Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 41


Mathaels Geschichte seiner Schicksale und Heilung.

01] Sagt Mathael: ”Sieh, Bruder, wir waren Tempelgefährten und mußten dasselbe Los teilen, nur zogt ihr gen Mittag, und wir mußten gen Morgen ziehen. Wir aber fielen einer Horde verkörperter Teufel in die Hände, und es wurden dadurch unsere Leiber zu Wohnungen von vielen Teufeln; aber hier fand sich ein Heiland vor, wohl der größte, den je die Erde getragen, und dieser hat uns ohne alles Entgelt geheilt bloß durch sein über alles Leben herrschendes, mächtiges Wort.

02] Er ist hier! Derselbe, dessen der römische Hauptmann Julius zu euch in seiner Frage Erwähnung tat; aber es ist für euch nun noch nicht an der Zeit, mit ihm in eine nähere Bekanntschaft zu treten. Er selbst wird es bestimmen, wann ihr ihn näher kennenlernen sollt! Fragt darum nicht weiter und vernehmt, was ich nun zu euch sagen werde!

03] Ihr seid zwar Kinder dieser Welt noch, könnt aber, so ihr wollt, auch in die wahre, freie und lebensvolle Kindschaft Gottes übergehen. Diese Herren Roms werden euch gerne die Mittel dazu verschaffen. Der Herr, der euch verhört hat, wird sicher nicht einen Augenblick säumen, euch auf den rechten Weg zu setzen, und nun um so leichter, da auch der oberste Statthalter Cyrenius aus Sidon hier anwesend ist.

04] Seht, dort unter euch stehen auch dreißig Templer! Sie gehören schon der Fremdenlegion an und sind nun durch und durch Römer. Werdet ihr dasselbe, und euch ist für alle Zeiten und für alle Ewigkeit geholfen! Aber in Jerusalem blüht für uns ewig kein Glück mehr; denn die Beschaffenheit des Tempels kennt ihr, die von nahe ganz Jerusalem hoffentlich auch, sowie das verfluchte Wasser! Welcher Mensch kann da noch nur je einen Wunsch haben, das Hauptnest aller Teufel und Sünden je wieder zu besuchen? Wollt ihr sterben, dann zieht nach Jerusalem; wollt ihr aber leben und auch finden das ewige Leben, dann werdet Römer dem Leibe nach und wahrhafte Juden nach Moses der Seele nach! - Fasst ihr solches?“

05] Sagt Suetal: ”Ja, ja, ja, wir fassen das; aber nur unaussprechlich merkwürdig ist es, dass du nun zu solch einer enormen Klarheit gekommen bist! Jetzt erkenne ich dich auch als meinen Tempelkollegen und weiß, dass du ein tüchtiger Redner warst und mehrere Male so recht derb den Hohen die Wahrheit ins Gesicht sagtest, was denn auch zur Folge hatte, dass du - ich glaube mit noch vieren von deiner Art - nach Samaria ziehen mußtest! Ja, ja, du bist es schon, und es freut uns alle, dich hier ganz gesund und rein wiederzusehen! Dein Rat, Freund, ist wohl an und für sich ganz gut; aber die Vielgötterei der Römer - “

06] Mathael fällt dem Suetal ins Wort: ' - ist noch immer um tausend Male besser als die allerfinsterste Ein- und eigentlich völlige Abgötterei des Tempels! Sage es mir, welcher Priester im Tempel glaubt denn noch an einen Gott? Ich sage es euch: Ihr Bauch und ihr Wollustsinn ist nun der wahre Gott des Tempels! Dem Tode, der Sünde und allen Teufeln dienen sie! Die Gebote Mosis kannst du um wenige Silberlinge haben, wie du sie willst, aber von ihren Freß- und Wollustsatzungen lassen sie nicht ein Häkchen nach! Sie haben kein Leben mehr und geben sich doch als Herren des Lebens aus und wollen als solche höchst verehrt werden!

07] Sie haben keinen Dunst mehr von dem, was Leben ist; sie verstehen samt und sämtlich kein Jota mehr von der Schrift, und die Propheten begreifen sie - wie du das Ende der Welt. Sie haben alle schon lange alles Leben der Seele verloren und pflegen deshalb so emsig das Leben ihres Mottensackes. Wie hätten sie dann aus ihrem vollsten Tode heraus das ewige Leben der Seele zeigen und geben können?

08] Das Leben muß aus dem Kampfe des Lebens mit dem Leben und mit dem Tode tiefst erkannt werden und muß in solcher Erkenntnis eine stets mehr und mehr tätige Festigung erhalten, wenn es als ein wahres Leben bestehen soll; wie aber kann der Tote dir zeigen, was das von ihm noch nie erkannte Leben in und außer sich ist?! Ich sage es euch: Im Tempel haust schon lange der ewige Tod; aber dahier haust wahrhaft das ewige Leben! Und siehe, die Römer fassen es und werden voll Lebens, während der Tempel es nie fassen wird, weil er tot ist schon für ewig. Was ist demnach besser: der Römer Vielgöttertum oder des Tempels Eingöttertum?!“

09] Nach diesen Worten Mathaels können sich die zwölf nicht genug verwundern über Mathaels höchst richtige Ansichten und über seine entschiedene Weisheit.

10] Suetal sagt darauf, sich entschuldigend, zu Julius: ”Hoher Herr, vergib es uns, dass wir dich so lange auf eine Antwort warten lassen; aber du vernahmst ja selbst die weisen Worte Mathaels, und wir wurden davon zu durchdrungen und konnten dir die erwünschte Antwort noch nicht geben. Aber so du mit uns noch eine kleine Geduld haben willst, so werden wir dir schon sicher eine ganz gediegenste Antwort geben!“

11] Sagt Julius ”Laßt nur den Mathael nicht aus, denn er versteht mehr als ich und noch viele tausend solcher, wie ich einer bin! Wenn er redet, will ich gerne tausend Jahre lang schweigen und ihn anhören! Darum besprecht euch nur mit ihm, er wird euch beinahe den besten Rat zu geben imstande sein!“

12] Sagt Suetal: ”Ja, er hat uns schon einen Rat gegeben, und es käme nun nur auf dich an, uns in die Legion der Fremden aufzunehmen!“

13] Sagt Julius: ”Ganz gut! Das ist auch schon so gut wie geschehen; aber dessenungeachtet wird euch der weise Mathael noch so manche großweise Lehre zu dem Behufe zu geben in dem allerbesten Stande sein!“

14] Sagt Suetal: ”Ja, das verspüren wir, obschon uns solche seine Eigenschaft nun noch unbegreiflicher vorkommt als die Luft! Wie er zu solch einer Weisheit gekommen ist, ist rein unerklärlich! Die wunderbare Heilung von seiner Tollheit ist begreiflich; aber woher er nun die Weisheit genommen hat, das begreife, wer es begreifen kann!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers