Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 119


Helena wird Gemahlin des Mathael.

01] Ouran dankt Mir und dem Cyrenius gar sehr herzlich, und also auch die Helena, die aber die Frage hinzusetzt und sagt: ”Aber mein Vater hat keinen männlichen Nachkommen! Wer wird ihm in der Regierung folgen?“

02] Sage Ich: ”Aber Meine allerliebste Helena, habe Ich euch denn nicht einen allerweisesten Nachkommen gegeben, den dein Vater zum Vizekönig ernannt hat!? Ist euch der nicht recht?“

03] Sagt Helena, fast weinend vor Freude: ”Nun, ob der uns recht ist?! Aber fragen mußte ich ja doch, um bestimmt Deinen mir allein heiligen Willen zu erfahren! Herr, vergib es mir darum, so ich Dich etwa durch die Frage beleidigt habe!“

04] Sage Ich: ”Sei du darum ganz ruhig, denn Mich kann ewig kein Mensch beleidigen und schon am wenigsten du! Aber weil du Mich jetzt gefragt hast um etwas, um das du ganz gut auch ohne die Frage hast wissen können, so frage Ich dich nun denn auch um etwas, das Ich allenfalls etwa auch vor deiner Antwort weiß!

05] Siehe du an den Mathael! Er ist nun von deinem Vater zum Vizekönig ernannt und als solcher von Cyrenius und Mir bestätigt. Er ist noch ein junger Mann von kaum achtundzwanzig Jahren; möchtest du ihn wohl zum Gemahle?“

06] Hier schlägt Helena ihre Augen ein wenig verschämt nieder und sagt nach einer Weile: ”Aber Herr, so ist vor Dir doch nichts sicher, was man noch so verborgen in seinem Herzen verwahrt hält! Du hast in mein Herz geschaut und hast darin sicher gefunden, dass ich dem Mathael über die Maßen gut bin, und hast mich jetzt verraten, bevor ich mich eigentlich gerne hätte verraten gehabt: aber weil mein Herz nun denn schon einmal verraten ist, so kann ich auf Deine heilige Frage doch nichts anderes als ein vollwahrstes Ja zur Antwort bringen. Ich liebe den Mathael wohl gar sehr; aber es fragt sich eben auch sehr, ob er mich lieben wird!“

07] Sage Ich zum Mathael: ”Von da an, Freund, kannst du nun ganz gemütlich weiterreden!“

08] Sagt Mathael: ”O Herr, Du Allererhabenster! Nie bist du größer in meinem Herzen, als wenn Du so ganz menschlich mit uns Menschen redest! Ob ich diese reine Jungfrau, die in ihrem ganzen Wesen Dir ergeben ist, lieben könnte auf eine so intensive Weise wie ich Dich, o Herr, liebe!? Aber sie ist eine herrlichste Königstochter und ich ein armer Bürgersohn, eigentlich nicht völlig von Jerusalem, sondern aus der Umgebung dieser großen Stadt, die hundert Tore zählt und mehr denn zehnmal hunderttausend Einwohner, zu denen ich und meine Angehörigen nicht einmal gezählt sind! - Da, da steckt der Haken!“

09] Sage Ich: ”Nun - was weiteres? Wer war denn David von Geburt? Wer war denn Saul? Wer hat diese denn zu Königen von Israel gesalbt?

10] Wenn Ich aber nun dir tue, was Ich einst den beiden getan habe, wie solltest du da der Helena nicht ebenbürtig sein? Meinst du denn, dass Ich nicht Macht genug besäße, dich im Augenblick auf den Kaiserthron in Rom zu setzen?

11] Die Macht und Kraft des einen hier zu unseren Diensten anwesenden Engels Raphael kennst du, und Mir stehen augenblicklich tausend Legionen solcher Engel zu Gebote; wer wird sich mit ihnen in einen Kampf einlassen wollen?! Denn da genügt Raphael allein, um diese ganze Erde in einem. Augenblick in Staub zu verwandeln, geschweige einen Kaiser von Rom zu entthronen und einen andern ganz wohlgemut auf den Thron zu setzen. Aber so etwas geschieht nun nicht, obschon es Mir an Macht dazu nie gebrechen würde; denn Ich weiß, warum Ich auch die gegenwärtigen Kaiser auf dem Throne zu Rom belasse. Aber ebenalso habe Ich auch die allerunbeschränkteste Macht, dir zu geben, was Ich will, und dich zu machen, zu was Ich will; wer wird dawider rechten mit uns?!

