Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 158


47. Psalm Davids. Auslegung in Bezug auf Jesus durch Jüngerin Jarah.

01] Wir treffen die acht Schiffsleute gerade beim Lesen der Psalmen Davids. Als sie uns erschauen, da erheben sie sich vom Boden, begrüßen uns, und ihr Meister geht auf Mich zu und sagt: »Herr, Du allein könntest uns aus einer Verlegenheit retten! Gestern gen Abend hin kamen etliche Pharisäer und Schriftgelehrte zu uns und verlangten eine Überfahrt gen Zebulon und Chorazin, und wir verweigerten ihnen solche mit dem, daß wir nicht Herren, sondern nur Knechte des Schiffes seien und nun am Vorsabbat mit der Lesung der Psalmen zu tun hätten. Da verlangte ein junger Schriftgelehrter die Psalterrolle und schlug auf den 47. Psalm und las:

02]

    "Frohlocket mit Händen, alle Völker, und jauchzet Gott mit fröhlichem Schalle; denn der Herr, der Allerhöchste, ist erschrecklich, ein großer König auf dem ganzen Erdboden. Er wird alle Völker unter uns zwingen und die Leute unter unsere Füße! Er erwählt uns zum Erbteil, die Herrlichkeit Jakobs, den Er liebt. Gott fährt auf mit Jauchzen, und der Herr mit heller Posaune. Lobsinget, lobsinget Gott, lobsinget, lobsinget unserem Könige! Denn Gott ist der König auf dem ganzen Erdboden; darum lobsinget Ihm klüglich! Gott ist auch der König über alle Heiden; Gott sitzt auf Seinem heiligen Stuhle. Die Fürsten unter den Völkern sind versammelt zu einem Volk vor dem Gott Abrahams; denn Gott ist sehr erhöht bei den Schilden auf Erden!"

03] Als er solchen Psalm also gelesen hatte, fragte er ganz voll Ernstes: >Verstehet ihr diesen Psalm?< Und wir mußten seine Frage leider mit Nein beantworten. Heute aber haben wir uns seit früh unsere Köpfe zerbrochen, wissen aber dennoch nicht mehr denn gestern. Tausend Male haben wir an Dich gedacht; wenn Du, o Herr, es wolltest, so könntest Du uns darüber wohl ein kleines Lichtlein geben!«

04] Sage Ich: »Sehet an dies Mägdlein, das Ich an der Hand führe! Fraget sie darum, die wird euch darüber schon ein rechtes Licht geben!«

05] Sagt der Schiffsknechtmeister: »Dies Mägdlein kann kaum vierzehn Sommer haben! Woher käme ihr die Weisheit des Salomon?«

06] Sage Ich: »Ja, ja! Nicht nur die Weisheit des Salomon, sondern die Weisheit der Weisen der Erde und sehr vieles darüber wohnt in ihrem reinsten Herzen! Bis jetzt ist es noch keinem Menschen gelungen, hinter die Sterne zu schauen; fraget sie, und sie wird es euch verkünden! Den berühmten >Stein der Weisen< trägt sie in ihrer Schürze; darum wird sie euch den kurzen, aber dennoch inhaltsreichen Psalm wohl zu enthüllen imstande sein. Versucht es nur, und ihr werdet euch überzeugen!«

07] Sagt der Schiffsknechtmeister zu seinem Gefährten: »Sie sieht aber im Ernste schon ganz entsetzlich gescheit aus! Nur ist sie dabei von einer wahrhaft engelschönen Gestalt, was eben nicht zu Gunsten ihrer Weisheit spricht! Denn bis jetzt habe ich es noch immer erfahren, daß die schönsten Mädchen auch immer die dümmsten waren, was etwas ganz Natürliches ist. Die schönsten Kinder werden zu sehr verzärtelt und einbilderisch gemacht und lernen darum wenig oder nichts; mit einem minder schönen Kinde aber macht man gewöhnlich nicht viel Aufhebens. Man straft es leicht bei jeder Ungezogenheit, das Kind wird dadurch demütig und bescheiden, es gehorcht, duldet und lernt dabei recht viel. Aber wir wollen sehen, was dies im vollsten Ernste himmlisch schöne Mädchen uns über unsern Psalm zu geben imstande sein wird.«

08] Hierauf wendet sich der Schiffsknechtmeister an die Jarah und befragt sie darum, und diese sagt mit der liebfreundlichsten Miene von der Welt: »Liebe Freunde, nicht, als hätte ich solches irgend erlernt und wüßte nun darum wie ein Schriftgelehrter, sondern ich fühle es lebendigst in mir, daß das, was Davids prophetischer Geist vor mehreren hundert Jahren geweissagt hat, nun vor unsern Augen in die vollendetste Erfüllung gekommen ist. Solches solltet ihr ja auch auf den ersten Wurf in euch wahrgenommen haben!

