Geist nie und nimmer! Was wäre mit der ganzen Schöpfung, so der Herr nur einen Augenblick ihrer vergäße?! In einem schnellsten Momente wäre es völlig aus mit ihr; keine Sonne, kein Mond, kein Stern in der ganzen ewigen Unendlichkeit und keine Erde, die dich trägt, bestände mehr, auch kein Engel und Mensch würde sich irgend mehr aus sich heraus erhalten können!

13] Alles, was da ist, wird in einem fort vom allmächtigen, ewig gleichen und unwandelbarsten Willen des Herrn erhalten, ohne den kein Dasein denkbar ist.

14] Wenn also und unmöglich anders, wie kann es dir beifallen, zu denken, Er könnte einmal schlafen und somit im Schlafe nicht innesein, wessen die unendliche Schöpfung in jedem Momente des Seins benötigt.

15] Der Herr weiß es genauest, was du nun denkst und willst; denn da ich es weiß, so muß es der Herr ja lange zuvor wissen, weil ich es sonst unmöglich wissen könnte! Denn alles, was wir Engel wissen und erkennen, das wissen und erkennen wir nur aus dem Herrn. Nun weiß ich aber um alle deine Prüfungen und harten Proben; wer sonst als nur der Herr könnte sie mir offenbaren? Du nicht, und eines andern Geistes Mund und Sinn auch nicht, weil ich solches alles ohne des Herrn Sinn und Willen nicht vernehmen könnte!

16] Wie aber ich alles nur allein aus dem Herrn unmittelbar fasse, erkenne und weiß, so kannst es auch du, - aber freilich nur allezeit insoweit, als du dazu in deinem Herzen befähigt bist!

17] Frage also den Herrn in deinem Herzen, und wir werden es sehen, ob dir keine Antwort ins Herz gelegt wird!“



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