Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 2


Judas Ischariot als Golddieb. Satans Einfluss auf Diebe.

01] Wir treten nun ins Zimmer, respektive in den Speisesaal, allwo ein reichliches Abendmahl unser harret. Wir aber verzehren noch kaum das Mahl, als zwei Knechte den Judas Ischariot in den Saal hereinbringen und dem Oberrichter melden, daß dieser Jünger, oder was er sonst sei, ein paar Pfunde Goldes habe entwenden wollen, sie ihn aber bei der Tat ergriffen, das Gold ihm wieder abgenommen und ihn hierher zur Verantwortung gebracht haben.

02] Judas steht hier ganz entsetzlich beschämt da und sagt: »Ich habe nicht im entferntesten im Sinne gehabt, das Gold mir zueignen zu wollen, sondern habe ein paar Stänglein bloß versucht, ob sie wohl wirklich so schwer sind, als man sie angibt; diese Narren aber ergriffen mich sogleich und schleppten mich als einen gemeinen Dieb herein! - Ich bitte dich, Faustus, darum, daß mir dieser Fleck abgenommen werde!«

03] Sagt Faustus zu den Knechten: »Laßt ihn gehen! Er ist ein Jünger des Herrn, und ich will seiner darum schonen; (zu Judas): du aber greife in Zukunft, besonders zur Nachtzeit - außer du werdest ein kaiserlicher Taxator - ja keine Goldbarren mehr an, sonst wirst du wegen versuchten Diebstahls zur unvermeidlichen gesetzlichen Strafe gezogen werden! Hast du den Oberrichter Faustus wohl verstanden?«

04] Sagt Judas ganz entsetzlich beschämt: »Herr, es war im vollsten Ernste auch nicht die leiseste Spur von einem versuchten Diebstahl, sondern wirklich nur eine - freilich etwas unzeitige - Probe über die Pfundschwere eines Goldbarrens.«

05] Sage Ich: »Gehe, und suche dir ein Lager! Denn an diesem Übel, an dem alle Diebe sterben durch die Hand des Satans, wirst auch du in jüngster Zeit sterben; denn du warst, bist und bleibst ein Dieb! Solange dich des Gesetzes Schärfe schreckt, bleibst du wohl, der offenen Tat nach, kein Dieb noch; aber in deinem Herzen bist du es lange schon! Nehme Ich heute alle Gesetze weg, so wirst du als erster deine Hände an die Schätze draußen legen; denn deinem Herzen sind alle Rechts- und Billigkeitsgesetze fremd. Schade für deinen Kopf, daß unter ihm kein besseres Herz schlägt! - Gehe nun schlafen, und werde morgen nüchterner denn heute!«

06] Mit diesem Verweise geht Judas groß beschämt aus dem Speisesaale in sein Schlafgemach und legt sich nieder, denkt aber bei zwei Stunden nach, wie er dem entgehen könnte, was Ich ihm geweissagt habe; aber er findet in seinem Herzen keinen Ausweg, da dieses gleichfort seine golddurstige Stimme von neuem erhebt, und schläft also ein. - Wir aber begeben uns auch zur Ruhe, da uns zwei vorhergehende Nächte sehr in Anspruch genommen haben. Der Morgen aber ließ nicht lange auf sich warten.

07] Als sich Faustus noch einmal umwenden wollte, um noch ein Morgenschläfchen zu machen, da kommen auch die Schätzeführer von Chorazin an, wecken ihn, und er muß von Amts wegen hinaus, die Schätze besichtigen, sie taxieren und in Empfang nehmen. Als er mit dieser Arbeit fertig ist, sind auch wir alle auf den Füßen, und das Morgenmahl, bestehend in frischen, wohlzubereiteten Fischen, ist auch schon auf den vielen Tischen im großen Speisesaale. Faustus kommt schon nahe ganz arbeitsmüde in den Speisesaal am Arme seiner jungen Gattin und setzt sich zu Mir hin.