12] Siehe, Gottes Macht geht weiter denn die Macht eines Erdenkönigs! Oder liegt das Leben eines Königs nicht ebensogut in Meiner Hand als das eines Bettlers? Ein leisester Willenshauch Meines Geistes, und die ganze Schöpfung ist aus dem Dasein! Sei du, Freund, darum unbesorgt! Was Ich sage, das ist gesagt für die Ewigkeit, und zu was Ich jemand erwähle, das ist und bleibt er unangefochten und unantastbar; denn Ich allein bin der Herr und tue alles nach Meiner höchst eigenen Liebe und Weisheit, und niemand kann zu Mir wirksam sagen: 'Herr, warum tust Du dieses und jenes?' Ja, der Mich in der Liebe seines Herzens fragt, dem werde Ich wohl eine sein Herz belehrende Antwort geben; wer aber mit Mir rechten wollte, dem wird keine Antwort, sondern ein Gericht nur erteilt! Darum sei du demnach ruhig; so Ich dich zu einem Könige mache, so bist du auch wahrhaft ein König, und wer gegen dich zu Felde ziehen würde, der wird zermalmt werden! Darum nimm du die Hand der Helena, und siehe, sie ist und bleibt dein liebes Weib!“

13] Hier erhebt sich Ouran und sagt, vom höchsten Dankgefühle durchdrungen: ”O Herr, Du Allmächtiger von Ewigkeit, wie werde ich als ein armer, sündiger Mensch je nur einigermaßen mich Dir, Deiner würdig, dankbar erweisen können? Du überladest mich ja mit den höchsten Gnaden und Wohltaten! Welch eine große und schon lange andauernde Sorge hast Du mir vom Herzen genommen!

14] Wie schwer ist es für einen fühlenden Vater, für seine einzige, liebe Tochter einen Mann zu bestimmen, von dem man nur mit einiger Gewißheit zum voraus behaupten könnte, dass er für die Tochter völlig tauge und sie mit ihm glücklich sein werde! Was haben oft Eltern für Opfer in den Hymentempeln (Hochzeitstempeln) niedergelegt zum Wohle ihrer verheirateten Töchter und meinten, dass sie dadurch eine glückliche Ehe erzielen würden; aber es waren nur zu oft alle Opfer vergebens! Die Ehen wurden dennoch glücklos, und die verheiratete Tochter ward nur zu bald und zu oft eine wahre Sklavin anstatt eine Freundin und treueste Lebensgefährtin ihres Gatten.

15] Aber hier ist das, was ich von den Alten gehört habe, dass die wahren Ehen von den Göttern in den Himmeln geschlossen werden. Es versteht sich nun von selbst, dass der irrige Begriff >Götter< ganz wegzubleiben hat; denn hat man einmal den einen und allein wahren Gott gefunden, dann haben die erdichteten Götter aufgehört.

16] Diese Ehe ist demnach hier von Dir, o Herr, Selbst bestimmt und gebunden worden, und ich kann nun in der ruhigsten Hoffnung erwarten, dass sie auch Deines Segens, o Herr, nicht entbehren wird, der aber freilich durch die genaue Beachtung Deines heiligen Willens verdient werden muß, ansonst er nicht gegeben werden würde.

17] Helena, meine lieblichste Tochter, hättest du dir's gedacht, als wir unsere weite Reise antraten in der Absicht, die wahre Weisheit und den unbekannten Gott aller Götter zu suchen und solches alles dann unsern Völkern beizubringen und sie dadurch so glücklich als möglich zu machen, dass wir beide hier auf diesem verlassenen, wüsten und höchst unansehnlichen Plätzchen gar so unaussprechlich glücklich gemacht würden?

18] Siehst du, Tochter, wie nun meine dir oft vorgesagte Lehre: 'Wer alles finden will, der suche nichts denn Gott allein!', hier in die herrlichste Erfüllung gegangen ist! Du hast geseufzt, als wir unsere Stadt verließen mit dem geheimen Vorsatze im Herzen, nicht eher heimzukehren, als bis wir die Wahrheit und den allein wahren Gott werden gefunden haben, und sagtest wehmütig: 'Vater, da werden wir diese unsere Stadt und dies schöne Land wohl nimmer irgendwann mehr zu Gesichte bekommen!' Und ich sagte dir: 'Sei ruhigen Herzens, meine Tochter, wir gehen ja nicht auf einen Raub aus und auch nicht, um einen von unsern Nachbarn mit einem Kriege zu bedrohen, sondern wir gehen, für uns und für unser Land das höchste Glück zu suchen! Kein Gott und keine Macht der Welt kann diesen unsern Plan irgend schlecht heißen!' Da wardst du ruhiger, und wir traten unsere Reise mutig an. Aber eben von diesem Momente angefangen, frage ich dich, ob du wohl auch nur eine leiseste Ahnung von dem hattest, was alles überschwenglichst Gutes und Glückliches wir hier gefunden haben!“



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