Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 53


Die Grundzüge der Lehre Jesu.

01] Sage Ich zu Ribar: ”Wie sieht es aber nun mit deinem Urteile aus über das, was du nun gesehen hast?“

02] Sagt Ribar: ”Habe mich zu Suetal schon ausgesprochen und bekenne nun, dass der weiseste Mathael ganz recht hat in allen Dingen. Die Probe ist gemacht, und es braucht nun nichts Weiteres mehr! Ich glaube nun nicht mehr, sondern ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen und möchte nun den großen Meister selbst kennenlernen!“

03] Sagt Suetal: ”Ja, das möchte auch ich, wenn es so leicht sein könnte, obschon ich nun gerade nicht mehr gar so sehr darauf anstehe; denn was ich nun gesehen habe, genügt mir für mein ganzes Lehen! Mehr als Gott kann er nicht sein, aber nach dem Gesehenen viel weniger auch nicht! Und das genügt mir; nur von seiner neuen Lehre möchte ich noch etwas vernehmen!“

04] Sage Ich: ”Auch davon hat euch Mathael schon mehrere Grundzüge gegeben; im übrigen läßt seine Lehre sich ganz kurz in dem zusammenfassen, dass man Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll.

05] Gott über alles lieben aber heißt natürlich: Gott und Seinen geoffenbarten Willen erkennen und dann aus wahrer innerer Liebe zu dem erkannten Gott danach handeln und sich daneben gegen jeden Nebenmenschen wegen Gott also verhalten, wie sich ein jeder vernünftige Mensch gegen sich selbst verhält; natürlich ist hier von der reinen und in möglichst höchstem Grade uneigennützigen Liebe, sowohl gegen Gott als eben auch gegen jeden Nächsten, die Rede.

06] Wie alles Gute einzig darum geliebt werden will, weil es gut ist und darum wahr, so will auch Gott geliebt sein, weil Er allein höchst gut und höchst wahr ist!

07] Dein Nächster aber muß darum ebenalso geliebt werden, weil er gleich dir das Ebenmaß Gottes ist und gleich wie du einen göttlichen Geist in sich trägt.

08] Siehe, das ist der eigentliche Grundkern seiner Lehre, und er ist leicht zu beachten, ja um sehr vieles leichter als die tausend Gesetze des Tempels, die zumeist vom Eigennutz der Diener desselben angefüllt sind.

09] Durch die möglichst genaue Beachtung dieser neuen Lehre wird der im Menschen anfänglich sehr gefesselte Geist freier und freier, wächst und durchdringt endlich den ganzen Menschen und zieht sogestaltig alles in sein Leben, das ein Leben Gottes ist und daher ewig dauern muß, und zwar in der möglich höchsten Seligkeit!

10] Ein jeder Mensch aber, der also gewisserart in seinem Geiste wiedergeboren wird, wird nimmer einen Tod sehen, noch fühlen oder schmecken, und die Loswerdung von seinem Fleische wird ihm die höchste Wonne sein.

11] Denn der Geist des Menschen, also völlig eins mit seiner Seele, wird da gleichen einem Menschen im harten Gefängnisse, durch dessen enges Lichtloch er wohl in die schönen Gefilde der Erde hinausschauen kann und sehen, wie sich ganz freie Menschen auf denselben mit allerlei nützlichen Beschäftigungen erheitern, während er noch im Gefängnisse schmachten muß. Wie froh aber wird er sein, so der Kerkermeister kommt, die Tür öffnet, ihn von allen Fesseln losmacht und zu ihm sagt: 'Freund, ihr seid frei von jeder weiteren Strafe, geht und genießt nun die volle Freiheit!'

12] Also gleicht des Menschen Geist der Lebensfrucht eines Embryovögleins im Ei; wenn es durch die Brutwärme reif geworden ist innerhalb der harten, sein freies Leben fesselnden Hülle, dann bricht es die Hülle durch und freut sich seines freien Lebens.

13] Aber solches kann der Mensch nur erreichen durch die genaue und aufrichtige Haltung der Lehre, die der Heiland aus Nazareth nun den Menschen verkündet.

14] Nun aber empfängt der Mensch, wenn er im Geiste schon mehr und mehr wiedergeboren ist, auch andere Vollkommenheiten, von denen der bloß natürliche Fleischmensch sich keine Vorstellung machen kann.

15] Der Geist ist dann eine Macht in sich, der göttlichen gleich; was ein solcher vollendeter Geist im Menschen dann will, das geschieht und muß geschehen, weil es außer der Lebenskraft des Geistes in der ganzen Unendlichkeit Gottes keine andere Kraft und Macht geben kann!

16] Denn das wahre Leben ist allein Herr und Schöpfer, Erhalter, Gesetzgeber und Lenker aller Kreatur, und es muß sich darum alles der Macht des ewig allein lebendigen Geistes fügen.

17] Du hast davon an dem Jünger nun ein Pröbchen gesehen, und so kannst du Mir vorderhand glauben, dass es also ist. Die Einsicht aber von dem Wie, Wodurch und Warum wird dir erst werden, wenn du zur Freiheit deines innersten Geistlebens gelangt sein wirst.

18] Mathael hat dir aber schon zur Genüge gezeigt, zu welcher Einsicht ein nur zur Hälfte wiedergeborener Geist gelangen kann, und so hast du nun für alles die handgreiflichen Beweise in den Händen und kannst darum mit großer Zuversicht dein Leben danach einrichten. - Bist du zufrieden mit dieser Erklärung?“

19] Sagt Suetal: ”Freund, viel zufriedener als mit der des ganz entsetzlich weisen Mathael! Es ist zwar das, was du mir nun gesagt hast, ebenso tief weise, als was ich alles schon aus dem Munde Mathaels vernommen habe, und in einer gewissen Hinsicht noch weiser; aber beim Mathael wird einem förmlich ängstlich und sehr bange, weil man da keinen rechten Eingang und Ausgang erkennt. Du hast aber nun mit ganz schlichten Worten wenigstens mir die ganze Sache so klargemacht, dass ich mir nun nichts Klareres mehr denken kann; ich weiß nun genau, was ich zu tun habe, und was ich notwendig dadurch erreichen muß, und so bin ich denn auch vollends zufrieden, da mir keine weitere Frage mehr übrigbleibt.“



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