Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 114


Jarah über ihre verschiedenen Gebetserfahrungen.

01] Sagt Jarah: »Oh, wie sollte sie mir nicht gefallen? Ich möchte es ja auch so machen, wenn ich es nur könnte! Aber was nützt mir mein menschenfreundlicher Wille, wenn ich nicht helfen kann? Ich kann dann nur, wenn es kleine Sachen sind, meine Eltern bitten, daß sie den Armen und Notleidenden Hilfe schaffen möchten, und da bin ich beinahe noch immer erhört worden, - freilich manchmal wohl auch dafür ein wenig ausgezankt, weil ich gar so ein dumm-weiches Herz habe; aber darüber habe ich mich nie gekränkt, - wenn dem Armen nur geholfen war.

02] Mit der Bitte zu Gott, dem allmächtigen Herrn, aber ist es mir nicht immer so gut ergangen! Denn da habe ich auch oft gebetet; und wenn ich schon glaubte, daß Gott meine Bitte sicher erhören werde, und ich dann hinging, um nachzusehen, ob mein kindliches Gebet etwas gefruchtet habe, da war nichts da! Es war alles noch beim alten Übel.

03] Ich ging dann freilich wieder zu meinem Vater und fragte ihn, warum denn Gott der Allmächtige manchmal gar so harthörig sei!

04] Da sagte mir der Vater, Gott wisse, warum Er diesem oder jenem zu seinem Seelenheile ein längeres Leiden sende, und bemesse sehr wohl die Zeit, wie lange dieser oder jener zu büßen habe; und da nütze dann kein Gebet besonders, außer ein solcher Sünder hätte sich schnell vollends bekehrt! Und sieh, ich war damit beruhigter; aber ich gab darum das Bitten für den Armen nicht auf.

05] Aber manchmal erhörte mich auch der liebe, große Gott schnell, und da hatte ich aber wohl auch die größte Freude! Denn es gibt in dieser Welt für ein mitleidiges Herz wohl keine größere Seligkeit, als zu erfahren, daß der große Gott sogar das Gebet eines fast noch unmündigen Mägdleins erhört!

06] Und daß Du, o Herr, zu uns gekommen bist, kommt mir auch fast so vor, als ob der große Gott mein Gebet erhört hätte! Denn wir alle haben es von vielen, die hierhergekommen sind, vernommen, daß in Nazareth und dessen Umgegend ein gewisser Zimmermann Jesus gar so außerordentlich große, ja unerhörte Heilungen an den Kranken bewirke, ja sogar die Toten wieder lebendig mache; die Blinden sähen, die Stocktauben bekämen vollkommen ihr Gehör und die Stummen die Sprache wieder, die Lahmen und Krüppel würden wieder gerade und ganz, - kurz, es gäbe gar keine Krankheit, die er nicht augenblicklich heilete!

07] Anfangs hielten wir das für eine Fabel; aber als immer wieder Leute zu uns kamen, sogar solche, die von Jesus wunderbar geheilt worden waren, da fingen wir an zu glauben, daß es sich wirklich also verhalten werde.

08] Da ergriff mich eine überstarke Liebe zu diesem Manne, dem solches möglich, und ich bat dann den lieben Gott tagtäglich so andächtig und vertrauensvoll, als es mir nur immer möglich war, daß Er Dich zu uns führen möchte durch Seine Allmacht! Und siehe, Gott hat mich richtig erhört und hat Dich zu uns gebracht!

09] Als es hieß, daß Du gekommen seiest, ach, das ist unbeschreiblich, was ich da für eine Seligkeit empfunden habe! O wie gerne, wenn ich nur den Mut gehabt hätte, wäre ich Dir um den Hals gefallen! Aber ich mußte meinem Herzen, der Eltern und der Geschwister wegen, einen großen Zwang antun. Heute aber ist die für mich gar zu unbeschreiblich glückliche Zeit gekommen, bei Dir, dem Meister und Herrn, zu sitzen, den ich schon, seit ich von Ihm das erste Wort gehört habe, über alle Maßen liebe.

10] Oh, jetzt bist Du da und ich habe Dich und - o welch eine unbeschreibliche Seligkeit! - darf Dich lieben und werde auch von Dir geliebt. Oh, nun dürften wohl selbst die vollkommensten Engel im Himmel nicht seliger sein, als ich's nun bin! - Aber Du darfst uns nun auch nimmer verlassen; denn da müßte ich wohl sterben vor zu großer Traurigkeit!«

11] Sage Ich: »Nein, nein, du Mein Herz! Dich verlasse Ich ewig nimmer und sage dir auch, daß du den Tod weder sehen noch fühlen wirst; Meine Engel werden dich von dieser Welt dereinst holen und werden dich bringen zu Mir, deinem Vater von Ewigkeit! Denn sieh, du Meine allerliebste Jarah, zu Dem du um Meine Hierherkunft gar so herzlich gebetet hast, Der sitzet nun in Meiner Person bei dir und liebt dich mit all der rein göttlichsten Flamme aller Himmel, und du hattest recht zu sagen, daß du seliger bist denn die vollkommensten Engel aller Himmel! - Hebe deine Augen auf, und du wirst es sehen, daß es also ist, wie Ich es dir nun gesagt habe!«


Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 2   |   Werke Lorbers