Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 117


Kranke kommen zu Ebahl. Auftrag Jerusalemer Gäste.

01] Aber nach einigen Augenblicken Zeit ward es vor dem Hause lebendig. Man vernahm Stimmen von allerlei Zungen, zugleich fingen die Hunde des Nachbarn, der ein Grieche war, an, stark anzuschlagen, und Ebahl sagte: »O weh, nun werden die Angesagten wohl schon da sein!«

02] Sage Ich: »Noch nicht! Das sind Kranke, aber es wird nicht mehr lange dauern, so werden auch die Angesagten hier eintreffen! Die Kranken jedoch sollen bis morgen harren; denn für heute sind ihrer genug geheilt worden. Gehe aber dennoch hinaus und laß sie alle, die hier angekommen sind, in eine Herberge bringen, und gib denen, die es hungert und dürstet, etwas zu essen und zu trinken!« (Matthäus.14,35)

03] Auf diese Meine Worte begibt sich Ebahl sogleich mit seinen herbeigerufenen Hausdienern in seines Hauses großen Hofraum und findet denselben nahezu voll von allerlei Kranken, darunter viele Griechen, Römer und Ägypter. Alle diese verlangten zu Mir zu kommen, auf daß Ich sie heilte und gesund machte.

04] Ebahl aber wies ihnen eine Herberge an und ließ sie verpflegen, jegliches nach seiner Notdurft. Nach diesem Geschäfte kam er wieder in unseren Saal und sagte: »Dem Herrn alles Lob! Diese wären für heute versorgt und haben mir sehr wenig Mühe und Arbeit verursacht; wenn nur die angesagten Wichte aus Jerusalem auch schon in gleichem Maße versorgt wären! Aber da wird's nicht so leicht herabzukommen sein!«

05] Während Ebahl, der der ankommenden Pharisäer und Schriftgelehrten wegen Wachen auf- und ausgestellt hatte, aber noch so halbkläglich vor sich hin phantasierte, trat schon ein Diener in den Saal und verkündete zum Schrecken Ebahls die volle Ankunft der Angesagten. Ebahl eilt hinaus, um sie zu empfangen, und dessen zwei Weiber und die älteren Tochter folgen dem Ebahl, um ihn zu unterstützen, und Ebahls Söhne tun desgleichen; nur die liebe Jarah bleibt bei Mir.

06] Der Hauptmann aber, der auch neben Mir saß, sprach: »Wenn ich an Ebahls Stelle wäre, wüßte ich recht gut, was nun zu machen wäre! Ich geböte meinen Knechten, daß sie diese Kerle weidlichst durchstäupten! Was könnten sie ihm machen? Und es wäre solcher Empfang sicher nicht der erste, der ihnen schon hie und da zuteil geworden ist! Ich wollte mit ihnen einen ganz kurzen Prozeß machen! Und wenn sie hier hereinkommen sollten, so werde ich ihnen in jedem Falle dennoch einen Schabernack spielen, daß sie darob an Leib und Seele beben sollen, als hätte sie das Pestfieber ergriffen! Ich werde sie fragen, auf wessen Geheiß sie sich zur tiefen Nachtzeit einem Orte haben nahen dürfen, in dem sich eine römische Besatzung befindet; ich werde es ihnen zeigen, wie da ein jeder Ortskommandant das Recht hat, jeden, welchen Standes und welchen Bekenntnisses er auch sei, gefangenzunehmen und, so er sich nicht gültig zu rechtfertigen vermag, auch sogleich dem scharfen Gerichte zu übergeben! Ich werde das an ihnen zwar nicht in der Tat ausüben, aber einen panischen Schrecken will ich dennoch über ihre argen Häupter treiben, daß ihnen der Angstschweiß bis zur Ferse hinabfließen soll!«

07] Sage Ich: »Freund, tue, was du willst, von Mir aus werden dir hier keine Schranken gesetzt; aber so du hier ein gewisses Amt handeln willst, so mußt du nun hinausgehen und solches mit ihnen draußen abmachen unter Beiziehung einiger deiner unteren Führer!«

08] Sagt der Hauptmann: »Da laß, o Herr, nur mich sorgen; denn meine Gesetze und meine Rechte verstehe ich allenthalben zu handhaben!«

09] Nach diesen Worten ruft er sogleich seinen Diener, der im Vorhofe Wache hält. Dieser tritt eilig in den Saal und bittet den Hauptmann um den Befehl.

10] Der Hauptmann aber sagte zu ihm: »Laß du den Läufer sogleich ins Lager, und der Unterführer soll mir ungesäumt dreißig Mann hierhersenden! Gehe!« - Mit diesen Worten verläßt der Wachmann augenblicklich den Saal, und in zehn Minuten treten schon die dreißig Mann samt dem Unterführer in den Saal und werden von den noch auf der Straße rastenden und sich loben und preisen lassenden Pharisäern nicht bemerkt. Der Unterführer fragt den Hauptmann, was da nun zu geschehen haben werde.

11] Sagt der Hauptmann: »Vorderhand nichts von Bedeutung! Es gilt hier bloß, den Respekt aufrechtzuerhalten, den die Fremden zu beachten haben; und sollte ihnen das römische Lagergesetz fremd sein, so werden wir es ihnen einschärfen. Verhaltet euch daher hier ruhig und ernst, und habet acht auf jeglichen meiner Winke! Es geschehe!«

12] Bald darauf öffnet Ebahl weit des Saales Tür und bei zwanzig Pharisäer und Schriftgelehrte treten ein. Es versteht sich schon von selbst, daß die zwanzig noch eine Menge Begleiter mit sich hatten und Lastesel und Maultiere, die sie und ihr vieles Reisegepäck fortzuschaffen hatten; die Begleiter und die Tiere und alles Gepäck mußten versorgt werden. Als die Pharisäer und die Schriftgelehrten vollends im Saale waren, musterten sie sogleich die Saalgesellschaft und fragten den Wirt, was das römische Militär hier zu tun habe.

13] Sagt Ebahl: »Es wird vernommen haben, daß ihr hier ankommen werdet, und es kam, um euch die gebührende Achtung zu bezeigen.«

14] Sagt der Pharisäer einer: »Das sieht den Römern durchaus nicht gleich! Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, - wir sind hungrig und durstig, darum laß Speisen und Trank bringen!«

15] Ebahl setzt sogleich alle Hände und Füße in Bewegung, die außer Meiner Jarah nur im Hause existieren, und in wenigen Augenblicken ist ein großer Tisch bestens bestellt.

16] Die Pharisäer waschen sich die Hände und greifen hernach zu. In kurzer Zeit ist alles aufgezehrt und bei sechzig Becher Wein ausgetrunken. Der Wein aber macht sie gesprächig, und sie fangen darauf an, sich nach allerlei zu erkundigen, geben bald den Grund ihrer Hierherreise an und erkundigen sich um Mich, sagend: »Wisset ihr hier nichts von einem Vagabunden, der aus Nazareth gebürtig sein soll? Dieser Mensch, etwa ein Zimmermann von Profession, treibe unerhörte Zauberei, verbreite eine neue Gotteslehre, mache Kranke gesund, beschwöre die Geister und wiegle das Volk gegen den Tempel und gegen den Kaiser auf. Wir sind seinetwegen auf dem Wege nach Nazareth, um dort diese Sache zu untersuchen. Da er aber in ganz Galiläa sein Wesen treiben soll, so dürftet ihr hier von ihm wohl vielleicht etwas Näheres wissen!«


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