08] Nach dem genossenen Morgenmahle erst, bei dem ein guter Wein nicht gemangelt hatte, erzählt Mir Faustus, daß sein Morgengeschäft, das ihm sonst bei allem Fleiße eine Arbeit von ein paar Wochen gemacht hätte, nun bereits beendet und alles an den Ort seiner Bestimmung abgegangen sei. Es seien alle Dokumente in aller Ordnung schon fertig auf dem Tische in der großen Amtsstube und die gerichtlichen Geleitbriefe in der besten Ordnung. Der Schatz aus Kisjonahs Höhle sei richtig verteilt und mit Bestimmungsdokumenten bestens versehen, desgleichen auch die Steuergelder nebst dem großen Tempelschatz aus Chorazin, und so sei nun alles expediert; nur finde sich in der großen Amtsstube noch ein bedeutendes Zimmermannszeug vorrätig, zu dem sich noch kein Eigentümer vorgefunden habe.

09] Sage Ich: »Dort unten am Ende des Tisches, neben der Mutter Maria sitzend, sind zwei Söhne des Josef, namens Joses und Joel; diesen beiden gehört es! Es ist ihnen als Pfand genommen worden mit der kleinen Behausung in Nazareth, und soll ihnen auch wieder zurückgestellt werden!«

10] Sagt Faustus: »Herr, samt der Behausung! Dafür stehe ich! O Herr und Freund! Was haben diese Schwarzen mir schon alles für Verdrießlichkeiten bereitet; das dumme Gesetz aber hielt ihnen die Stange, und man konnte ihnen mit dem besten Willen nirgends hinters Genick kommen. Vor meinen Augen begingen sie die gräßlichsten Ungerechtigkeiten, und man konnte ihnen bei aller Macht, die einem zu Gebote steht, nichts machen; aber hier hat sie denn der Satan doch einmal sitzenlassen, und ich habe nun ein Heft in meinen Händen, vor dem diese Kerle beben sollen wie ein lockeres Laubblättchen im die Wälder durchsausenden Sturm! Der Bericht an den Oberstatthalter Cyrenius ist ein Meisterstück, den er vidimiert (beglaubigt) samt den Steuern augenblicklich nach Rom wird abgehen lassen. Von Tyrus, Sidon und Cäsarea ist das Kaiserschiff mit vierundzwanzig Rudern und bei gutem Wind sogar mit einem starken Segel und Steuerruder versehen in zwölf Tagen an der römischen Küste und so gut als in des Kaisers Händen! Freuet euch in noch einmal zwölf Tagen darauf, ihr Schwarzen! Eurem Hochmute sollen ganz sonderbare Schranken gesetzt werden!«

11] Sage Ich: »Freund! - Ich sage dir: Juble nur nicht zu früh! Eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus! Es wird den elfen innerhalb der Mauern durchaus nicht wünschenswert ergehen! Sie werden zwar nicht getötet, aber dafür lebenslang in die ewige Bußkammer gesperrt werden! Aber in der öffentlichen Entschuldigung gen Rom werden sie wie Wolle weiß gewaschen werden, und man wird dann erst von dir die weiteren Berichte verlangen, und du wirst eine große Not haben, allen Fragen aus Rom zu genügen. Es wird dir zwar wohl kein Haar gekrümmt werden; aber einer gewissen Not wirst du kaum entgehen, wenn du nicht mit den gehörigen Zeugen und andern Wahrzeichen zurechtkommst. Ich überlasse dir darum den Pilah; der wird dir in allem gute Dienste leisten. Stecke ihn aber nur geschwinde in die Tracht der Römer, daß er von den in Kapernaum stationierten Kollegen nicht erkannt wird! Denn Ich kann dir sagen: Satan hat sein Regiment bei weitem nicht so verschmitzt eingerichtet wie diese Schlangenbrut. Darum sei denn auch du nebst deiner taubenartigen Sanftmut schlau wie eine Schlange, sonst kommst du mit diesem Geschlechte nicht zurecht!«

12] Sagt Faustus: »Ewig Dank Dir für diesen Rat! Doch jetzt sollten wir, da dies Geschäft so gut als möglich abgelaufen ist, denn doch etwas mehr Erheiterndes unternehmen!«

13] Sage Ich: »Ganz wohl! Ich bin schon dabei; nur warten wir noch auf den Kisjonah, der mit seinen Kassen bald in der Ordnung sein wird!«


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