Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 217


Cyrenius' und Jesu Besprechung über Murel, Stahar und die Jünger.

01] Hier sagt zu Mir Cyrenius, der dieser ziemlich laut geführten Verhandlung sehr aufmerksam zugehorcht hatte: ”Herr und Meister, unser Oberster Stahar hat sich gemacht! Ich hätte in ihm nicht soviel Weisheit gesucht! Mit einer Leichtigkeit hat er die Gegenpartei zum tiefsten Schweigen gebracht, und am meisten zu verwundern ist es, dass er den Murel besiegt hat; denn den kenne ich als einen Redner erster Klasse und halte ihn auch für einen Menschen, der auf der lieben Erde an allen Orten und Enden wohl die größten Erfahrungen gemacht hat und daher viel zu reden weiß, und was er redet, hat stets irgendeinen festen Stützpunkt. Ich kenne ihn daher, weil er stets als ein Abgeordneter zu mir kam, wenn die jüdische Priesterschaft irgendein besonderes Anliegen hatte. Er verstand sein Petitum (Gesuch) allzeit so einzukleiden, dass man es ihm schon durchaus nie gänzlich abschlagen konnte. Und es wundert mich darum um so mehr, dass Stahar diesen Murel nun gänzlich besiegt hat.

02] Da hast Du, o Herr, nun wohl auch so manches Wörtlein ihm auf die Zunge gelegt; denn sonst wäre wohl der Murel der offenbare Sieger geworden! Es hatte, was Murel sagte, auch einen Grund. So ganz auf den Sand stellte er seine Annahmen nicht; aber der Stahar kam ihm dann freilich armdick entgegen und zeigte ihm Dinge, die natürlich auf einer noch um überaus vieles festeren Basis stehen.

03] Ich muß überhaupt gestehen, dass es unter den Juden, selbst in dieser entartetsten Zeit, Männer gibt, die ihresgleichen in der ganzen Welt nicht mehr finden dürften, und ich kann ihnen darum schon durchaus nicht mehr feind sein. Dem Stahar aber muß ich auf jeden Fall wieder eine Stellung geben, in der er seiner Weisheit nach einen recht ergiebigen Wirkungskreis haben soll; denn er ist nun schon ganz auf Deiner Seite!“

04] Sage Ich: ”Das ist er, und Ich wußte es schon lange, dass er es werden wird, - aber Murel wird noch gewichtiger; denn Murels Geist ist einer von großer Festigkeit, und in seiner Seele liegen sehr viele gar brauchbare Erfahrungen zu Grunde, mit deren Hilfe er ganz gar alles Wahre vom Falschen und alles Gute vom Bösen unterscheiden kann. Diesen Murel müssen wir noch weiter erwecken und ihm zeigen die allein rechte Ordnung des göttlichen Geistes, und er wird sie dann den andern mit der größten Beredsamkeit vollends weiter zeigen können.“

05] Sagt Cyrenius: ”Aber, was mich von Deinen eigentlichen Jüngern hier sehr wundernimmt, ist, dass sie da sind, als wenn sie gar nicht da wären! Sie horchen nur und machen stets große und aufmerksame Augen, von Reden und Sprechen kommt unter ihnen nahe gar nichts vor! Warum verhalten sie sich denn gar so passiv?“

06] Sage Ich: ”Weil sie bis auf einen schon gar wohl wissen, was sie zu tun haben! Wer schweigt und horcht, der sammelt beständig; wer aber selbst redet, der zerstreut und kommt nie zu einem rechten Reichtume. Wenn aber Meine Jünger, die ursprünglich schon bei Mir waren, einmal sehr vieles werden eingesammelt haben, dann werden sie schon auch reden, und das Heil wird dann erst durch sie den Völkern der Erde verkündet werden. Es gibt unter ihnen tiefweise Männer, obschon sie zumeist dem armen Fischerstande angehören.

07] Aber nun wieder zu unserm Murel zurück! Dieser wird uns zwar noch einige Mücklein um die Ohren säuseln machen, wird aber darauf aus der eigenen Selbstentwicklung in eine wahre Riesenstärke des Geistes übergehen.“

08] Cyrenius sagt: ”Auf diesen Prozeß freue ich mich ganz außerordentlich wieder; denn ich habe stets eine große Freude, wenn irgendein Blinder sehend und ein Stummer redend wird.“



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