09] Habt ihr nicht gesehen, wie Er, von dem David spricht, und der nun hier unter uns weilet körperlich, auf dem Meere gewandelt ist, als wäre es ein trockenes Land, und sahet ihr nicht, wie Er nun in wenigen Tagen bloß durch Sein Wort Tausende von allerlei Kranken geheilt hat? Die Blinden bekamen ihr Gesicht, die Tauben ihr Gehör, die Aussätzigen wurden rein, die Lahmen und Krummen gerade! Und da sehet diesen vor uns stehenden Berg; wie sehr machte eine Nacht ihn verändert! Wer kann die Berge versetzen und das Meer heben aus dem Grunde? Wer ist Der, dem alle Engel und alle die Elemente gehorchen?! Seht, da vor uns stehet Er körperlich; Diesen meinte David!

10] Dem sollen wir mit Händen frohlocken durch Werke wahrer, echter Nächstenliebe, und Ihm sollen wir entgegenjauchzen mit der reinen Stimme der Wahrheit ohne Trug, ohne Falsch und ohne Hinterlist! Denn wehe jedem, der Ihm mit dem unreinen Schalle der Lüge entgegenjubeln möchte! Denn wie lieblich und sanft Er auch ist den Gerechten, ebenso erschrecklich ist Er denen, die Lüge, Falschheit und Trug in ihrem Herzen bergen, wie es auch geschrieben steht: >Erschrecklich ist es, zu fallen in die Hände Gottes; denn Gott ist ein allmächtiger König über den ganzen Erdboden, vor Ihm kann sich niemand irgendwo verbergen!<

11] Er ist nun da, durch die Macht Seiner Lehre alle Völker zu nötigen, unter uns zu treten, um unseres Heiles teilhaftig zu werden, und die Leute, darunter zu verstehen sind die Kinder der Welt, zum Gericht unter unsere Füsse zu legen! Denn nur uns hat Er zu Erben des ewigen Lebens gemacht; ja wir sind Sein Erbteil! Er ist es, von dem Jakob sagte: >O Herr, Du allein bist meine Herrlichkeit!< Und dieweil Jakob solches im Herzen bekannte, so ward er ein Liebling Gottes, ein Liebling Dessen, der hier unter uns weilet!

12] Aber Er wird nicht immer also unter uns verweilen, sondern bald wieder auffahren in Seine ewigen Himmel, und zwar mit der fröhlichen Stimme der ewigen Wahrheit, durch die Er eine neue Erde und einen neuen Himmel geschaffen hat, für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten; und Er ist und wird sein der Herr, und der helle Klang Seiner Posaune, die da ist das zu uns geredete Wort, wird solches verkünden aller Kreatur auf und in der Erde und auf und über allen Sternen, geistig und materiell.

13] Diesem also sollen wir nach der Aufforderung Davids lobsingen; denn Dieser ist unser Gott und unser alleiniger König ewiglich!

14] Da wir aber wissen, was Er ist, so sollen wir mit reinem und weisem Herzen Ihm ehren und lobpreisen, und nicht nach Art der heuchlerischen Pharisäer, die sich einem falschen Jehova mit ihren Lippen nahen, aber dabei ihr Herz vor diesem wahren und lebendigen Jehova verschließen und sich von Ihm entfernen.

15] Er ist aber nicht nur unser Gott und König, sondern auch der der Heiden auf dem ganzen Erdboden; denn Er allein sitzet über allen Menschen und über die ganze endlose Schöpfung auf dem ewigen Stuhle Seiner unbegrenzten Macht und Herrlichkeit. Vor Ihm müssen sich alle Fürsten der Erde versammeln, wie ihre Völker vor ihnen; denn Er ist der alleinige Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er allein ist erhöhet durch Sich über alles, auch über alle Schilde der Mächtigen dieser unserer weiten Erde!

16] Daß Er zu uns kam, das ist eine selbst den Engeln unbegreifliche Gnade! Aber als Er kam, kam Er nicht unangekündigt; denn es haben davon alle Propheten geweissaget. Aber viele der Weissagungen konnten von den Menschen wegen der stets wachsenden Härte ihrer Herzen nicht verstanden werden. Nun aber ist Der Selbst gekommen, von dem die Propheten geweissagt haben, und Er Selbst offenbaret Sich allen Menschen, die da eines guten Willens sind.

17] Denen aber, die ein böses und hochmutsvolles Herz haben, kann Er nicht anders denn erschrecklich sein! Denn die Bosheit hat gleichfort die allmächtige ewige Gerechtigkeit zum unerbittlichsten und unbestechlichsten Richter über sich! Gleichwie eine gute, fühlbare Wage schon einen merklichen Ausschlag gibt, so man nur ein Haar auf der einen Seite hinzulegt, ebenso kann vor Ihm, der hier ist, keine noch so geringe Falschheit, Verkehrtheit, Bosheit, Ungerechtigkeit und jede andere Ungeschlachtheit des Herzens bestehen! Darum muß Er erschrecklich sein jeglichem Sünder, in dessen Brust ein hartes, verstocktes und böses Herz hänget. - Verstehet ihr nun den 47. Psalm Davids?«


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